Eine Perle unter den Rollenspielen

Mit dem neusten Ableger der The Witcher Reihe schafft es der Hexer, Geralt von Riva, zum dritten Mal auf den PC. Die Vorfreude auf The Witcher 3: The Wild Hunt...

von -WarPig- am: 12.06.2015

Mit dem neusten Ableger der The Witcher Reihe schafft es der Hexer, Geralt von Riva, zum dritten Mal auf den PC. Die Vorfreude auf The Witcher 3: The Wild Hunt war immens und spätestens nach den Vorschusslorbeeren, die Redakteure wie Heiko Klinge dem Studio CD-Projekt entgegenbrachten, war die Sicherheit gegeben, dass uns mit The Witcher 3 ein erstklassiges Rollenspiel ins Haus steht. Die Erwartungen waren dementsprechend hoch angesetzt und auch bis zum letzten Spieler dürfte durchgedrungen sein, dass ein Großteil der Erwartungen erfüllt, wenn nicht sogar übertroffen worden sind. Aber worum geht es denn eigentlich in Geralts drittem Abenteuer?

Geschichten über Geschichten

Der Hexer ist zu Beginn des Spiels auf der Suche nach seiner großen Liebe Yennefer. Inzwischen sollte sich herumgesprochen haben, dass Geralt quasi durch Yennefer den Auftrag erhält, nach seiner Ziehtochter Ciri zu suchen. Für alle, die das noch nicht wussten, sei hier eine Spoilerwarnung ausgesprochen, wenn auch ein paar Zeilen zu spät…ach sei´s drum.
Sowohl Ciri als auch Yennefer werden uns in einem Traum des Hexers näher gebracht, indem die noch junge Ciri ihr Hexer-Training auf Kaer Morhen bestreitet, inklusive Bewegungs- und Kampfübungen. Die für den Untertitel des Spiels Verantwortung tragende Wilde Jagd erhält ebenfalls ihren kleinen Gastauftritt. So dient der Abschnitt nicht nur als Tutorial, sondern auch zur Vorstellung einiger der wichtigsten Figuren.
Wohl gemerkt einiger - von denen gibt es aber weit mehr als nur Ciri und Yen. Während seines Abenteuers trifft Geralt viele alte Bekannte wieder. Neben seinen Freunden Rittersporn und dem Zwerg Zoltan, seinem Mentor Vesemir und vielen mehr, begegnet Geralt auch der wohl bekannten Zauberin, Triss Merigold, wieder - die ja mal um so vieles schöner ist als Yennefer - *hust*.
Die Geschichte rund um die Suche nach Ciri ist durchweg gut erzählt und bringt immer wieder denkwürdige Ereignisse hervor, die uns im Gedächtnis bleiben. Oft durchlebt Geralt eine Achterbahnfahrt der Gefühle in nur einer Questreihe; Stichwort der Blutige Baron. Von derlei Ereignissen gibt es im Spiel viele. Im ersten Moment lacht man noch über die kleine Anspielung auf Shakespeares Hamlet, im nächsten Moment könnte man weinen weil hinter der nächsten Tür ein Blutbad stattfindet. Aber schon freut man wieder, weil Zoltan einen kleinen Seitenhieb auf „Fifty Shades of Grey“ landet und egal wie traurig und düster die Stimmung rund um uns ist, wenn Zwerge im Schlaf über ihre perversen Träume sprechen, kann man sich ein Schmunzeln vor dem Bildschirm nicht verkneifen. Und wenn der edelmütige Ritter versucht die Ehre der Jungfer Heidelbeer zu verteidigen,…hach! Aber keine Sorgen ich verrate nichts mehr. Halt doch! Eine letzte Sache oder besser gesagt ein kleiner Tipp: Wer ein Freund der Serie Game of Thrones ist oder wie ich die Romane von G.R.R. Martin gelesen hat, sollte unbedingt mal auf der Insel Kaer Almhut vorbeischauen.
The Witcher 3 erzählt jedenfalls großartige, fantastische, um nicht zu sagen epochale Geschichten.

