Rätselhaftes Inselparadies

In The Witness wird man als Spieler auf eine geheimnisvolle Insel voller Rätsel geschickt, die es zu ergründen gilt. Im Voraus ist festzustellen,...

von m-town123 am: 31.01.2017

In "The Witness" wird man als Spieler auf eine geheimnisvolle Insel voller Rätsel geschickt, die es zu ergründen gilt.
Im Voraus ist festzustellen, dass "The Witness" kein Spiel für jedermann ist. Das Spiel fällt in die Kategorie Puzzle-Spiele und ist in erster Linie an Rätselfans und Spieler mit Faibel für ruhigere Spiele gerichtet. Wer kurzweilige Action sucht, ist hier grundsätzlich an der falschen Adresse und sollte von "The Witness" die Finger lassen. 

SPIELPRINZIP/GAMEPLAY:

Gleich zu Beginn des Spiels wird man mit der einzigen Spielmechanik konfrontiert: der Schalttafel. Auf dieser muss man von einem Startpunkt ausgehend durch ein Gitterfeld hindurch den richtigen Weg zum Endpunkt finden. Das Bewegungs-Gameplay beschränkt sich auf Laufen (mit Sprintfunktion) und Umsehen in der Ego-Perspektive. Wer wie ich anfangs die Hüpffunktion sucht, wird feststellen, dass es keine gibt. Die Sichtempfindlichkeit ist für manche Spieler wohl etwas niedrig, leider fehlt eine Option, diese nach individueller Vorliebe einzustellen.

Fangen die ersten Rätsel noch sehr seicht an, zieht das Spiel schon früh im Spiel den Schwierigkeitsgrad an. Dies liegt daran, dass der Endpunkt natürlich nicht einfach irgendwie erreicht werden soll, sondern in einer bestimmten Art und Weise und nach bestimmten Regeln, die durch Symbole auf der Schalttafel vorgegeben werden. Die Bedeutung der Symbole bzw. die verschiedenen Tafelmechaniken werden vom Spiel nicht direkt erklärt. Ohne zu viel zu verraten: man erlernt die unterschiedlichen Mechaniken interaktiv, ganz ohne Erklärungstext. Dies macht die Lösungsfindung zwar von Beginn an anspruchsvoll, stellt jedoch eine sehr innovative und kreative Herangehensweise dar, dem Spieler das Gameplay zu vermitteln. Diese Art der Rätsellösung macht sehr viel Laune, ist sehr motivierend und meiner Meinung nach die größte Stärke des Spiels. Die Rätsel überzeugen im Gesamtpaket, indem sie dem Spieler immer wieder neue Elemente vor die Füße werfen und dadurch immer wieder Aha-Momente beim Spieler erzwingen.

Die Spielwelt ist in mehrere Bereiche unterteilt. Jeder Bereich ist im Schwerpunkt einer bestimmten Rätselmechanik und einer bestimmten Umgebungsthematik gewidmet. Zwischen den Bereichen kann man sich in der Open-World frei bewegen. Kommt man in einem Bereich nicht weiter, kann man es in einem anderen Bereich versuchen. Bei der Lösung der Schalttafeln werden die neuen Mechaniken auch mit Mechaniken aus anderen Bereichen kombiniert. Dieser Umstand führt zu einem kleinen Kritikpunkt hinsichtlich der Struktur der Spielwelt: Sollte man die Open-World der Reihe nach erkunden, stößt man an einigen Stellen nahe des Startpunkts schon auf Mechaniken, die teilweise erst am anderen Ende der Insel "erklärt" werden. Dies fördert zwar den Erkundungsdrang, kann aber insbesondere dann zu Frustmomenten führen, wenn man zu Beginn des Spiels noch nicht weiß, dass diese Mechanik noch an anderer Stelle erklärt wird und man das Rätsel trotzdem unbedingt lösen will. Ein kleiner Hinweis in der Spielwelt hätte diesbezüglich nicht geschadet.

Der Umstand, dass die Schalttafel die einzige spielerische Aufgabe ist, kann deshalb kein Kritikpunkt sein, da die Tafelrätsel durch die verschiedenen Mechaniken stets frisch sind und insbesondere durch den variierenden Einbezug der Umgebung immer wieder für Abwechslung sorgen. Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel ist allgemein hoch, es gibt keine Hilfefunktion. Das Glücksgefühl, wenn man eine harte Nuss geknackt hat, ist deshalb aber umso größer. Nur an einzelnen Stellen wären aufgrund kleiner Ungenauigkeiten auch andere Lösungswege denkbar, sodass nach dem trial & error-Prinzip vorgegangen werden muss.

