(Noch) Keine Lobeshymne wert

Anthem, was einstmals als Projekt Dylan bekannt war, sollte Biowares Magnum Opus werden. Eine Antwort auf Destiny von Bungie. Man errinert sich, auch...

von Jcfr am: 28.02.2019

Eine Welt der Fragen mit wenig Antworten:

Anthem spielt in einer Sci-Fi-Welt, die durch gigantische Apparaturen einer uralten, verschwundenen Zivilisation geprägt ist. Gelegentlich geraten diese "Gestalter-Relikte", die sich einer ominösen Kraft - der "Hymne" - bedienen, außer Kontrolle.  Diese Einzudämmen ist dann Aufgabe der "Freelancer" - Männer und Frauen, die scheinbar die Pläne für Tony Starks Ironman-Anzug gefunden haben.

Die Story von Anthem beginnt mit solch einem Ereignis, bei dem der Kataklysmus "Herz des Zorns" eingedämmt werden soll - erfolglos. 2 Jahre danach verfolgen wir in der Hauptstory, wie das Dominion und deren Anführer, der Monitor, anstreben über das "Herz des Zorns" die "Hymne" zu unterwerfen. Es entsteht ein Wettlauf zum Kern des Kataklysmus.

Was auf dem Papier nach einem anständigen Ansatz klingt, leidet in der Umsetzung allerdings unter einigen Problemen. Das Größte: die Story packt einfach nicht. Ereignisse reihen sich aneinander, ohne wirklich dramaturgisch aufeinander aufzubauen. Das Spiel tut zwar so, als würden die eigenen Taten das Umfeld beeinflussen, doch nichts hat gefühlt oder sichtlich große Auswirkungen. Man lernt nichts über den Hauptbösewicht oder dessen Fraktion - wodurch beides uninteressant und austauschbar bleibt. Überhaupt bleiben viele Charaktere im Verlauf der Handlung blass oder spielen schlichtweg keine Rolle. Man hat das Gefühl, im ersten Akt einer viel größeren Geschichte zu stecken... nur das dieser Akt dadurch endlos überdehnt wird. 

Hinzu kommt, dass Bioware verpasst dem Spieler Welt wirklich näherzubringen oder zu erklären. Wie heißt die Welt? Wie kommen die Menschen dorthin? Wer sind die Urgoth? Warum wurde die Menschheit von ihnen versklavt? Was sind Krypter, Arkanisten, die Hymne? Zwar werden einige dieser Fragen am Rande in Codex-Einträgen erklärt, doch bei weitem nicht alle und nicht ausführlich.

Um ehrlich zu sein, hab ich mich an Mass Effect Andromeda zurückerinnert gefühlt. Sprich: Das Setup  ist in Ordnung, doch viel zu wenig wird draus gemacht und so hinterlässt die Geschichte einen bestenfalls schalen Geschmack.

Spaß im Anzug:

Nach Ende der Tutorial-Mission kann man sich für Geschlecht und Gesicht seines Alter-Egos entscheiden (warum auch immer - viel Einfluss hat es nicht). Viel wichtiger aber: Die, mit Levelfortschritt, freischaltbaren Javelin-Robo-Anzüge. Derer gibt es vier: Ranger, Storm, Interceptor und Colossus.  Im Prinzip: Allround-Waldläufer, Elementar-Kombo-Magier, DD-Ninja-Rouge und heavy-tanky-Krieger (Fantasy-Sprech). 

Jeder der Vier hat seine Stärken, Schwächen und Eigenheiten. Im Wesentlichen verfügt jeder über 2 slots für ausrüstbare offensive-skills, einen für Support-Skill, 8 für passive Skills und zwei Slots für Waffen. Der ultimative-skille ist für jeden Javelin-Typ fest definiert. Zwischen den Einsätzen kann man den Javelin jederzeit wechseln (sofern  mehrere ferigschaltet sind) und individuell angepassen - auch was das Äußere betrifft, doch dazu später mehr. Wie bei Destiny gilt aber auch hier: Ausrüstung mit höherem Level  = besser. 

Hat man sich seinen Javelin ausgesucht kann man sich nun entscheiden, Aufträge für eine von drei Fraktionen zu erledigen, im freien Spiel die offene  Map erkunden und Events farmen für Ausrüstung oder gemeinsam Festungen(im Prinzip MMO-Dungeons) angehen. Die Javelins können mit nahtlosem Übergang am Boden, in der Luft und unterwasser navigieren. Fliegen oder schweben sie jedoch zu lange, überhitzen sie und sind vorübergehend an das Erdreich gebunden. Dieser fließende Übergang macht einen nicht unerheblichen Teil des Reizes und der Faszination des Spiels aus. Es fühlt sich wirklich gut an und ist leicht zu bedienen (zumal die Flugsteuerung seit der Demo auf Maus angepasst wurde). Auch die Kämpfe gehen flott von der Hand und sind angenehm dynamisch und actionreich. Ich muss zugeben, was Gameplay angeht, kann Bioware sich durchaus mit Bungies Destiny messen... zumal sich die Verbindungsstabilität seit der Demo gebessert hat.  Das Problem, dass gerade im freien Spiels Mobs recht unerwartet und plötzlich spawnen ist jedoch geblieben. So kann es immer wieder mal passieren, dass man in einem Weltevent landet, die Gegner aber erst 2-3 Sekunden später aufploppen und man plötzlich mitten im Kreuzfeuer steht. Auch versucht die KI eher mit Masse zu punkten, als durch Cleverness... und Bosse sind meist einfach nur Bullet-Sponges (vor allem Titane). Für das Erledigen von Aufträgen von Fraktionen steigt man nach und nach bei denen im Rang auf, wodurch bessere Pläne zur Ausrüstungsherstelltung freigeschaltet werden.

