Eine Rundereise für passionierte Antikmetzger

Mythologie, Philosophie, Demokratie - griechische Sagen und Regierungsformen, die noch Jahrtausende überdauert haben und unsere moderne Welt so...

von TheVG am: 10.07.2013

Mythologie, Philosophie, Demokratie - griechische Sagen und Regierungsformen, die noch Jahrtausende überdauert haben und unsere moderne Welt so maßgeblich beeinflussen. Man könnte diese "Softskills" auch uns Deutschen oder dem hohen Norden zuschreiben, dennoch bleibt Griechenland in seinem geschichtlichen und sagenumwobenen Kleid eine immer noch faszinierende Komponente, abseits von Orks und Trollen und stereotypen Rassenbildern. Wenn der Olymp, die Titanen und Halbgötter ins Gespräch kommen, offenbart sich eine ganz eigene Welt, die an Faszination rein gar nichts verloren hat und immer noch Stoff für interessante Szenarien bietet. Genau hier kommt "Titan Quest" auf den Plan. Hier werden die Figuren der griechischen Mythologie geradezu zelebriert (oder hier halbiert), aber inwiefern dürfte denn Iron Lore´s Hack&Slay-Abenteuer in diese Kerbe schlagen? Werfen wir doch einfach einen Blick zurück auf ein Action-RPG ganz in Diablo-Manier.

Grunzende Pferdefüßer

Wahnsinn herrscht im europäischen Südosten, und unser unbescholtener Held schien wohl die schlechteste Wahl zur Rettung zu sein, wenn Sartyre, Medusen oder Spinnen einfach mal so durchdrehen. Nichts genaues weiß man nicht, und so bleibt uns als Spieler nichts anderes übrig, als sich bewaffnet ins Getümmel zu stürzen. Nun schnetzeln wir uns ganz klassisch in Hack&Slay-Manier durch Unmengen von Gegnern, ähnlich wie zu Diablo-Zeiten und voll von Edelmetall.


Ja, der Jäger-und-Sammler-Trieb kitzelt wieder hervorragend Motivation aus uns heraus, und so traut man sich oft und gerne wieder an das Spielprinzip heran. Da schlitzt, haut und zaubert sich der Spieler in linearer Weise von A nach B, treibt seine Kampfstatistiken nach oben und sammelt, bis der Arzt kommt. Im Grunde ist ein Action-RPG auch nicht mehr, aber ich gehe gleich noch auf die Details ein.
Die Story ist leider, wie im Genre üblich, schwach. Die titelgebenden Riesen sind hier schlicht der Buhmann, und die Konsequenzen sind jederzeit sichtbar und spannungslos erzählt worden. Da gilt es, die NPCs anzusprechen, sich ein bisschen schwülstiges Gelaber anzuhören und die Quests zu aktualisieren. Das ganz Griechenland in Angst erstarrt und den Reisenden um Hilfe bittet, spottet bald jeder Beschreibung. Mehr ist es auch nicht, also lässt man sich dies über sich ergehen und freut sich lieber auf pure Action.

Hat Avatar nur geklaut?

Und die findet sich auf ganzer Linie von Startpunkt A bis Zielpunkt B. Schnörkellose Klickorgien durch tausende von Gegnern, die auch terrain- oder gar ...äh ... "story"-bezogen wechseln. Da findet man im gelb-orangenen Gras die Sartyre in allen Formen und Farben, Spinnen in allen Formen und Farben, Skelette mit Rüstung oder nicht. Lustigerweise haben mich die so genannten Mäganen frappierend an das Volk der Na´vi aus "Avatar" erinnert. Die sind genauso flink, sehen ähnlich blau aus und sind auch in ihrem Verhalten ähnlich gestrickt (auch wenn das in diesem Spiel nicht viel heißen soll). Die sind alle natürlich nur die Fraktion des Kanonenfutters, die heftigen Zwischen- und Bossgegner gibt es natürlich auch in regelmäßigen Abständen. In "Titan Quest" sind diese sogar etwas zahlreicher als in anderen genregleichen Konkurrenten, da findet man in jedem zweiten Dungeon eine extrastarke Version bekannter Gegnertypen, die auch etwas Taktik abverlangen.