TECHNIK:

Technisch gibt es bei "The Witness" eigentlich nichts auszusetzen. Positiv hervorzuheben ist die grandiose Optik im Comicart-Design, die dazu einlädt, den Blick schweifen zu lassen. Sehr eindrucksvoll sind die Farben, die den Spieler an der ein oder anderen Stelle umhauen.

Die Steuerung ist im Großen und Ganzen präzise, nur selten zeichnet man auf den Tafeln eine Linie, die so nicht gewollt war.

ATMOSPHÄRE/STORY:

Die Atmosphäre auf der Insel passt insgesamt sehr gut zu den Rätselaufgaben. Die Spielwelt ist stimmig und abwechslungsreich gestaltet und man wird regelrecht in die Welt hineingesogen. In jeder Ecke erkennt man die Liebe zum Detail und die Zeit und Mühe, die die Entwickler in die Spielwelt gesteckt haben. Verstärkt wird die Atmosphäre durch authentische Umgebungs- und Bewegungsgeräusche, eine musikalische Untermalung fehlt. Letzteres kann man als bewusste Entscheidung der Entwickler ansehen, da die Musik nicht von den optischen Eindrücken und den Gedanken des Spielers über die Welt ablenken soll. Dies geht gerade in den ersten Spielstunden gut auf, in denen man die Spielwelt zum ersten mal erkundet, jedoch verliert die Spielwelt gegen Ende hin auch wegen ihrer überschaubaren Größe leider etwas an ihrer Faszination, sodass eine leichte musikalische Begleitung insgesamt zu begrüßen gewesen wäre.

Ein festes Storygerüst gibt es in "The Witness" nicht. Es gibt keine Zwischensequenzen oder Ereignisse. Man stößt in der Welt lediglich auf zahlreiche ungewöhnliche Gegebenheiten und findet kleine Audiogeräte, die philosophische Zitate abspielen. Man stellt sich die Fragen: Wer bin ich? Was mache ich hier? Warum mache ich das? Letztlich erscheint die Insel in ihrer Gesamtheit als großes Geheimnis. Diese mysteriöse Situation erzeugt zwar Spannung, diese fällt aber ziemlich schnell wieder ab, denn klare Antworten erhält man nicht, die Bedeutung der einzelnen Elemente bleibt der Interpretation des Spielers vorbehalten. Während man anfangs noch über Bedeutung und Zusammenhänge nachsinnt, erscheint die Welt mit zunehmender Spieldauer nur noch als nette, aber leere Kulisse und man steckt seine Kraft und Anstrengung lieber in die Lösung der Rätsel, statt in die Interpretation der Spielwelt. Das ist schade und hier wurde Potential verschenkt. In dieser Hinsicht hat Genrekollege "The Talos Principle" aus meiner Sicht eine überzeugendere Hintergrundstory und philosophische Komponente geboten. Eine greifbare Geschichte hätte "The Witness" abgerundet, so besteht der Spielantrieb nur aus den Rätseln selbst.

UMFANG UND PREIS:

Die zahlreichen Rätsel zusammen mit dem hohen Anspruch münden in einer großzügigen Spielzeit von rund 80 Stunden. Zwar fehlt es an Wiederspielwert, jedoch sehe ich dies nicht als Kritikpunkt an, da dies mehr oder weniger auf das Puzzle-Genre zurückzuführen ist. Aufgrund der langen Spielzeit lässt sich über den recht hohen Normalpreis von 36,99 € hinwegsehen. Insgesamt kann man also von einem angemessenen Preis-/Leistungsverhältnis sprechen.

FAZIT:

Zusammenfassend ist "The Witness" ein sehr gelungenes Puzzle-Spiel, das mit innovativen und motivierenden Rätseln, einer optisch herausragenden Spielwelt mit eindrucksvoller Farbenpracht, einem besonderen Art-Design und einer geheimnisvollen Atmosphäre punkten kann. Größter Schwachpunkt ist die im Grunde fehlende Story, daneben zeigen sich kleine Schwächen im Spielablauf sowie in der fehlenden musikalischen Unterzeichnung.

Wer Rätselspiele mag, kann bei "The Witness" bedenkenlos zugreifen. Geschichtenfans sollten sich den Kauf überlegen, aber bedenken, dass jeder Nichtkäufer eine ganz besondere Spielerfahrung eines cleveren und wunderschönen Spiels verpasst.


Wertung
Pro und Kontra
  • + innovatives und motivierendes Rätseldesign
  • + clevere und anspruchsvolle Puzzles
  • + frei erkundbare Spielwelt
  • + geheimnisvolle Atmosphäre
  • + fantastische Optik im Comicstil mit eindrucksvoller Farbenpracht
  • + angemessenes Preis-/Leistungsverhältnis
  • - fehlende Storymotivation
  • - keine musikalische Untermalung
  • - mögliche Frustmomente aufgrund Spielwelt-Struktur
  • - ganz vereinzelt trial & error

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(1)
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