Das Korsett gesprengt.
Von Zeit zu Zeit werde ich gefragt, was mein eigener Lieblingsartikel aus 14 Jahren GameStar ist. Meine Antwort ist nun schon seit exakt sieben Jahren die gleiche: die Drakensang-Titelstory aus der Ausgabe 03/2008. Dabei war die Geschichte weder eine exklusive spektakuläre Enthüllung, noch ein kontrovers diskutierter Test. Und auch Drakensang gehört bei aller Qualitäten sicher nicht zu den wichtigsten Titeln der Spielehistorie.
Aber was macht den Artikel dann für mich so einzigartig und erinnerungswürdig? Nun, als ein Produktjournalist – und da ist es egal, ob man nun über Spiele, Autos oder Mode schreibt – wird man bei Previews zu 99,9% in ein mehr oder weniger enges Korsett gezwängt. Die Produkthersteller haben in dieser Phase naturgemäß noch sehr viel Einfluss darüber, über was geschrieben werden darf und was, aus welchen Gründen auch immer, noch geheim bleiben muss. Und so bekommen beim Presse-Event dann 20 Journalisten die gleiche 30-minütige Produktpräsentation, dürfen anschließend alle den gleichen perfekt polierten Demolevel spielen und bekommen zum Abschluss die gleichen Interviewantworten vom PR-geschulten Lead Designer.
Doch es gibt eben auch die 0,1%. Diese ganz seltenen Fälle, bei denen wir die Fesseln sprengen. Sie können sich vielleicht vorstellen, wie befreiend es gerade bei einer Preview-Titelstory ist, wenn man als Journalist mal keinerlei Embargokorsett trägt und so tatsächlich einfach nur die bestmögliche Geschichte herausholen kann. Bei Drakensang habe ich damals volle zwei Tage beim Entwickler Radon Labs verbracht, wovon ein Tag komplett fürs Spielen verplant war und ein Tag fürs Screenshots machen und Interviews führen. Ohne Einschränkungen, entsprechend aber auch ohne Ausreden für mich. Das war MEINE Geschichte, nicht die eines Publishers. Auf das Ergebnis bin ich bis heute stolz.
Die Definition von »spannend«
Mein Drakensang von 2008 ist diese Ausgabe das Grand Ages: Medieval für Johannes. Als einziger Journalist war er einen ganzen Tag lang zu Gast beim Entwickler Gaming Minds. Auch er durfte alles spielen, alles knipsen (selbst die noch unfertigen Schlachten!), alles fragen. Auch er konnte jetzt ohne Korsett zeigen, was in ihm steckt und hat entsprechend viel Herzblut in SEINE Geschichte gesteckt. Das Ergebnis spricht für sich, denke ich.
Ich bin nicht naiv: So etwas klappt in der Regel natürlich nur bei Spielen wie Drakensang oder Grand Ages: Medieval – also Titeln mit verhältnismäßig kleinem Budget und keinem börsennotierten Riesenpublisher im Rücken, bei dem jedes noch so kleine Infohäppchen große Wellen schlagen kann und entsprechend weltweit choreographiert werden muss. Das ist okay, beim nächsten Assassin’s Creed werden wir uns gern wieder mit 19 anderen Journalisten im Präsentationsraum um die besten Plätze drängeln. Und natürlich werden wir uns bemühen, trotz gleichgeschalteter Informationen die best- und individuellstmögliche Preview zu schreiben.
Allerdings fragen wir uns schon, was für Sie letzten Endes die spannendere Gesichte ist: Diejenige, bei der auf allen Webseiten und in allen Magazin nahezu Identisches steht? Oder diejenige, die es so eben nur bei uns gibt und bei der wir ohne Einschränkungen zeigen können, warum wir auf unsere Arbeit bei GameStar stolz sind. Unsere Antwort auf diese Frage werden Sie anhand dieser und der kommenden Ausgaben hoffentlich herauslesen können.
Viel Spaß beim Lesen und Spielen!
Heiko Klinge
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