Beim Test von Alice: Madness Returnshaben wir so manche Strichliste geführt. Etwa darüber, wie oft man unfreiwillig in den Tod stürzt. Oder auf wie viele hin- und herschwebende Plattformen die junge Heldin im Spielverlauf springen muss, selbstredend unterteilt in die möglichen Richtungen »horizontal« und »vertikal«.
Denn nachdem wir Electronic Arts’ mit Spannung erwartete Fortsetzung von American McGee’s Alice(2000) durchgespielt hatten, beschlich uns das Gefühl, nichts anderes geleistet zu haben, als über gefühlt eine Million Plattformen zu hüpfen. Oder eben daneben. Spieldesign von Vorvorgestern wollten wir mit dickem Rotstift unter unsere Listen schreiben. Wären da nicht zwei elementare Aspekte, die Alice: Madness Returns vor dem Absturz bewahren.
Folge dem weißen Kaninchen
Erstens ist da die spannende Geschichte, die uns bereits in den ersten Minuten förmlich ins Spiel saugt. Madness Returns setzt zehn Jahre nach dem Ende des Vorgängers an (den man nicht zwangsläufig gespielt haben muss) und erzählt von der zwar älter gewordenen, aber nach wie vor psychisch sehr labilen Alice Liddell, die den Tod ihrer Eltern zu verarbeiten sucht.
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Die sind bei einem Hausbrand ums Leben gekommen, und nun gibt Alice sich die Schuld an der Tragödie. Um mit ihrem Schmerz klar zu kommen, flieht das Mädchen abermals ins Wunderland, nur um festzustellen, dass dort eine ominöse Macht in Form eines riesigen, brennenden Zuges alles zu vernichten droht. Schnell wird klar: Die Geschehnisse in dem Fantasiereich stehen in direkter Verbindung mit Alice’ realer Vergangenheit. In den Levels verteilte Erinnerungsfetzen und in cooler Scherenschnitt-Optik gehaltene Zwischensequenzen enthüllen uns nach und nach, wie es zu dem folgenschweren Feuer kam und - vor allem - wer wirklich dahinter steckt.
Die erzählerisch mutige Auflösung überrascht uns, das hätten wir so nicht erwartet. Madness Returns spinnt vor allem durch seine undurchsichtigen Figuren eine faszinierend verschrobene Geschichte, die im Zusammenspiel mit dem schrägen Stil das Herz des Hüpfabenteuers bildet. Schade nur, dass die Handlung zur Mitte hin an Tempo verliert und sich dadurch unnötig zieht. Ein vergleichsweise kleines Manko in der ansonsten sehr gut präsentierten Story.
Ein Quell der Fantasie
Zweiter Pluspunkt - und da steht Madness Returns seinem in dieser Hinsicht legendären Vorgänger in nichts nach - ist das düster-morbide, durchweg stimmige und vor allem höchst kreative Artdesign. Was auch immer die Entwickler für bizarre Fantasien haben, sie fanden ihren Weg ins Spiel.
Da wandern wir durch quietschbunte Märchenwälder, hüpfen zwischen Schäfchenwolken über riesige Spielkarten, rutschen eine Murmelbahn entlang oder kämpfen uns unter Wasser durch groteske Korallenformationen. Dieses hohe künstlerische Niveau hält das Programm von Anfang bis Ende aufrecht; schon lange nicht mehr waren wir in einem Spiel so sehr darauf gespannt, was uns wohl hinter der nächsten Ecke erwartet.
Ärgerlich indes, dass Madness Returns zwar stilistisch überzeugt, aber im Kern technisch veraltet ist. Leveldetails, Beleuchtung, Weitsicht, Charakteranimationen und Polygonanzahl sind nicht zeitgemäß, manche Gebiete wie die Eistundra zu Beginn des dritten Kapitels sind regelrecht hässlich, und was uns das Spiel bisweilen als Textur hinklatscht, könnte aus seinem elf Jahre alten Vorgänger stammen. Das stimmige Artdesign macht dieses Manko zumindest teilweise wieder wett. Außerdem: In der PC-Version von Alice: Madness Returns lassen sich PhysX-Effekte aktivieren, die einige der Grafikeffekte deutlich aufwerten, wie das Beispielvideo zeigt.
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