Groß, größer, am größten

Eines sei gleich vorweg gesagt, ohne zu euphorisch klingen zu wollen - großartig, fantastisch, epochal - das sind die passenden Adjektive für ein Spiel wie The Witcher 3 und auch für die Größe seiner Spielwelt. Allein schon um das Prologgebiet Weißgarten in Gänze zu erkunden und um allen Aufgaben und Nebenaufträgen nachzugehen, sollten locker 4 Stunden ins Land gehen. Erst danach wird Geralt auf den Rest der Spielwelt losgelassen, die neben Weißgarten mal eben mit 4 oder wenn man penibel sein möchte 5 weiteren Gebieten auf ihn wartet. Velen, das sogenannte Niemandsland ist das wohl größte Gebiet auf der Weltkarte. Kleine Dörfer, mal bewohnt, mal verlassen und zerstört, inmitten von Wäldern, Wiesen und Feldern prägen das vom Krieg gezeichnete Land. Im Norden des Niemandslandes liegt die freie Stadt Novigrad. Zwischen beiden kann der Hexer ohne Ladepausen hin und her reisen, was aus beiden Gebieten praktisch ein großes Areal macht. Im Verlauf der Hauptgeschichte gelangen wir vom Hafen der Stadt zum Skellige-Archipel. Die Bewohner der frostigen Inseln sind verschiedene Wikingerclans, deren Ansichten aus George R.R.´s „Das Lied von Eis und Feuer“, ähnlich denen der Eisenmänner, stammen könnte.

Spoilerwarnung für den nächsten Absatz

Nach dem Prolog in Weißgarten gelangt Geralt in die königliche Burg Wyzima. Die Festung wird zwar als separates Gebiet auf der Weltkarte angezeigt, außer einigen kleinen Nebenaufgaben und den für die Haupt-Story obligatorischen Gesprächen gibt es hier aber nicht viel zu tun und nur wenig zu erkunden. Trotzdem ist die Burg allemal einen Blick Wert. Die Geschichte von The Witcher 3 führt Geralt auch in das letzte große Gebiet, die Festung Kaer Morhen inklusive Umland. Die zerstörte Burg bietet nicht sonderlich viel Abwechslung, dafür aber das Umland. Mit seinen Seen, Bergen und Wäldern lädt es nämlich alle mal zum Erkunden ein.

All diese Gebiete sind einfach wunderschön gestalten. Soviel Liebe zum Detail findet man nur in sehr wenigen andern Spielen. "Die Welt lädt förmlich zum erkunden ein", trifft es genau auf den Punkt.

