Tomb Raider Underworld - nichts Halbes und nichts Ganzes

Ich als überzeugter Fan der alten Tomb Raider Teile wollte Crystal Dynamics nach dem eher enttäuschenden Legend noch eine Chance geben und habe mir Underworld...

von Sanctus am: 31.12.2008

Ich als überzeugter Fan der alten Tomb Raider Teile wollte Crystal Dynamics nach dem eher enttäuschenden Legend noch eine Chance geben und habe mir Underworld besorgt. Hat es sich gelohnt? Jein, würde ich sagen.

Der gute alte Hype

Hach ja, was wurde bei Underworld doch im Vorfeld wieder für ein Hype gemacht. Neu und aufregend sollte alles sein, weniger linear, Eric Lindstrom konnte sich vor Begeisterung kaum zurückhalten und erzählte jedem der es hören wollte, wie 'epic' das Ganze doch sei. Dass dabei längst bekannte Features aus den alten Spielen teilweise als neu und als tolle Idee von Crystal Dynamics verkauft wurden, konnte ich schonmal nur zähneknirschend ertragen. Aber immerhin stimmten mich Trailer und Screenshots schonmal eher positiv, alles schien düsterer zu sein als im quietschvergnügten Vorgänger Legend, auch machte mich die Rückkehr einer alten Erzfeindin Laras neugierig. Ich besorgte mir das Spiel also, startete es und...

Der Anfang

...wurde von einer Explosion empfangen. Das Spiel startet ziemlich abrupt mit einer Rückblende, die erstmal Spannung schaffen und nebenbei als Tutorial dienen soll. Nun hielt sich meine Spannung in Grenzen, denn dass Laras Haus gesprengt wird, war ja im Vorfeld schon bekannt. Nun gut, ich hüpfte durch brennende Trümmerhaufen, schob eine Kiste durch die Gegend, ließ mich von ein paar Kanten fallen und die Rückblende endete so abrupt wie sie angefangen hatte. Ich halte sie nach wie vor für ziemlich überflüssig und künstlich auf Dramatik getrimmt, aber für andere wars ja vielleicht wirklich ganz interessant... wer weiß.
Also weiter im Text. Wir landen im schönen Mittelmeer, wo es erst einmal ganz nach unten geht. Dabei zickt die Kamera schonmal ein bisschen rum, fährt nämlich immer wieder nach oben, was aber nur der Anfang eines ständigen nervigen Nachjustierens durch das ganze Spiel hindurch werden sollte. Unten angekommen, sahs schonmal ganz stimmungsvoll aus. Ein paar Haie hier, Korallen da, schnell ein paar Räder eingesammelt und woanders angebracht. Ein Rätsel gelöst, das so einfach ist, dass ich mich fast schon weigere, es als solches zu bezeichnen, und weiter durch ziemlich viele dunkle, enge Gänge (die Kamera zickt rum!) Etwas später der erste Schreckmoment, begleitet von dramatischer Musik- nicht schlecht. Leider sollte es für mich im ganzen Spiel der einzige bleiben.

Der Kraken oder

Der Kraken. Ja. Wie bezeichnete Game One ihn doch so schön? 'Gehypte PR-Scheiße.' Wie treffend, denn nichts anderes ist er: Das Viech ist zahm wie ein Kuscheltier. Okay, hin und wieder wirft es mal lahm einen Tentakel nach uns, der einen aber praktisch nur bei einer arg verzögerten Reaktion erwischt. Schnell an ein paar Hebeln gezogen und die Stachelplatte fällt ihm auf den Kopf, das wars auch schon.
Einige Minuten später findet man sich auf einem riesigen Schiff wieder, das man erstmal von 0815-Söldnern befreit. Schließlich trifft man zum ersten Mal die 2 Hauptfeinde des Spiels, und hier wird schon klar, wie vermurkst die ganze Story des Spiels ist. Warum ist Lara nicht im geringsten überrascht, die totgeglaubte Natla nach einigen Jahren wiederzusehen? Was hat Natla jetzt plötzlich mit Laras Vater zu tun? Und was macht Amanda da? Warum arbeiten sie zusammen, und was wollen sie mit Thors Handschuh? Und so geht es das ganze Spiel hindurch, die Story ist total lächerlich zusammengebastelt, unlogisch, und viele Fragen bleiben offen. Wer immer fleißig in Laras Tagebuch liest, der erhält zwar ein paar zusätzliche Erklärungen, die aber weniger alte Fragen beantworten als vielmehr neue aufwerfen. Wer die Vorgänger Legend und Anniversary nicht gespielt hat, bekommt wohl noch größere Probleme, das alles zu verstehen. Es gibt zwar ein Video, dass wohl im Schnelldurchlauf alle vergangenen Geschehnisse erklären soll, das besteht allerdings nur aus wirr aneinander geklatschten Ausschnitten von Cutscenes und erklärt überhaupt nichts.

