Totaler Krieg gleich totaler Spaß?

Ein weiterer Pfeilhagen prasselt auf die Verteidiger ein. Einer der Männer versucht die angespannte Stimmung aufzulockern: Ich mag Artillerie - aber nur...

von Tsabotavoc am: 02.10.2013

Ein weiterer Pfeilhagen prasselt auf die Verteidiger ein. Einer der Männer versucht die angespannte Stimmung aufzulockern: "Ich mag Artillerie - aber nur wenn sie in die andere Richtung zielt!"

"Halt den Mund und bleib unten du Vollidiot!", kriegt er als Antwort zu hören. Im selben Moment zerbirst die Stadtmauer unter dem Beschuss von schweren Belagerungsgeräten. Hunderte von germanischen Elitekriegern strömen durch die Bresche und über den Marktplatz. Töpfe gehen zu Bruch, Stände werden niedergerissen und die römischen Verteidiger gehen unter dem wuchtigen Angriff von Söldnerelefanten in die Knie.

Unsere karthagischen Verbündeten erledigen die letzten versprengten Widerstandsnester während unsere Adelskavallerie die Banner unseres Stamms vor dem Tempel hisst.

Rom ist bezwungen worden.

 

Weltgeschichte mal ganz anders

Rome 2 ist der neueste Teil der Total War Reihe und wenn man von Medieval mit allen Erweiterungen absieht ist hier die größte Karte die man je in einem Total War Teil erobern konnte.

Das Ziel von Total War ist es - wie gehabt - die Kampagnenkarte zu erobern. Dafür teilt sich das Spiel in zwei große Bereiche auf.

Der erste ist die Kampagnenkarte auf der wir Armeen und Agenten rundenbasierend bewegen. Armeen und Agenten können wir in Städten ausheben. Die Städte wiederum können durch erforschbare Gebäude immer weiter ausgebaut werden und scheinen dabei wirklich regelrecht mit der Landschaft zu verschmelzen.

Der Städtebau ist übrigens genau der Teil in dem man die - sehr schwache KI - einfach gegen die Wand drückt: Während es bei der KI regelmäßig zu Rebellionen kommt kann ein gewiefter Stadtplaner seine Provinzen gut im grünen Bereich halten.

Neben den üblichen Schiebern und Reglern für die Besteuerung einer Provinz stehen uns Tempel für die öffentliche Ordnung sowie Erlässe zur Verfügung sobald wir eine Provinz komplett erobert haben.

Hierdurch ist eine starke Besteuerung möglich und man drückt die KI einfach mit Elitearmeen gegen die Wand.

Armeen werden nun immer von Generälen angeführt, einzig die Garnison einer Stadt kämpft auch ohne Armee. Das ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits steht uns nur eine begrenzte Anzahl von Generälen zur Verfügung wodurch unser Hinterland oft kaum gesichert ist.

Andererseits sorgt das dafür das wir uns gut überlegen müssen wo wir Krieg führen und unserere Grenzen verstärken. Denn alles sichern können wir nie.

Das wirklich geniale an Total War ist wie immer das sich dabei höchst interessante Konstellationen ergeben können: Karthago kann Rom besiegen, die Gallier erobern gemeinsam mit den Seleukiden Brittanien und die Germanen starten eine Invasion in Ägypten.

Ansonsten "punktet" die Weltkarte vor allem durch Schrumpfung...

 

Neverwinter Nights trifft auf Always Summerdays

Wer sich noch an Shogun 2 erinnert mit den liebevoll verschneiten Berghängen und den im Frühjahr blühenden Kirschbäumen darf sich nun festhalten: Anscheinend kannte man in der Antike keine Jahreszeiten. Die Weltkarte sieht trotzdem mehr als nur hübsch aus aber es nimmt doch deutlich Flair. Weiters fällt dadurch eine taktische Komponente komplett weg: Im Winter erlitten feindliche Truppen Verschleiss weshalb man versuchte im Winter möglichst keinen Krieg zu führen.

Den Verschleiss hat man nun immer...

 

Einmal zum mitnehmen bitte!

Eine positive Änderung ist jedoch das vereinfachte Rekrutieren: Eine Armee kann nun nicht nur in Städten sondern überall in der Provinz neue Truppen ausheben. Das vereinfacht die Organisation doch erheblich. Zudem stehen Armeen nun mehrere verschiedene Stellungen zur Verfügung. In der Praxis benötigt man aber - zumindest gegen die KI - nur die normale Haltung und den Gewaltmarsch. Plünderung und Stellung befestigen ist kaum von Nöten und mehr Spielerei denn tatsächlich nützlich.