Eine Welt, die mir gefällt

Es wird deutlich, dass die Welt von The Witcher 3 nicht groß, nicht enorm und auch nicht gewaltig, sondern einfach gigantisch ist. Aber hat CD-Projekt das Kunststück vollbracht, diese Welt mit Leben und Abwechslung zu füllen? Achtung Spoiler: Ja, ja und nochmals JA! Langeweile und Leerlauf sind in der Welt von The Witcher 3 Fremdwörter. Allein um und in Novigrad sprudelt die Spielwelt vor Leben. Im Umland der Stadt siedelt das niedere Volk in Holzhütten, bestellt Felder, stellt Kleidung her und trifft sich auf ein Bier in der nächsten Taverne.
Novigrad selbst wartet mit kleinen und großen Fachwerkhäusern, engen Gassen und großen Marktplätzen sowie dem großen Hafengebiet auf. Tagsüber herrscht auf den Marktplätzen geschäftiges Treiben. Die Bürger der Stadt gehen ihrem Tagwerk nach, schlendern umher oder unterhalten sich (mal über Sinnvolles, mal über weniger Sinnvolles) am Wegesrand. Bei Nacht, ja, The Witcher 3 hat einen dynamischen Tag- Nachtwechsel, verschwinden die Bürger in ihren Häuser und schlafen, besuchen die nächste Taverne oder kehren für ein kleines Schäferstündchen im nächsten Bordell ein. Doch auch bei Nacht bleibt die Spielwelt belebt. In Novigrad stehen die Huren an den Ecken des Hafenviertels, Banditen lauern in dunklen Gassen auf ihre Opfer und so manch betrunkener Gast oder auch betrunkene…äh…Gästin der Tavernen liegt im Staub am Straßenrand. Dadurch wirkt die Welt von The Witcher 3 einfach zum Anfassen lebendig. Die Dichte des Lebens mag zwar abnehmen, je weiter wir uns von der Stadt und ihrem Umland entfernen, nicht aber die Glaubwürdigkeit und Atmosphäre, die das Spiel vermittelt.
Die Liebe zum Detail spiegelt sich in jedem Teil der Spielwelt wieder. Man fühlt einfach den Charakter jedes Gebiets und seiner Bewohner. Die Welt von The Witcher 3 ist kein Kinderspielplatz. Da baumeln schon mal ein paar Gehängte vom Baum am Wegesrand. Das gehört in The Witcher 3 ebenso zum guten Ton wie Rassismus, Gewalt, Verfolgung, Hass und ja auch Sex. In Novigrad kann man den Rassismus gegen Magier und Elfen förmlich riechen. Wem das nicht genügt, der kann auch einfach mal auf dem Markplatz vorbeischauen und feststellen, dass nicht nur Holz und Öl als Brennmaterial für die Scheiterhaufen dienen, sondern auch Magier und Anderlinge (Elfen und Zwerge). Ja, die Welt von The Witcher 3 ist alles andere als märchenhaft. Dazu tragen auch zerstückelte und entstellte Körper bei.
Apropos: Letzteres darf Geralt auch selbst tun. Vorausgesetzt das Schwert des Hexers ist nicht kaputt und muss repariert werden. Das passiert nämlich. Also manchmal. Also eher häufig. Mit scharfer Klinge benötigt es aber keinen Schwertstreich aus vollem Galopp, um einen Gegner in zwei Teile zu schneiden oder ihn im wahrsten Sinne des Wortes einen Kopf kürzer zu machen. Dafür reicht schon ein leichter Angriff. Neben den erotischen Szenen, die sich dem Spielerauge bieten, ist das auch ein Grund für die FSK 18 Einstufung.

Die Romane am Wegesrand

Sollte es Geralt irgendwann zu blöd werden, die Bewohner der Welt zu beobachten, ziellos in den Sonnenuntergang zu reiten oder über besoffene Bürger zu stolpern, dann kann er sich immer noch einer der Nebenaufgaben widmen, die schier in unendlicher Zahl zu finden sind. Davon gibt es im Groben zwei Kategorien, Nebenquests und Hexeraufträge. Erstere sind mal kleine Aufträge, die wir am Straßenrand finden oder die uns finden, mal sind sie der Anfang ganzer Auftragsketten. Die meisten von ihnen haben aber eines gemeinsam: Sie erzählen wunderbare große und kleine Geschichten, die oft mit folgenschweren Entscheidungen verbunden sind. Fies hierbei, die Konsequenzen unserer Taten sind oft erst später zu erkennen und entscheiden nicht selten über Leben und Tod.
Bei einem kleinen Abendritt durch Velen findet Geralt einen Soldaten, der gefesselt am Rand eines Flusses sitzt. Natürlich bittet er den Hexer um Hilfe. Jetzt kann Geralt den Mann befreien oder ihn gefesselt am Strand zurücklassen - oder Geralt wählt die dritte Option und befragt den Mann zu den Hintergründen seiner Situation. Beinahe jeder Auftraggeber bietet dem Hexer Gesprächsoptionen, die mehr über seine Beweggründe, die Geschehnisse rund um seine Aufgabe oder einfach nur interessante Hintergrundinformationen liefern. Knifflig wird die ganze Sache, wenn wir unter Zeitdruck antworten müssen und nur die Wahl zwischen Elend und Leid haben. Wem diese, meist erstklassig geschriebenen und vertonten (sowohl im Englischen als auch im Deutschen), Dialoge zu langwierig sind, der kann auch nur die für die Quest relevanten Fragen stellen, erkennbar durch die gelbe Farbe des Textes. Aber seien wir mal ehrlich - wer möchte das bitte. Einen Großteil seiner Faszination zieht The Witcher aus eben jenen Dialogen, die geradezu danach schreien, in Gänze angehört zu werden. Super hierbei; gelöste Aufgaben wirken sich auch teilweise spürbar auf die Welt aus. Sobald Geralt das ein oder andere Ungetüm in Novigrad zur Strecke gebracht hat, sprechen ihn die Bewohner im Vorbeigehen darauf an. Auch dadurch fühlt sich die Spielwelt lebendig an.
Aber schauen wir noch einmal zurück zu unserem gefesselten Soldaten. Befragt Geralt den Mann, erfährt der Hexer, dass der Soldat von einigen Flüchtlingen gefesselt und zum Sterben am Strand zurück gelassen wurde. Die Entscheidungsmöglichkeiten bleiben dieselben. Geralt kann den Mann zurücklassen und ihn damit dem sicheren Tod überantworten oder er lässt ihn frei. Welche Entscheidung hier die richtige ist, erfährt der Hexer erst später.