Alles in allem macht Anthem Spaß, doch gerade im Endgame fehlt der Content. Nur 3 Festungen und bei den Aufträgen werden im Grunde nur mehrere Events aneinandergereiht. Dadurch fehlt es auf lange Sicht an Abwechslung. Gerade hier muss Bioware schleunigst nachbessern! Zumal das Abschließen von Missionen oder Festungen auf höheren Schwierigkeitsgraden derzeit noch keinerlei  zusätzliche Belohnung anbietet und Bosse lediglich noch größere Bullet-Sponges werden als ohnehin schon.

SHOW ME THE MONEY:

F*cking Microtransaction (Seufz!). Ja, gut, man wusste im Voraus, das diese vorhanden sein würden (Immmerhin ist EA der Publisher). Zunächst: Ja, man kann sich die Objekte im Laden auch mit Spielwährung erkaufen, ohne zum Echtgeld zu greifen. Wucher bleiben die Preise so oder so.

Ein Vergleich: Während der Demo kosteten Kostüm-Teile der Javelins 900 Münzen pro Sück (Arme, Beine, Torso). Dieselben Designs kosten in der Fertigversion allerdings 14000 pro Stück... und man bgeinnt i SPiel mit 40000 Münzen. Nach nicht ganz einer Woche des Spielens hab ich ca 120.000 (ohne bisher was davon ausgegeben zu haben für cosmetics). Ein komplettes Set aus dem Shop kostet um die 61000 Münzen... und die Angebote werden ungefähr alle 2 Tage ausgetauscht.

Ich weiß nciht, ob ich EA dafür loben soll, von Lootboxen abgesehen zu haben und lediglich cosmetics zu verkaufen oder ihnen für ihre Preispolitik den Vogel zeigen soll? Zufreiden mit dem Zustand bin ich jedoch nicht.

Der Kammerjäger bei der Arbeit

Sagen wir wie's ist: Bugfrei ist anthem noch lange nicht. Dafür bieten sich noch zu viele Baustellen. Zwar lief es die meiste Zeit flüssig bei knapp 60 Frames, hin und wieder hatte ich jedoch Lags und die Ladezeiten sind immer noch nervig (nicht Pathfinder-Kingmaker-Level von nervig, aber dicht dahinter).

Hin und wieder hatte ich zudem crahs und Freezes zu verzeichnen, sowie einen Sound-Bug, der das Spiel auf Stumm schaltete und sich nur durch Verlassen und Neustart des Programms beheben ließ. Dazu kommt das erwähnte Enemy-Popin und noch eine Sache, die ich erwähnen möchte: ein Problem mit dem Matchmaking. So kommt es immer wieder vor, dass man einer offenen Gruppe zugeteilt wird, die mit einer Mission halb fertig sind (und das nicht nur im Endgame, sonern auch während der Story-Nebenmissionen in der Kampagne). Das allein wäre nicht schlimm, würde es nicht meist nach folgendem Schema verlaufen: Starte Misiion - Ladebildschirm - Beigetreten - der Rest der Gruppe ist bereits meilen voraus... und sofern man es nicht schafft die Distanz in 20Sek. aufzuholen (was eher unwahrscheinlich ist) heißt es erneut Ladebildschirm. Das ist SO unnötig, könnte mich das Spiel nicht gleich in der Nähe der Gruppe spawnen? So wird man für nachträglichen Beitritt doppelt bestraft.

Alles in allem könnte Anthem noch einen ganzen Tick runder laufen. (Da always-online-Titel aber meistens zu Beginn derlei Probleme haben, werde ich diesbezüglich in meiner Wertung Nachsichtig sein)

Fazit:

Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr kommt mir Anthem wie ein Destiny Reloaded oder The Division vor. Eine Welt, über die man mehr erfahren will als man im Endeffekt serviert bekommt, eine Story die epischer erscheinen will als sie eigentlich ist, einen lahmen, uninteressanten Bösewicht, einen Echtgeldshop... und jede Menge Lootgrind. Nun zumindest letzter Punkt ist etwas sanfter gehalten als in Destiny - so bin ich nicht auf wöchentliche Herausforderungen und PVP angewiesen, um an stetig bessere Ausrüstung zu kommen... und das Matchmaking für alle Aktivitäten erspart mühsame Gruppensuche. 

Es ist definitiv nicht der Titel, den ich von Bioware gewollt hätte... und auch kein Magnum Opus. Doch es ist eine solide Basis, die, wenn sie konstant ausgebaut wird, durchaus Potential zu einer 80er-Wertung hätte.

 

 

 


Wertung
Pro und Kontra
  • offene Welt
  • dynamische, schnelle Kämpfe
  • freie Mobilität zu Land, Waser und in der Luft
  • Matchmaking für alle Aktivitäten
  • Lahme Story
  • Bugs
  • Cosmetic-Preise
  • Ladezeiten

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



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