Die Level

Nachdem wir erfolgreich vom Schiff entkommen sind, geht es auch schon nach Thailand. Dies war einer der drei Level, in denen ich wenigstens manchmal ein Tomb-Raider-feeling hatte (die anderen sind Mexiko und Jan Mayen). Tatsächlich gibt es hier ein paar herausragende Stellen, die durchaus an die Klasse der alten Teile anknüpfen können. Die Atmosphäre ist meistens stimmig, das Leveldesign durchdacht, es gibt liebevolle Details und gute Rätsel. Leider nerven Laras ständige Selbstgespräche, die aber immerhin besser als das ständige Funkgelaber aus Legend sind. Außerdem hat man es mit den Heerscharen von Spinnen, die als Gegner auftauchen, wohl etwas zu gut gemeint, denn die tauchen ständig auf, und dann immer mindestens zu siebt.
Ich werde jetzt nicht zu jedem Level etwas schreiben. Allgemein kann man sagen, dass Atmosphäre und Detailreichtum zwar durchweg besser sind als in Legend. Leider gibt es aber auch eintönige Levelabschnitte, vor allem im letzten Level Helheim, der für mich sehr enttäuschend war; dieser besteht aus den ewig gleichen grau-weiß-blauen Texturen sowie massig Yetis und untoten Wikingern (oder so), die zwar ganz nett sind, auf die Dauer aber nerven. Des weiteren fällt unangenehm auf, dass es keine wirklichen Endgegner gibt. Der 'Endkampf' gegen eine Maschine ist zwar sehr originell, aber irgendwie als Finale nicht wirklich befriedigend. Auch der Level in der Gruft unter Laras Haus klingt erstmal gut, krankt dann aber an langweiligem Design und Unspektakularität (uff). Ein Lückenfüller, wie er im Buche steht.

Das Motorrad, Moves und Charaktere

Das Motorrad kommt zwar nur in 2 Leveln vor, hat mir den Spaß an diesen aber teilweise versaut. Es ist dermaßen schwer zu steuern und ähnlich empfindlich wie der Mako in Mass Effect. Wem das nichts sagt: Es hüpft schwer kontrollierbar durch die Gegend und fährt ständig gegen Wände. Leider wird man in Mexiko und Jan Mayen, was ansonsten zum größten Teil grandiose Level sind, auf weiten Strecken dazu gezwungen, es zu benutzen. Schade.
Des weiteren will ich nochmal etwas zum Bewegungsreichtum unserer Heldin sagen, dass ja noch einmal aufgestockt wurde. Dass die neuen Moves allesamt wie in Anniversary schon der Wandlauf dreist von Prince of Persia kopiert sind, ist ja erträglich. Allerdings wirkt zB der Wandsprung ziemlich deplatziert. Hallo, Lara Croft ist eine sportlich veranlagte Archäologin, kein Übermensch, der die Gesetze der Physik manipulieren kann.
Die verkorkste Story hatte ich ja schon erwähnt, jetzt muss ich nochmal zu den Charakteren kommen. Die haben im Vergleich zu Legend sogar noch ein bisschen an Glaubwürdigkeit verloren. Alle Charaktere, vor allem Lara, wirken extrem blass und frei von besonderen Eigenschaften. Sie haben wirre Pläne, die man beim besten Willen nicht nachvollziehen kann, oder reagieren idiotisch auf bestimmte Ereignisse. Daran muss nochmal kräftig gefeilt werden. Crystal Dynamics Version von Lara (jünger, Pferdeschwanz, veränderte Biografie...) gefällt mir ja sowieso nicht, aber das ist Geschmackssache. Dass die Charaktere in Underworld durchweg blass und uninteressant wirken, sollte aber jedem auffallen.