An dieser Stelle wieder eine Warnung vor Spoilern

Lässt Geralt den Soldaten frei, kann er ihn ein paar hundert Meter weiter und einige Zeit später am Lager der Flüchtlinge wiedertreffen. Der Mann ist aber nichtmehr allein, sondern in Begleitung einiger Banditen unterwegs, mit denen er unter den Flüchtlingen ein Massaker angerichtet hat. Wieder kann Geralt wählen, ob er die Belohnung annimmt, die ihm der Soldat für seine Rettung anbietet oder ob er Rache für die ermordeten Flüchtlinge nimmt. Diese kleine aber feine Quest verdeutlicht sehr anschaulich, wie unsere Entscheidungen (manchmal erst Stunden später) zum Tragen kommen.

Mut zur Lücke

CD-Projekt ist auch nicht darum verlegen, dem Spieler ganze Auftragsketten vorzuenthalten. Da kann es schon mal passieren, dass Geralt ein paar Wachen zu einem Drink einlädt, um dadurch eine Konfrontation zu verhindern. Im gleichen Atemzug schießt er dadurch aber eine gesamte Questreihe in den Wind, die durch die brutale Vorgehensweise ausgelöst worden wäre. Geralts Entscheidungen beeinflussen, neben den direkten Folgen bzw. Spätfolgen, mitunter auch das Ende seines Abenteuers. Es ist unmöglich, in einem Spieldurchlauf alles zu sehen, was es zu sehen gibt. Dadurch erhöht sich der Wiederspielwert enorm.

