Wie ein Geist...

Ein Schleichspiel mit guter Atmosphäre, weitläufigen Levels und anspruchsvollem Schwierigkeitsgrad gab es seit dem 3. Thief-Teil nur wenige....

von Weltensohn am: 10.02.2015

Ein Schleichspiel mit guter Atmosphäre, weitläufigen Levels und anspruchsvollem Schwierigkeitsgrad gab es seit dem 3. "Thief"-Teil nur wenige. "Dishonored" versucht nun - wenn auch mit der Möglichkeit des Vorgehens ala Rambo - in eine ähnliche Kerbe zu schlagen. Es besinnt sich auf die leider selten verwendete Steampunk-Atmosphäre und versucht, anhand einer Storyline die einzelnen Missionen zu rechtfertigen. Ob "Dishonored" dieses ambitionierte Ziel erreicht, verrät in Folge mein Test.

 

Story und Spielzeit

Der Spieler schlüpft in die Rolle von Corvo Attano, dem Leibwächter der Kaiserin. Als diese bei einem Attentat getötet und deren Tochter Emily entführt wird, sieht sich der Spieler in Not: Er wird des Mordes beschuldigt und im Gefängnis der fiktiven Stadt Dunwall eingebuchtet. Nach dieser ersten Cutscene wird der Gefängnisausbruch als Tutorialmöglichkeit genutzt. Danach muss man in 9 Missionen seine Unschuld beweisen und die Thronfolgerin Emily retten. Um nichts der - leider vorhersehbaren - Story zu spoilern, gehe ich daher direkt über zum nächsten Punkt.

 

Gameplay

Im Kern ist Dishonored ein klassisches Schleichspiel, auch wenn es einen Twist besitzt, zu dem ich später noch kommen werde. Das Ziel ist, möglichst ungesehen die jeweiligen Aufträge innerhalb der Levels zu erledigen. Von Diebstählen, über gezielten Attentaten bis hin zu dem Infiltrieren großer Gebäude ist alles vorhanden, die Levels sind weitläufig und laden zum Probieren verschiedenster Vorgehensweisen förmlich aus.

Wer will kann auch auf Wunsch wie Rambo durch die Levels ziehen, und eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Die Kills fühlen sich, dank der tollen, aber zum Teil äußerst brutalen Finisher zufriedenstellend an, für zartbeseitete Gemüter ist dies aber nichts. Allerdings sei an dieser Stelle festgehalten, dass ich das Spiel drei mal durchgespielt habe: einmal als "Geist", also komplett ungesehen, ohne auch nur einen einzigen Gegner zu berühren (außer, um ihn hinterrücks zu beklauen); dann als mordender, aber schleichender Räuber; und zu guter Letzt ohne Rücksicht auf Verluste. Am Zufriedenstellensten war eindeutig erstere Variante.

Der "geistreichen" (treibt High5 noch die schlechte-Witze-Steuer ein?) Variante kommt auch zu Gute, dass man selbst die Attentats-Missionen spielen kann, ohne einen einzigen Gegner zu eliminieren. Dies funktioniert dank einer sehr frühen Story-Mission.

Die Rolle des mordenden, aber unentdeckten Spielers gefiel mir ebenfalls sehr gut, vor allem das Versteckspiel, welches man mit den ausgenockten oder toten Körpern der NPCs spielen muss, damit niemand der noch lebenden NPCs Verdacht schöpft, ist spannend inszeniert. Leider fehlt hier aber etwas die Kreativität, es ist immer frei ersichtlich, wo Schatten und wo Licht ist, und somit auch, wo garantiert nichts entdeckt wird, da die KI, selbst wenn sie sich sehr nah davon aufhält, irgendwie nichts sieht (siehe auch: KI - Die Schattenseite).

Cool an der mordenden Rolle war, neben den bereits angesprochenen brutalen, aber befriedigenden Finishern auch, dass man immer missionsbezogene Tode hervorrufen kann. Um ein Beispiel zu nennen, ohne allzu grob zu spoilern: wer ein "heißer" Gentleman sein will, mag den Dampfbadbesuch. Dumm nur, wenn Corvo die Hand am Rad hat...

Was mir am "Rambo-Style" nicht gefällt, ist, dass sich im regulären Kampf das Trefferfeedback nicht kräftig genug anfühlt, vor allem auf den höheren Schwierigkeitsgraden hat man das Gefühl, keinerlei Schaden anzurichten. Auf der anderen Seite freut mich dies aber auch, da Dishonored als Schleichspiel konzipiert ist, und bei den Beschreibungen der Schwierigkeitsgrade expliziert darauf hingewiesen wird. So gehört sich das!

Die Steuerung selbst funktioniert gut und ist präzise, außerdem ist sie frei konfigurierbar.

