Gefängnisausbruch leicht gemacht

Anfang des Jahres kam es endlich raus. Das lang erwartete Adventure des Hamburger Entwicklerstudios Daedalic, rund um den Ausbruchsversuch von Joe, der auf...

von Geron1985 am: 18.05.2014

Anfang des Jahres kam es endlich raus. Das lang erwartete Adventure des Hamburger Entwicklerstudios Daedalic, rund um den Ausbruchsversuch von Joe, der auf Alcatraz, jener berühmten Gefängnisinsel inmitten der Bucht von San Francisco einsitzt.

Ein frisches und spannendes Szenario, welches ein grandioses Spielerlebnis garantiert? Warum das nicht ganz geklappt hat, versuche ich in diesem kleinen Test zu erläutern.

 

Rätsel

Besonders gespannt war ich auf das Rätseldesign von »1954: Alcatraz«, da es mit seinen beiden Hauptfiguren Joe und Christine, die miteinander über eine große Entfernung hinweg interagieren müssen, eine tolle Dynamik und kniffeliges 'Um-die-Ecke-Denken' versprach. Ähnlich wie im großen Lucas Arts Klassiker »Day of the Tentacle«. Leider ist genau davon kaum etwas zu spüren. Die einzigen Momente, in denen unsere beiden Protagonisten miteinander interagieren, sind die, in denen Christine einen Prediger besticht, der bestimmte Gegenstände zu Joe nach Alcatraz bringt und umgekehrt ihr ein paar Infos von Joe aus dem Gefängnis bringt.

Auch sonst sind die Rätsel auf einem sehr niedrigen Niveau, und anders als etwa im brillianten »Memoria« tragen sie nichts zur Handlung bei, sondern dienen bloß dazu, die Zeit zwischen den Storyschnipseln zu füllen. Der Plot hält an, wir lösen ein paar Rätsel, der Plot geht wieder weiter, hält wieder an und wir lösen die nächsten paar Rätsel. Dieses Schema zieht sich durch das gesamte Spiel und ist meiner Meinung nach für ein modernes Point&Click-Adventure einfach nicht mehr zeitgemäß.

5/10

 

Story

Es hätte so schön werden können. Ein spannendes, unverbrauchtes Szenario, das eine tolle Geschichte fast schon von selber schreibt. Leider hat Irresponsible Games auch hier sehr viel Potenzial verschenkt. Die Charaktere bleiben vollkommen oberflächlich und blass, was irgendwie im krassen Gegensatz zur unkonventionellen und kreativen Beatnik-Kultur steht, in die uns das Spiel hineinversetzt. Einzig Christine weckt so etwas wie Sympathie beim Spieler.

Der Plot plätschert dann so vor sich hin, ohne, dass es irgendwelche Highlights beinhalten würde. Zwar möchte man schon gerne wissen, wie die Geschichte um Joe und Christine nun ausgeht, aber gute Unterhaltung sieht anders aus.

Immerhin kann die Geschichte den Zeitgeist der USA in den 50er Jahren sehr gut einfangen. Der Jazz erfreut sich immer größerer Beliebtheit, gibt den Menschen Hoffnung in einer Welt, die nach dem Krieg im Zwiespalt lebt und mit Ungerechtigkeit, Rassismus und Intoleranz zu kämpfen hat. Von Anfang bis Ende wird die Handlung von diesen Themen untermalt; dezent im Hintergrund, aber doch allgegenwärtig und spürbar. Wenn Christine z.B. das Ziel von Intoleranz und Rassismus wird, weil sie einen Afroamerikaner geheiratet hat, und im nächsten Augenblick selber einen Pfarrer erpresst, indem sie ihm damit droht auszuplaudern, dass er ein homosexuelles Paar verheiratet hat, was ihn seine Stelle kosten kann, ist der Zwiespalt dieser Epoche zum greifen nahe.

7/10

 

Atmosphäre

Auch atmosphärisch hatte »1954: Alcatraz« dank seines Beatnik-Settings unglaubliches Potenzial. Wie oben bereits beschrieben, konnte die Handlung den Zeitgeist dieser Epoche auch sehr gut einfangen. Leider zerstören zu viele Störfaktoren die Atmosphäre jedoch recht schnell. Die 2D-Hintergründe, die von Publisher Daedalic beigesteuert wurden, sehen noch sehr stimmig aus und sind überwiegend von hoher Qualität, auch wenn sie nicht an das Niveau von Deadalics Eigenentwicklungen heranreichen können. Die 3D-Objekte wollen sich aber so gar nicht in die schönen Hintergründe einfügen. Ebenso wenig die Charaktermodelle, die so detailarm sind, dass sie auch vor 10 Jahren niemandem ein anerkennendes Nicken abgerungen hätten. Auch die Animationen sind durchweg schwach.

Positiv trägt nur der tolle und stimmige Soundtrack zur Atmosphäre bei. Die Jazz-Musik, die uns durch das Spiel begleitet, lässt uns wenigstens ein bisschen in die ansonsten fade Spielwelt eintauchen.

6/10

 

Balance

Der Schwierigkeitsgrad von »1954: Alcatraz« ist recht niedrig angesetzt und bleibt dies auch bis zum Ende. Eine wirkliche Steigerung ist nicht zu erkennen, ein Abfall aber auch nicht. Somit wird man also keine nennenswerten Schwankungen im Schwierigkeitsgrad feststellen. Für Genreneulinge ist dies sicher gut, erfahrenere Spieler sind allerdings unterfordert.

7/10

 

Umfang

Die Spielzeit ist erneut ein großer Kritikpunkt, denn mit etwa sechs Stunden für Adventure-Veteranen verkommt der Gefängnisausbruch zum Sonntagsspaziergang. Genre-Neulinge werden sicher länger brauchen, mehr als acht oder vielleicht neun Stunden sollten aber auch die nicht benötigen, um eines der beiden Enden zu sehen zu bekommen.

Dafür kommt »1954: Alcatraz« - wie man es von Daedalic gewohnt ist – in einer schicken Verpackung mit Klappcover und einer Bonus-CD, auf der der gelungene Soundtrack zu finden ist, inklusive Poster und gedrucktem Handbuch (in der heutigen Zeit leider nicht mehr selbstverständlich).

7/10

 

Fazit:

32/50 -> 64%     


Wertung
Pro und Kontra
  • - frisches Beatnik-Setting
  • - toller Jazz-Soundtrack
  • - alternative Enden
  • - schwaches Rätseldesign
  • - Potenzial der Geschichte nicht ausgenutzt
  • - unstimmige Grafik
  • - blasse Charaktere

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

zu leicht

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



Kommentare(4)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.