Kein Leerlauf für den Hexer

Sind alle Neben- und Hexeraufträge erledigt, bleibt trotzdem genügend zu tun. In beinahe jedem Dorf findet Geralt Anschlagbretter, von denen er, nebst Hexeraufträgen und Nebenquests, Information zu interessanten Orten in der Gegend sammeln kann. Diese Orte werden dann als Fragezeichen auf Geralts Karte dargestellt – wovon es einfach unzählig viele gibt. Hinter den Fragezeichen verbergen sich vier verschiedene Arten von Aufgaben. Die erste Art sind Schätze, die mal von Gegnern bewacht sind, mal durch Geralts Hexersicht aufgespürt werden müssen. Diese spezielle Sicht lässt alle benutzbaren Objekte gelb aufleuchten - aufgabenrelevante Objekte werden rot angezeigt. Die zweite Art von Aufgaben ist das Zerstören von Monsternestern. Die wollen meist erst von ihren Besitzern gesäubert und anschließend mit einer der Bomben des Hexers zerstört werden. Variante drei sind die Orte der Macht. Das sind Schreine, an denen Geralt die Intensität seiner Zeichen für ein paar Minuten erhöhen kann und außerdem einen Fähigkeitspunkt bekommt. Die vierte und letzte Variante sind Befreiungsmissionen, bei denen der Hexer ein kleines Gebiet von Monstern befreit, sodass er an dieser Stelle anschließend wieder siedelnde Bürger findet, bei denen er zukünftig Waren erwerben kann.
Aber lohnt sich das abklappern dieser Fragezeichen? Sagen wir mal so: Allein das Vermöbeln der Schatzwächter macht ungeheuren Spaß, zumal nahe beieinander liegende Schätze nicht bedeuten, dass die Gegner dieselbe Stärke haben. Es kann durchaus passieren, dass der Hexer ein paar Level acht Banditen um ihr Leben und ihren Schatz erleichtert und 100 Meter weiter auf einen weiteren Schatz stößt, der von einem Level 23 Wasserweib bewacht wird. Dann stellt sich dieser kleine aber feine Wunsch ein, noch einmal zurück zu kommen, wenn man stark genug ist. Neben dem Erfolgsgefühl ist auch die Beute nicht zu verachten. Oft findet der Hexer Verbesserungen für seine Tränke und Ausrüstung sowie neue Rezepte und Ausrüstungsgegenstände, die seine Werte erhöhen. Sollte der Lohn für die Mühen doch mal nur Krempel sein, kann Geralt diesen immer noch verkaufen oder ihn in seine Einzelteile zerlegen, aber dazu später mehr.

Wer nicht wagt, der nicht Gwint (Ja liebe GS-Redakteure, das Wortspiel ist mir auch ohne euren Artikel eingefallen)

Sollte der Hexer auch hier nicht die Erfüllung finden, kann er auch einer der vielen Nebentätigkeiten nachgehen, die ihm die Spielwelt bietet. In Velen, Novigrad und auf Skellige gibt es Turniere der verschiedensten Art. Geralt darf sich z.B. im Faustkampf versuchen und neben dem Preisgeld auch verschiedene Titel gewinnen (die aber keinen Nutzen haben).
Zu brutal? Kein Problem! Wer lieber gemütlich durch die Gegend reiten möchte, der kann auch an einem der zahlreichen Pferderennen teilnehmen und seinem getreuen Gaul Plötze die Sporen in die Flanken drücken. Und ja, gemütlich ist das richtige Wort, denn das Reiten macht durchaus Spaß, ist aber wenig anspruchsvoll, da sich die Kontrahenten (auch auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad) stets unserem Tempo anpassen. Lassen wir unser Pferd in Galopp verfallen, tun es die Gegner ebenso, verfallen wir in den Trab, tun unsere Gegner es uns gleich. Es ist also nie wirklich schwer, ein Rennen für sich zu entscheiden.
Wem Pferde schon immer zu launisch waren, der kann sich auch am Kartentisch vergnügen. Das Kartenspiel Gwint entfaltet schon nach der ersten Partie einen enormen Suchtfaktor. Wer wissen möchte, wie dieses Spiel funktioniert, der liest sich bitte die Beschreibung auf GS.de durch. Aber so viel sei verraten: Ja! Ich will sie alle haben. Denn neben etwas Gold erhält Geralt für jeden neuen besiegten Gegner eine Karte. Einige Karten kann der Hexer auch bei Händlern kaufen oder durch Quests bekommen. Kleiner persönlicher Tipp: Wenn ihr im Verlauf der Geschichte vor die Wahl gestellt werdet, euch zwischen Gold und drei Gwintkarten zu entscheiden, dann nehmt die Karten. Diese erweitern nicht nur eure Sammlung, sondern verstärken eure Decks auch ungemein. Wem das alles immer noch zu langweilig ist, kann auch das nächste Bordell für ein kleines Stelldichein aufsuchen.
All diese Nebentätigkeiten bringen unheimlich viel Spaß und bieten eine spaßige Abwechslung vom stressigen Hexeralltag.