 

Fertigkeiten

Nun aber zu dem erwähnten Twist: In Dishonored verfügt der Spielercharakter zusätzlich über Spezialfertigkeiten. Diese sind magischer Natur und werden durch Fähigkeitspunkte freigeschalten. Einige dieser Fähigkeiten sind mehr, andere weniger nützlich, so kann man beispielsweise die Zeit für einen kurzen Moment anhalten, für kurze Zeit einen Art Röntgen- bzw. Nachtsichtblick erhalten oder einen tödlichen Rattenschwarm heraufbeschwören. Eine weitere tolle Fähigkeit ist, dass man in die Rolle eines NPCs schlüpfen kann, mehr dazu nach diesem Absatz.

Besonders gut gelöst ist das Verbessern dieser Fertigkeiten: anstatt sie einfach nur stärker zu machen, kann man sie erweitern. Als Beispiel dafür nehme ich nun die bereits angesprochene Zeit-Anhalten Fertigkeit. Bei Freischalten dieser kann sich nur sehr langsam bewegen oder Aktionen ausführen, die Zeit läuft einfach für alle beteiligten um ein vielfaches langsamer ab. Am zweiten Level steht für andere die Zeit still, man selbst bewegt sich nach wie vor sehr langsam weiter. Am dritten Level aber zeigt die Fertigkeit ihr volles Potential: Nun kann man sich normal weiterbewegen, Multikills, Entkommen in letzter Sekunde und vieles mehr ist somit möglich.

Die gesamte Kreativität dahinter erkennt man erst, wenn man diese Fähigkeiten kombiniert: wenn man Beispielsweise die Zeit anhält, während zwei NPCs auf einen geschossen haben, sich danach schnell erst in den einen hineinversetzt und ihn in Schusslinie stellt, und danach das selbe mit dem zweiten NPC auch macht, kann man so beide sich gegenseitig ausschalten lassen, ohne dass sie je wissen werden, was passiert ist. Teuflisch genial!

Doch hier gibt es einen Wehrmutstropfen: die Fähigkeit "Blink", welche dazu dient, sich über eine gewisse Distanz innerhalb eines Augenblickes zu bewegen, ist viel zu stark. Da während dem Aktivieren der Fertigkeit in eine Zeitlupe geschalten wird, um besser Zielen zu können, wo man landet, kann man sich so schon leicht aus brenzligen Situationen helfen, da aber für die NPCs außerdem nicht nachvollziehbar ist, wohin man sich bewegt, ist diese Fähigkeit schlicht und ergreifend zu stark. Selbst am höchsten Schwierigkeitsgrad teleportiert man sich einfach vor den Augen der NPCs weg - und die problematische Lage ist gegessen. Schade.

 

Items

Für die Aufträge hat man ein kleines Waffenarsenal zur Verfügung, dass sich außerdem vor den Aufträgen mithilfe innerhalb der Aufträge gefundener Rohstoffe verbessern lässt. Man verfügt über eine leise Handarmbrust mit regulären, einschläfernden und explosiven Bolzen, über eine Pistole (diese ist dementsprechend für lauteres Vorgehen vorgesehen) und ein Kurzschwert, welches man auch als Dolch zum Ermorden von Wachen oder Passanten benutzen kann.

Außerdem hat man diverse Bomben (u.a. Rauchbombe und Splitterbombe) und anderen Spezialitems zu seiner Verfügung. Besonders cool ist, dass man beispielsweise Splitterbomben auf Ratten befestigen kann, und dann diese auf die Gegner loshetzen kann. Somit lenkt man keinerlei Aufmerksamkeit auf sich selbst, insofern man dabei versteckt war, sorgt für heillosen Aufruhr innerhalb der NPCs und somit auch für Ablenkung und schlussendlich auch noch für ein paar Gefahren weniger, da viele NPCs von einer Explosion getötet oder zumindest kurzzeitig außer Gefecht gesetzt werden.

Schlussendlich gibt es natürlich noch Tränke, sowohl zum Auffrischen der Lebenspunkte als auch der Arkankraft. Ganz klassisch eben.

Man kann mit dem DLC "The Voic Walker Arsenal" die Vorbesteller-Boni extra dazukaufen, dies ist allerdings weder nötig noch sein Geld wert.

 

KI - Die Schattenseite

Ansich ist die KI nicht schlecht. Mal abgesehen von leichten Aussetzern, wie beispielsweise dem oben erwähnten mit den Leichen, die im Dunklen, aber doch halbwegs frei ersichtlich herumliegen, fällt nichts gröberes auf.

Zwei Sachen nerven dann aber doch gewaltigst: man kann, wenn man sich hinter Vorsprüngen oder in der Nähe von Türen oder ähnlichem steht, aus der Deckung hervorschauen. Anhand der Animation nimmt man als Spieler an, dass man den ganzen Kopf und Teile des Oberkörpers aus der Deckung bewegt und somit frei ersichtlich sein müsste - doch niemand sieht einen. Selbst wenn der NPC direkt vor einem steht fällt ihm/ihr nichts auf.
Außerdem sieht die KI nicht durch Glas hindurch - nicht bei Fenster, sondern bei kleineren Objekten wie beispielsweise Vitrinen. Ärgerlich, ärgerlich.

