Weltweites Phänomen – individuelle Erinnerungen
Jeder vierte Deutsche ab 14 Jahren hat mindestens einen Harry-Potter-Band gelesen – so eine Studie des Marktforschungsinstitut teleResearch. Allein bis 2018 wurden weltweit über 500 Millionen Exemplare der Harry Potter-Bücher verkauft. Die Bücher wurden in 80 Sprachen übersetzt. Und von Dezember 1998 bis Mai 2008, also mehr als neun Jahre lang, waren die Romane in den Bestsellerlisten der New York Times. Die wegen der jahrelangen Blockierung der vorderen Plätze in diesem Zeitraum ihre Listen sogar zweimal reformiert hat.
Für Generationen von Menschen in aller Welt – und auch für viele trans* Menschen - bietet das Harry Potter-Universum Identifikationsangebote, an die sich vielfach anknüpfen lässt. Wir haben Menschen aus der trans* und Queer-Community gefragt, was sie mit Harry Potter verbinden.
»Ich denke es ist wichtig zu verstehen, dass die bewundernswerten Figuren der Bücher der LGBTQ-Community und besonders Jugendlichen über die Jahre geholfen haben, wahre Berge zu versetzen und erwachsen zu werden«, meint Cetine Dale. »Harry Potter hat vielen queeren Personen geholfen, sich selbst besser zu verstehen und zu verstehen, wer wir sind – durch diese ganz spezielle Magie, die die Bücher, Filme und Videospiele transportieren.«
Das Harry-Potter-Universum transportiere nach wie vor viele Werte, die »auch für uns und die LGBTQI+-Community wichtig sind, sei es Toleranz, Vielfalt oder der Mut, für sich selbst einzustehen« meint die queere Streamer*innen-Kombo Nerbie Gaming: »Nur, weil sich die Autorin Jahre nach Veröffentlichung der Bücher bedauerlicherweise in eine andere Richtung entwickelt, verfallen diese Werte für uns nicht.«
Unbeschwert genießen? Kaum mehr möglich
Deli, 27-jährige Erzieherin aus Deutschland und trans* Frau, die nach ihrer Jugend im Online-Gaming mittlerweile vor allem in Story-Games zuhause ist und seit einiger Zeit an ihrem eigenen Videospiel tüftelt, sieht das ganz ähnlich: »Das Franchise an sich empfand und empfinde ich als sehr empowered, denn viele meiner Probleme könnte ich einfach lösen, wenn ich zaubern könnte.«
Auch für Joana, trans* Frau und Spieleentwickler*in aus Portugal, die vor elf Jahren transitioned ist, haben die Bücher eine besondere persönliche Bedeutung: »Ich habe die Bücher noch im Regal. Wegen dem, was sie für mich bedeutet haben, nicht der Autorin wegen. Das, was die Bücher einem bedeutet und Positives beigebracht haben, das bleibt ja valide.«
Ellie, aus dem Vogtland und seit knapp einem Jahr out als trans* Frau, sieht das etwas anders: »Harry Potter als Franchise finde ich persönlich zwar sehr ansprechend. Aber beim erneuten Lesen der Bücher fällt mir jetzt schon auf, wie Rowling ihre radikalen Ansichten auf verschiedene Charaktere projiziert.« Einfach schade findet sie es, wie das Harry-Potter-Universum dadurch »in ein schlechteres Licht gerückt wird – was es eigentlich nicht verdient hat.« Unbeschwertes Genießen ist da kaum mehr möglich.
So geht es auch Felicia Rolletschke. »Als Person, die in ihrer Kindheit alle Harry Potter-Bücher mit Begeisterung gelesen hat, kann ich hier manchen Schmerz verstehen.« Die trans* Frau lebt in Berlin und ist freiberufliche Workshop-Facilitatorin und Queer-Aktivistin. »Harry Potter war für mich eine prägende Dimension meiner Kindheit und Jugend – es war für mich auch ein Teil von Alltagsflucht aus einem System, in dem ich mich als trans* Person nicht wohlgefühlt habe.«
Auch Leon, trans* Mann aus München, hat sich von der Reihe mittlerweile persönlich distanziert: »Rowlings Äußerungen und ihr Auftreten ließen mich als Betroffenen sehr von der Autorin zurückweichen. Ich bin selbst in dem Alter, als die Harry-Potter-Bücher damals herauskamen, und auch wenn ich kein Full-Force-Fan des Franchises bin, so mag ich die Saga doch sehr.« Entsprechend schwer fiel ihm auch die Entscheidung, wie er das für sich lösen sollte – und ob er das eine vom anderen trennen könnte.
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