Spiel mit Charakter? Ja, aber nur wenig Charakterentwicklung

Ihr seht, in The Witcher 3 gibt es massig zu tun, zu viel möchte man fast meinen, denn hier liegt auch die größte Schwäche des Spiels. Nicht nur den Redakteuren der GS sondern auch mir ist aufgefallen, dass man durch das Erledigen der Nebenaufgaben oft über dem empfohlenen Level für die nächste Hauptquest liegt. Jetzt könnte man denken – gut, dann lasse ich die Nebenaufgaben erstmal weg, aber genau das fiel mir persönlich - und wird auch euch - sehr schwer fallen. Denn diese Nebenaufgaben erzählen, wie schon erwähnt, mitunter so fantastische Geschichten, dass man förmlich gezwungen ist, sie zu verfolgen. Durch diese Verfahrensweise war ich in meinem persönlichen Abenteuer aber bereits Level 24, obwohl mir für die nächste Hauptquest nur Level 16 empfohlen wurde. Abhilfe können hier aber zwei einfache Möglichkeiten schaffen, die das Spiel bietet. Zum einen kann man den Schwierigkeitsgrad auch während des laufenden Spiels anpassen. Wer direkt auf der letzten Stufe „Todesmarsch“ einsteigt, steigt relativ gesehen nicht langsamer auf. Man muss aber auch noch bei Gegner aufpassen, die weit unter dem Level des Hexers sind. Wobei sich auch hier schnell eine gewisse Routine einstellt. Zum anderen wäre da noch Variante zwei, die wesentlich besser ist. Für The Witcher 3 gibt es bereits mehrere Mods im Angebot. Mit der Mod „Slower Leveling“ verringern sich die erhaltenen Erfahrungspunkte. Aber an dieser Stelle Zitat GS: „Unter Umständen zerstört dieser Eingriff den Spielstand, also Vorsicht.“
Wenn ihr also damit fertig seid, jeden Winkel der Welt zu erkunden, alle Schätze gefunden, jedes Monster getötet, alle Rennen gewonnen, jeden Gegner verprügelt, alle Karten gewonnen und jede Hure beglückt habt, dann gibt es in der Welt von The Witcher 3 nicht mehr viel zu tun. Halt! Eine kleine Sache bliebe da doch noch. Nämlich die eigentliche Hauptgeschichte, die man vor lauter Nebenaufgaben schon mal aus den Augen verlieren kann.

Grafik und Technik

Apropos Augen. Trotz Downgrade von The Witcher 3 und allen damit zusammenhängenden Debatten - das Spiel sieht immer noch hervorragend aus. Selten sieht man in einem Spiel so schöne Lichtstimmungseffekte. Selten freut man sich so sehr, wenn dunkle Wolken am Horizont einen aufziehenden Sturm ankündigen. Und selten reitet man in einem Spiel einfach mal so in Richtung untergehender Sonne und genießt das Panorama. Letzteres ist besonders wegen der hervorragenden Weitsicht immer wieder fantastisch. Es ist einfach ein tolles Gefühl auf einem Berg zu stehen und in Ferne zu blicken. Gepaart mit dem Wissen, dass man alles was man sieht auch erreichen kann, schafft The Witcher 3 ein unglaubliches Freiheitsgefühl.

Da kann man auch die paar technischen Fehler verzeihen. Ja, die angeprangerten „Pop-Ins“ gibt es und sie sind auch auf den höchsten Einstellungen zu sehen. Aber von nicht konsequent darauf achtenden Spielern, sollten sie beinahe unbemerkt bleiben. Wenn es denn doch mal auffällt, sorgt es auch oft für Erheiterung. Betritt Geralt eine Taverne und sieht einen schwebenden Humpen, der passende Halter aber erst Augenblicke später erscheint, dann zählt das eher in die Kategorie „Lustiges aus The Witcher“. Da stört noch mehr der übertriebene Wind. Das bei klarem Sonnenschein die Bäume um beinahe 45° gebogen werden, wirkt ein wenig befremdlich. Zumal Geralts Haare durch die steife Brise unangetastet bleiben.