Leider ist das programmiertechnisch nicht ganz gelungen, weil man gerade bei den großen Brocken auf kleine Unzulänglichkeiten zurückgreifen kann, um ohne Mühe weiterzukommen. So kann man die Bosse gerne mal von ihrem Areal weglocken, bis sie eine unsichtbare Grenze erreicht haben - was heißt, dass sie einfach wieder zurücklaufen. So kann man sich locker hinter diese Grenze stellen und sie seelenruhig von der Ferne auf´s Korn nehmen. Da hätte etwa vielleicht ein magischer Begrenzungszaun mehr geholfen, aber selbst in abgeschlossenen Räumen kann dieses Manko beobachtet werden (siehe Telkin-Boss in Griechenland). Das ist schade, weil es an der Atmosphäre kratzt.

eBay lässt grüßen

Wäre ich in diesem Szenario Powerseller, würde ich selbst die Axt auspacken und mich ins Getümmel stürzen. Denn was "Titan Quest" da an Belohnungen abwirft, ist schier unglaublich und gleich nochmal so viel wie allein an Gegnermassen zu besiegen sind. Die Unmengen an Waffen, Schilden, Rüstungen und sonstigen Gegenstände werden von den Gegnern abgelegt oder sind in Kisten zu finden, und die wecken den Sammlertrieb wie kein zweites Action-RPG. Die Items sind sehr nachvollziehbar gestaffelt. Neben Standardkram gibt es die gelb betitelten als kraftvolle Teile, die grün unterlegten sind besondere, und die blauen gelten i.d.R. als Teil eines machtvollen Sets. Wer die nicht braucht, teleportiert sich eben zu einem nahegelegenen Händler und verkauft sie einfach und kann natürlich bei denen selbst noch nach Besonderem stöbern.


Das ist noch nicht das Gelbe vom Ei, denn neben Essenzen und Relikten kann man sich gar noch Formeln (später Artefakte) zulegen, die uns einen ordentlichen Schub an Sonderfertigkeiten mitgeben. Überhaupt macht das ständige Vergleichen der Fertigkeiten einen Heidenspaß. Jedes Item hat so seine kleinen Mitgifts, die jeder Spieler für sich bewerten kann und eventuell ausrüsten will. Ob extra Blitz- oder Feuerschaden, Energie- oder Gesundheitsregeneration oder Fertigkeitsschübe - man wird hier teilweise planlos ins Straucheln kommen können, also sollte man schon ein wenig bescheid wissen, was einem mehr liegt - lieber die Geschicklichkeit für durchschlagskräftige Bögen erhöhen oder doch die Stärke, weil ein Schwert mit seinen Kampfwerten lockt?


Die Essenzen und Relikte möchte ich hier nochmal gesondert erwähnen, weil sie dem Sammeltrieb noch eins (ja, richtig, noch eins) draufgeben. Essenzen sind erst vollständig, wenn man drei gleiche gesammelt hat, Relikte brauchen dergleichen fünf. Die kann man behalten und für die Formeln aufheben oder einfach in Standardwaffen und -rüstungen sockeln, damit lassen sich ebenfalls spürbare Vorteile einbauen. Das Höchste der Gefühle sind schließlich die Formeln, die entweder durch eben diese Relikte, Essenzen unter Zugabe von Schriftrollen (kaufbar) ein mächtiges Artefakt ergeben, und selbst die Artefakte lassen sich nochmals durch Formeln zu einem noch mächtigeren Artefakt zusammenbasteln... ja, ist ja gut, ich hör ja schon auf.


Talentfrei war gestern

Wie es sich für ein RPG gehört, darf man sich bei Stufenaufstieg wieder mit Fertigkeiten- und Talentpunkten aufmöbeln. Dazu darf unser Held Stärke, Intelligenz und Geschicklichkeit erhöhen oder sich in zwei Meisterschaften ausbilden lassen. Hier verteilt man also wieder entsprechende Punkte, wobei erstere für die Nutzung von Inventar wichtig sind und zweites uns im Talentbaum verbessern. So lassen sich nützliche Helferlein herauf beschwören, erhöhen unsere passiven Werte kurzzeitig oder nutzen die Kräfte für einen mächtigen Angriff. Hier ist sinnloses Verteilen auch nicht von Vorteil, weil man zur Freischaltung etwa auch erstmal die Talentpunktzahl erreichen muss. Es sollte also wohl gewählt werden, wie und wozu wir das ganze Zeug brauchen, und es ist auch für jeden etwas dabei - nein, kein Zielfernrohr.

Sand im Getriebe

Irgendwann schien Iron Lore genug von Griechenland gehabt zu haben, denn wird man auf seinem Weg weiter nach Ägypten und das tropische Babylon geschickt. Dort offenbart sich dann ein Designmanko, denn schnell stellt sich das Gegnerrecycling heraus, mit dem der Entwickler versuchte, Abwechslung in die Sache zu bringen. Leider kennt man dann die Hälfte der Gegnertypen schon aus dem ersten Akt, und die paar Typischkeiten wie Skorpione oder Dünenmarodeure sind letztlich auch keine Hingucker mehr, auch wenn es die in Form von Ameisenlöwen oder Schattenkriegern gibt. Hier stottert der Motor dann doch ein wenig, und die Routine sowie der immer noch vorhandene Sammeltrieb sind so ziemlich die einzigen Motivationen, um sich bei Laune zu halten - davon mal abgesehen, dass man eigentlich keine Lust mehr verspüren dürfte, sich etwa die ständigen Wiederholungen in den Questtexten oder späteren spärlichen Ergänzungen im Gegner-Portfolio anzutun. Da reißen auch keine Level 30-Dragoner mehr viel raus, im Gegenteil: Die sind einfach nur schwierig zu bekämpfen und gerne mal Grund für so manchen Frustmoment. Zum Glück bleibt dann ein Grabstein zurück, der uns einen kleinen Teil verlorener Erfahrung zurückgibt.