Quick-Time-Events und die Schatzsuche

Die Quick-time-Events kennt man ja schon aus Legend, nur dass in Underworld das angegebene-Tasten-drücken wegfällt und man stattdessen die Situation selbst lösen muss, ohne einen Tip zu erhalten. Die Anzahl im Spiel hält sich allerdings in Grenzen; wenn ich mich recht erinnere, kann man sie an einer, höchstens aber an 2 Händen abzählen. Ganz nett, ja, aber nichts besonderes. Kaum erwähnenswert.
Weit ärgerlicher ist da, dass man nach Vollendung des Spiels keinen einzelnen Level nochmal spielen kann. Das war eine der wenigen Neuerungen in Legend, die wirklich nützlich waren. Stattdessen kann man jetzt die 'Schatzsuche' wählen, die allerdings nur dazu dient, die Schätze und Reliquien einzusammeln, die man im ersten Durchlauf vergessen hat. Leider ist sie total öde und nur etwas für Hardcore-Spieler, da es weder Gegner, noch Zwischensequenzen, noch Musik dabei gibt- eine abgespeckte Version des Spiels also. Das ist wirklich ärgerlich. Auch halten sich die Extras, die man für braves Schatzsuchen erhält, in Grenzen- ein einziges neues Kostüm ist drin, das wie ein langweiliger weißer Abklatsch des Wetsuits wirkt. Storyboards und Concept Arts sind immerhin ganz nett. Auf die Ungerechtigkeit der Exklusivinhalte für die XBOX360 will ich gar nicht erst zu sprechen kommen, daran wurde ja schon genug rumgenörgelt. Fakt ist nur, dass es mir Eidos und Crystal Dynamics nicht gerade sympathischer macht.

Fazit

Underworld macht einiges gut, aber vieles schlecht. Positive Punkte wären:

+ verbesserte Atmosphäre, meist gutes Leveldesign, Detailreichtum
+ relativ ansprechende Rätsel
+ insgesamt längere Level als im Vorgänger
+ insgesamt immerhin ein bisschen 'back to the roots'

Negativ dagegen fallen jedoch auf:

- teilweise öde, uninspirierte Level
- unglaubwürdige, schwer nachvollziehbare Story
- unterirdische Kameraführung
- blasse, uninteressante Charaktere
- schwierige Steuerung des Motorrads, das insgesamt deplatziert wirkt
- langweiliger und überflüssiger 'Schatzsuche'-Modus

Insgesamt würde ich Underworld als unausgegorenen Mix aus Legend und den klassischen Teilen der Serie bezeichnen, der vor allem an der schlechten Story sowie öden und sich wiederholenden Inhalten krankt.




Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: detailreich, stimmungsvoll
  • Sound: gute Geräusche, relativ gute Musik
  • Balance: verschiedene Schwierigkeitsgrade
  • Atmosphäre: zum größten Teil gut und stimmungsvoll
  • Bedienung: Funktioniert die meiste Zeit gut
  • Umfang: einige Level waren schön lang
  • Leveldesign: meistens gut und interessant
  • KI: nicht so wichtig, da es wenig Kämpfe gibt
  • Waffen & Extras: was man für die paar Kämpfe braucht ist dabei
  • Handlung: eigentlich nichts
  • Grafik: manchmal auch öde
  • Sound: die aber nichts besonderes ist und manchmal nervt
  • Balance: insgesamt etwas zu leicht
  • Atmosphäre: öfters aber auch nicht
  • Bedienung: schlechte Kameraführung, Steuerung im Kampf nervig
  • Umfang: eher kurz, wenig Extras, öde
  • Leveldesign: ..naja, manchmal auch nicht
  • KI: Durchschnitt, eher nicht berauschend
  • Waffen & Extras: uninspiriert im Vergleich zu frühen Teilen, zB TR4
  • Handlung: ziemlich schlecht, unglaubwürdig und kompliziert

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



Kommentare(5)
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