 

An ihrer Stelle würde ich das alles ganz neu bauen

Die letzte wesentliche Änderung ist das bereits eingangs erwähnte Provinzensystem. Mehrere Städte sind nun zu einer Provinz zusammengefasst die gemeinsam verwaltet wird. Wer z.B in der Küstenstadt einer Provinz ein Sägewerk errichtet kann trotzdem in einer ganz anderen Region dieser Provinz Bogenschützen ausheben die durch das Sägewerk ermöglicht werden.

Wer einen Tempel des Jupiters in Rom baut profitiert in der ganzen Provinz von der erhöhten öffentlichen Ordnung. Ergänzt wird dies durch sogenannte Weltwunder die mehr oder weniger große Boni bieten. Daher ertappt man sich mehr als einmal das man versucht das Set zu komplettieren. Und auf die Art kämpft man sich nach und nach durch Europa.

 

Und von Mode haben die Römer auch keine Ahnung...

Mit diesen Worten streifte nicht nur Asterix und seine Kumpanen durch Rom: Auch der Spieler darf sich an den Auswirkungen der verschiedenen Kulturen und Sitten erfreuen.

Einerseits sorgen die verschiedenen Kulturen wie gehabt für Zwistigkeiten - andererseits schlagen sie sich auch im jeweiligen Baustil nieder! Die Karthager hatten einen anderen Baustil als die Germanen. Und die Seleukiden wiederum bevorzugen andere Optik als die Ägypter.

Da sich das auch in der Schlacht auswirkt hat man so wirklich das Gefühl nach und nach die ganze Welt zu bereisen.

 

Nein ich bin hier nicht der Chef aber ich kenn mich auch nicht aus

Die Menüführung und Steuerung der Total War Teile war schon immer eine Sache für sich. Diesmal aber haben sie den Vogel abgeschossen. Es ist eine Sache ob man versucht die Schönheit der Weltkarte nicht durch Popups zu ruinieren oder ob man den Spieler bewusst gängeln will.

Die Menüs sind mehrfach verschachtelt und auch wenn vieles recht schnell zugänglich ist so trifft das nicht auf alles zu.

So geht z.B der nachträgliche Stufenaufstieg eines Charakters mit nur wenigen Schritten:

1 Reiter für Armeen klicken

2 Die Armee oder den Charakter suchen der den Stufenaufstieg hatte. Dieser Charakter wird zwar markiert aber es gibt keine Sortierfunktion um sie hervorzuheben.

3 Die Armee anklicken. Das Symbol anklicken für den Charakter der den Stufenaufstieg hatte

4 Den Stufenaufstieg durchführen

Gegenüber Shogun 2 dauert das einfach doppelt so lang und das zieht sich durchs gesamte Spiel. Bis man sich in den Menüs wirklich durchblickt vergeht einige Zeit. Und das obwohl die Komplexität gegenüber Shogun 2 abgenommen hat.

Heute im Kino: Nichts

Erinnert ihr euch noch an die kleinen Videos in Medieval oder Shogun 2 die den Erfolg oder Misserfolg eurer Agenten dokumentierten? Sie sind ersatzlos dem Sparstift zum Opfer gefallen.

 

Wählen allein hilft doch nicht weiter!

Das Senatssystem aus Rome wurde komplett auf den Müll geworfen und durch ein Politiksystem ersetzt das die stärke der internen Fraktionen zueinander mehr oder weniger plastisch darstellt. Erschießt mich aber in über 60 Spielstunden ist mir nicht aufgefallen wie es sich nun wirklich auswirkt. Den von CA probagierten Bürgerkrieg weil meine Fraktion intern zu stark oder zu schwach ist habe ich nie erlebt.

Alles in allem läuft es darauf hinaus: Immer wieder werdet ihr mit Zufallsereignissen konfrontiert die euch haufenweise Geld kosten.

 

Säuglinge erklären den Krieg gegen Litauen!

Es hätte so gut sein können... Doch spätestens hier beginnt die KI ihre unheilvolle Wirkung zu zeigen. Die Diplomatie...

Fangen wir mal mit dem positiven an: Nichtangriffspakte und Handelsverträge werden nicht mehr so wie früher binnen einer Runde angeboten, gebrochen und dann wieder angeboten sondern sind nun doch oft etwas langlebigerer Natur.