Schluss mit Lustig

Keine Frage: "Titan Quest" ist ein Spiel für Geduldige. Anfangs macht die Schnetzelei ja noch sehr viel Spaß und offenbart immer wieder neue Gegner, ist der taktische Anspruch jedoch nur marginal unterschiedlich. In der Regel kann man sich regelrecht in die Meute bewegen und klicken, bis auch der letzte Feind umfällt, zu mehr ist man mit der Spielmechanik auch kaum fähig. Einzig das Flüchten macht hier Sinn, wenn ein Bossgegner doch zu sehr den Gesundheitsbalken beeinträchtigt. Hierbei ist das Balancing jedoch recht gut durchdacht worden, weil man ganze zwei Szenarien lang (Griechenland und Ägypten) ohne größere Probleme durchkommt. Einzig in Babylon wird es haarig. Da wird dann wieder das Klischee des tödlichen Dschungels ausgepackt, und da sind selbst kleine Spinnengruppen ordentliche Giftspritzen und saugen einem das Rot aus der Anzeigenleiste. Leider beschlich mich so der Eindruck, als ob man dort den Schwierigkeitsgrad künstlich in die Höhe geschraubt hatte, denn wenn Skelette mit Goldüberzug gleich 15 Levels stärker sind, dann bleibt da ein bitterer Nachgeschmack zurück.


Rein atmosphärisch ist das Spiel auch kein Beispiel für intensive Spielerlebnisse. Ist ja schön, dass jede Sehenswürdigkeit wie die Akropolis, der Tempel von Hatschepsut oder die Chinesische Mauer zu bestaunen sind, aber da fühle ich mich genauso teilnahmslos wie auf einer vierwöchigen Rundreise durch die mediterranen Points of Interest. Dabei macht "Titan Quest" grafisch ordentlich was her. Egal ob durch hohes Weidegras stapfend, Wüstendörfer durchquerend oder das Dickischt der tropischen Wälder - die Detailverliebtheit wirkt an jeder Stelle realistisch, schön und strotzt vor Bewegung. Ja, auch die Physik macht hier Spaß, wenn sich Bäume im Wind wiegen und Gegner an unseren Schlägen durch die Luft schleudern. Kleiner Tipp: Versucht mal, hochgelevelt durch die Anfangsregionen zu laufen und kämpft mit Gegnern, der Effekt hat mich jedenfalls zum Grinsen gebracht. Letztlich mögen noch die knalligen Effekte herausstechen, die sehr vielseitig eingesetzt wurden.


Hochwertig, aber abwechslungsarm, kommt der Sound daher. Die vielen Musikstücke lassen sich nicht sehr unterscheiden, auch wenn man hier die Gegenden versucht hat akustisch einzufangen. Die seichten Tracks dienen nur der Untermalung, außerdem erinnerten mich die dynamisch veränderten Einsätze beim Kampf zu sehr an jeder zweiten Hollywood-Streifen. Man gab sich auch sehr viel Mühe bei der Kulissengestaltung, doch hat man spätestens in der Spielmitte alles gehört und hört im Grunde nur noch weg. Das ist aber eher dem Genre geschuldet, und wer erwartet nach 50 Spielstunden noch ein komplett verändertes Set?

Fazit

Action-RPG: das heißt Kämpfen, Zaubern, Sammeln, Handeln und Erstellen. "Titan Quest" macht da weiter, wo "Diablo" aufhörte und verdreifacht einfach mal den Sammeltrieb. Hier liegen eindeutig die Stärken des Spiels, wobei die Szenarien sich schnell ablutschen und die Gegnertypen bald keinen mehr vom Hocker reißen. Wer also Mythologiefan ist und Griechenland in einer tiefsinnigeren Pracht erleben will, sollte sich lieber "Kampf der Titanen" (den alten, bitte) anschauen oder eben in die Bibliothek gehen.


Wertung
Pro und Kontra
  • Stimmungsvolle, detaillierte und effektvolle Grafik
  • Passende Soundkulisse
  • Balancing größtenteils gelungen
  • Gutes Fertigkeiten- und Talentsystem
  • Viele Gegnertypen, die auch szenarienexklusiv gewählt wurden
  • Unmengen an Items
  • Szenarien gut eingefangen
  • Unbedeutende Musik
  • Babylon zieht mächtig am Schwierigkeitsgrad an
  • KI kaum vorhanden
  • Sehr dünne Story
  • Gegnertypen wiederholen sich oder wurden nur leicht verändert

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



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