 

Schwierigkeitsgrad und Spielzeit

Ich habe für das Hauptspiel im Rambo-Style (auf dem normalen Schwierigkeitsgrad, da es am höchsten nicht sinnvoll funktioniert) 13 Stunden gebraucht. Die anderen beiden Playthroughs waren auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad. Als mordender, aber versteckter Räuber habe ich hierfür 20 Stunden benötigt, als Geist waren es ganze 39 Stunden. Da die meisten Interessierten wohl hauptsächlich versteckt spielen werden, würde ich eine durchschnittliche Spielzeit von etwa 25 Stunden angeben.

Zur Schwierigkeit ist zu sagen, dass es, insofern man schleicht, nur am höchsten Schwierigkeitsgrad eine halbwegse Herausforderung darstellt.

 

DLC-Empfehlung: "The Knife of Dunwall" und "The Brigmore Witches"


In diesen beiden DLCs spielt man nicht mehr Corvo, sondern den Assassin Daud. Dieser hat eine zentrale Bedeutung im Hauptspiel und die meiner Meinung nach sowohl interessantere, als auch bessere Geschichte im DLC zu erzählen, die direkt an dem Hauptspiel anknüpft.

Ich habe beide DLCs zwei Mal durchgespielt. Einmal habe ich alle Nebenmissionen gemacht und auf Schwierigkeitsgrad "Sehr schwer" gespielt, das ist der höchste, der im Hauptspiel enthalten war. Schon auf diesem war vor allem "The Brigmore Witches" um einiges schwerer, was auch neuen Gegnern geschuldet ist. Allein die namensgebenden Hexen stellen aufgrund ihrer wirren Teleport-Fähigkeit eine Herausforderung dar.

Nach dem Durchspielen schaltet man einen neuen, noch höheren Schwierigkeitsgrad frei, und auf dem werden manche kleinen Kopfnüsse, die man auf "Sehr schwer" in ein oder maxmal zwei Minuten löst, plötzlich zu Aufgaben, an denen man richtig lange zu sitzen hat. Gegner entdecken einen extremst schnell, man teilt so gut wie keinen Schaden mehr aus und muss enorm viel von Gegnern einstecken.

Ich habe diesmal erneut versucht niemanden umzubringen und immer durch die Levels wie ein Geist zu schleichen, aber auf dem neuen höchsten Schwierigkeitsgrad musste ich ab und zu zur Rabiatlösung greifen. Was ich wahnsinnig toll fand ist, dass ich oft von anderen Mitgliedern der Assassinengemeinschaft, der Daud angehört, darauf angesprochen wird, warum ich denn so zimperlich mit den Leuten umgehe und niemanden abmurkse wie ich es als guter Assassine eigentlich tun sollte. Das dient der Atmosphäre ungemein, richtig coole Idee der Entwickler!

Zur Spielzeit: Auf "Sehr schwer" mit allen Nebenaufgaben habe ich für beide DLCs etwa 10 Stunden gebraucht, auf dem nächsthöheren Schwierigkeitsgrad dann 15 Stunden, obwohl ich diesmal einige Nebenaufgaben ausgelassen habe.

Negatives ist mir, bis auf die KI, nichts aufgefallen, außer, dass es ab und zu am neuen höchsten Schwierigkeitsgrad zu unfairen Situationen kommt. Das war aber nur 3 oder 4 Mal der Fall, von daher ist das verschmerzbar.

 

Fazit für Interessierte

"Dishonored" ist ein ambitioniertes Schleichspiel mit gelungener Atmosphäre, befriedigenden Kills und zwei tollen Story-DLCs. Das Gameplay geht gut von der Hand und macht das Spiel zu einem tollen Erlebnis. Dieses wird nur selten durch die zum Teil dumme KI getrübt. Besonders auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad ist das Finden von friedlichen Möglichkeiten, dass Level zu beenden, extrem spannend und macht einen heiden Spaß.


Wertung
Pro und Kontra
  • Gelungene Steampunkatmosphäre
  • Sehr weitläufige Levels mit gut ausgeklügeltem Design
  • Besonders in puncto Upgrades ein tolles Fertigkeitensystem
  • Gut funktionierende Steuerung
  • "Rambo-Style" nur bedingt erfolgreich
  • Coole Easter-Eggs und Secrets
  • Tolle und anspruchsvolle Story-DLCs
  • "Blink"-Fähigkeit zu stark
  • Nahkampf fühlt sich schwammig an
  • Bis auf den höchsten Schwierigkeitsgrad zu einfach
  • Zum Teil sehr dumme KI

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(4)
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