Bugs? Ja, vereinzelt. Hier mal ein falsch platziertes Objekt, dort mal eine Plötze, die kopfüber im Boden versinkt und trotzdem brav weiterreitet. Ab und zu oder sagen wir besser sehr selten, weigern sich auch einzelne NPCs mit uns zu sprechen. Ein Schmied in Velen wollte erst mit mir sprechen, nachdem ich meditierte.

Sowohl für die technischen Fehler als auch für die Bugs – oder sollte man vielleicht besser kleinen Patzer sagen – gilt: Für ein so gewaltiges Spiel ist das völlig normal, und in Anbetracht der schieren Größe und Dichte der Spielwelt auch zu verzeihen.

Mit Tastatur geht´s auch ganz gut…

Kommen wir zur Bedienung. Die ist für meine Begriffe sehr gut gelungen. Auch für Neueinsteiger sollte das Spiel schnell zu lernen sein. Zwischen Gamepad und Maus/Tastatur können wir bequem während des Spiels wechseln. Die Steuerung mit dem Gamepad geht in Kämpfen tatsächlich noch einen Tacken schneller und präziser von der Hand, ich persönlich bin aber mit Maus und Tastatur sehr gut zurechtgekommen. Besonders in den Menüs geht es damit schneller.

Hexer als Handwerker?

Zum Thema Menüs: Davon bietet The Witcher 3 einige. Die beiden Wichtigsten dürften, neben dem Inventar, der Weltkarte und dem Questlog, wohl das Crafting- bzw. Charaktermenü sein. In Letzteres brauchen wir in der Regel, nur aus zwei Gründen zu schauen. Um Fähigkeitspunkte zu verteilen und Mutagene einzusetzen. Fähigkeitspunkte erhält der Hexer für jeden Stufenaufstieg und an den bereits genannten Orten der Macht. Die kann er in ein neues Talent aus den Obergruppen Kampf, Zeichen, Alchemie und Allgemein verteilen. In vielen Dingen gehe ich ja mit den GS-Redakteuren konform. An dieser Stelle aber nur bedingt. Tatsächlich lassen sich durch die Talente meist nur mickrige Prozentwerte steigern. Das hat aber, in Bezug auf den Schwierigkeitsgrad des Spiels, auch seine Vorteile. Wären die Prozentwerte höher, würde der ohnehin schon geringe Schwierigkeitsgrad noch weiter sinken. Unterm Strich bleibt natürlich stehen, dass das Charaktersystem sehr dürftig ist und dass man sich über einen Levelaufstieg mehr freut, weil man vielleicht neue Gegenstände nutzen kann. Zitat GS: „Nützliche Sache, aber dennoch dünn, da haben wir schon facettenreichere Charaktersysteme gesehen.“ Stimmt, aber wir haben auch schon weit schlechtere Systeme gesehen. Zurück zum Wesentlichen. Für welches Talent sich Geralt entscheiden darf hängt nicht nur von seinem Level und den zuvor gelernten Talenten ab, sondern auch von der Anzahl der freien Slots. Talente müssen nämlich erst einem von zwölf Slots zugewiesen werden. Letztere sind auch nicht von Anfang an verfügbar, sondern müssen durch Levelaufstiege freigespielt werden. Wild herum verteilen macht also wenig Sinn. Zusätzlich zu diesen zwölf Slots stehen vier weitere für Mutagene bereit. Die sammeln wir von besiegten Monstern und können dadurch einige Standardwerte verbessern. Mehrere Mutagene können auch zu einem neuen, besseren Mutagen verarbeitet werden. Und wo könne das besser geschehen als im Craftingmenü. Hier erstellt der Hexer nicht nur die verbesserten Mutagene sondern auch Tränke, Öle und Bomben. Die dafür nötigen Zutaten sammelt er in der Spielwelt von erledigten Gegnern oder kauft sie bei Händlern. Durch die Tränke steigert sich z.B. Geralts Regeneration, maximale Traglast oder er kann in dunklen Höhlen besser sehen. Aber Vorsicht! Jeder Trank vergiftet den Hexer auch ein Stück weit. Überschreitet dieser Wert eine bestimmte Grenze, verliert Geralt konstant Lebenspunkte. Tränke und Öle müssen übrigens nur einmalig hergestellt werden. Solange wir Alkohol in unserem Inventar haben (von dem man mehr als genügend findet) füllen sich die Tränke bei jeder Meditation selbstständig auf. Die erwähnten Öle kann der Hexer auf seine Waffen auftragen und richtet so gegen bestimmte Monstertypen oder humanoide Gegner mehr Schaden an.
Zu guter Letzt die Bomben. Die braucht Geralt in erster Linie für die bereits erwähnten Monsternester. Im Kampf waren sie für mich persönlich nur selten von Nutzen. Schade eigentlich, denn die Anzahl an Variationen ist durchaus hoch. Aber vielleicht liegt das nur an meiner Spielweise und Ihr findet mehr Verwendung dafür.