Dafür ist das Verhalten der KI wann sie Verträge anbietet oder annimmt vollkommen unnachvollziehbar. Beispiel gefällig?

Ich bot den Ebdani einen Handelsvertrag an und legte sogar - nach und nach - 1700 Talente drauf. Keine Chance. Eine Runde später fragen mich die Ebdani um genau den selben Vertrag und fordern 200 Talente die ich durch Nachverhandeln in eine Forderung von 500 Talenten meinerseits umwandeln kann. Muss man nicht verstehen oder?

Oder noch besser: Man befreit eine Stadt irgendwo im Nirgendwo und gibt sie dem ursprünglichen Volk zurück. Dadurch wird die Stadt zum Klientelkönigtum und man hat sich das "Du-bist-im-Arsch"-Monster zum Essen eingeladen. Denn man darf Gift drauf nehmen das die binnen weniger Runden der halben Welt den Krieg erklärt haben. Man selber ist dann natürlich mitten drin statt nur dabei.

Daher beschränkt sich die Diplomatie - wenn man sich selber einen Gefallen tun will - auf Handel und Nichtangriffspakt. Schutzbündnisse und Co. die länger Bestand haben und tatsächlich nützlich sind gibt es. Ich hatte eine Runde mit den Sueben bei denen ich mit den Rätern eine Art Schutzwall gegen die Treverer und die Römer hatte. Solche Bündnisse sind aber leider aktuell noch viel zu selten.

 

Der Kampf - ein Krampf

Es ist soweit. Ich bin nicht mehr bereit dies ungestraft zu akzeptieren nur weil es ein Total War ist. Nach wie vor sträubt sich der Entwickler jegliche Bedienungsstandards bei Echtzeitstrategiespielen umzusetzen. Die Kamera ist so wie sie immer ist: Man gewöhnt sich dran. Aber sie ist halt ganz anders als man es aus Dutzenden anderen Spielen gewohnt ist.

Die Einheiten selbst müssen wie gewohnt einzeln den Angriffsbefehl erhalten da es sonst zu unentwirrbaren Bugklumpen kommt. Das ist auch nichts neues.

Und das man eine mehrfache Übermacht des Gegners mit Fernkampfeinheiten langsam niederschießt weil die eine Polonaise tanzen ist auch nichts ungewöhnliches.

Das ist einfach jammerschade denn noch nie sahen die Schlachtfelder so lebendig aus.

Das Gefühl wirklich Zeuge einer antiken Schlacht zu sein kommt gut rüber. Wenn Hopliten aufeinanderprallen, die Reiterei in eine Truppe von Bogenschützen brescht kommt Schlachtengefühl auf.

Wobei man fairerweise sagen muss das die Dynamik der Schlachten in Shogun 2 einen Tick besser war da hier. Eins der Probleme sind die Truppenmassen: In Rome 2 befehligt man deutlich mehr Soldaten als in Shogun 2. Andererseits wird man bei Massenarmeen das Gefühl nicht los das die Hälfte nur rumsteht.

Insgesamt gesehen hatte ich mit den Schlachten trotzdem sehr viel Spaß. Sie sind schick anzusehen, optisch äußerst abwechslungsreich und auf jeden Fall dynamisch.

Nur bei den Seeschlachten würde ich jedem raten diese auf Automatik zu führen. Denn die Steuerung der Flotten ist das absolute Chaos.

 

Krieg macht zwar Spaß aber hat eben doch nen faden Beigeschmack...


Was soll man sagen? Ich hatte mit dem Spiel viel Spaß. Zu sagen es wäre schlecht wäre gelogen. Es tut weh Total War zu spielen weil einen die KI jede Minute daran erinnert wie großartig das Spiel hätte werden können wenn man einmal ein paar Profis zur Rate ziehen würde.

CA versemmelt seit es die Total War Reihe gibt mit schöner Regelmäßigkeit die KI. Und je runder der Rest des Spiels wird desto mehr beisst man sich daran.

 


Wertung
Pro und Kontra
  • - Unglaublich viele verschiedene Einheiten und zig Fraktionen mit eigenen Gebäuden und Forschungen
  • - Riesige Weltkarte
  • - Geniales Schlachtenfeeling
  • - Nach wie vor komplex ohne zu kompliziert zu sein
  • - War von Tag 1 an absturzfrei
  • - Ausgeprägten Hang zur DLC-Politik
  • - Teils lächerliche Sprachausgabe (Hallo Igzorn!)
  • - Furchtbare KI
  • - Teils furchtbar verschachtelte Menüs

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(3)
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