Auch Rüstungen, Waffen und Munition können hergestellt werden, vorausgesetzt wir haben das passende Rezept gefunden. Das Material hierfür kann entweder gesammelt oder gekauft werden…oder man nutzt die „Zerlegen“ Option. Die Einzigen, die Waffen und Rüstungen herstellen können, sind, wer hätte es geahnt, Waffen- und Rüstungsschmiede. Bei diesen Gesellen kann Geralt gefundene Ausrüstung auch in ihre Bestandteile zerlegen lassen und dadurch die nötigen Materialien bekommen. Aus denen können die Handwerker dann neue Gegenstände für den Hexer schmieden. Das motiviert durchaus, besonders wenn wir Rezepte für Rüstungen und Waffen finden, die 20 Stufen über unserer liegen.

Fazit

In The Witcher 3: The Wild Hunt habe auch ich inzwischen mehr als 100 Stunden verbracht. Was kann ich also abschließend über dieses Spiel sagen?
Dass es eine großartige Spielwelt hat, die so dicht und glaubwürdig wie in kaum anderen Spielen wirkt? Ja, sicher.
Dass die Charaktere die uns geboten werden nachvollziehbar und tiefgründig sind? Auch dazu, ja.
Dass so manche Geschichte, egal ob große Hauptstory oder kleine Nebenquest, dauerhaft im Gedächtnis bleiben wird? Wieder, ja.
Ich könnte noch seitenweise mit all den positiven Aspekten des Spiels füllen. Aber lieber schließe ich an dieser Stelle mit einem Appell an jeden Spieler, der auch nur ansatzweise etwas für Rollenspiele übrig hat und ach…auch an jeden anderen: Spielt The Witcher 3 und macht Eure eigenen Erfahrungen mit diesem Spiel. Erkundet auch Ihr die Straßen von Novigrad, die Wälder und Sümpfe von Velen und die Inseln von Skellige.
Aber was am wichtigsten ist: Erlebt auch Ihr sie, all die wunderbaren großen und kleinen Geschichten, die The Witcher 3 uns zu erzählen hat. Selten werdet Ihr am Ende eines Spiels so froh darüber sein, dass Ihr es gespielt habt.

 


Wertung
Pro und Kontra
  • gewaltige und offene Spielwelt
  • Charaktere mit Tiefgang
  • gut erzählte Hauptgeschichte
  • fesselnde Nebengeschichten
  • dichte Spielwelt
  • intensives Spielerlebnis
  • mehr als 100 Stunden Spielzeit
  • angenehm taktisches Kampfsystem
  • schwache Charaterentwicklung
  • gelegentliche Bugs
  • unsauberes Balancing

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



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