Ich habe meinem Vater eine Billig-SSD von Amazon gekauft - sollte ich mich schämen?

Wie gut schlagen sich besonders günstige Amazon-SSDs von Herstellern, die keiner kennt?

Ich teste, ob ihr um SSD-Hersteller wie Fikwot lieber einen Bogen machen solltet (Bild: stock.adobe.com GameStar.de) Ich teste, ob ihr um SSD-Hersteller wie Fikwot lieber einen Bogen machen solltet (Bild: stock.adobe.com / GameStar.de)

Vor kurzem war es wieder soweit: Mein Vater hat sich wegen PC-Problemen bei mir gemeldet. Diesmal hatte ich aber Glück im Unglück, weil nur eine defekte Festplatte Ärger gemacht hat - und die ist leicht ausgetauscht. Also schnell her mit einer neuen, am besten in Form einer möglichst günstigen SSD.

Dank Amazon Prime geht das wunderbar flott, aber kann ich meinem Vater eines der Billig-Angebote von unbekannten Marken wie »Fikwot«, »Fanxiang« und Silicon Power wirklich zumuten? Gesagt, getestet!

Welche SSDs treten im Duell gegeneinander an? Um zu schauen, wie gut die günstigen Amazon-Angebote da stehen, stelle ich je ein Modell der oben genannten Hersteller zwei bekannteren Vertretern gegenüber: SSD-Dauerbrenner Samsung und PNY, die Spieler vor allem durch ihre GPUs kennen dürften.

Die Testkandidaten:

  • Samsung SSD 830 (512 GByte)
  • Silicon Power Ace A55 (512 GByte)
  • Fanxiang S101 (1.000 GByte)
  • Fikwot FS810 (2.000 GByte)
  • PNY CS900 (2.000 GByte)
Fanxiang S101
Fanxiang S101
1,0 Terabyte, bis zu 550 MByte/s, 2,5 Zoll, keine Angabe zur Garantie
39,99 €
Fikwot FS810
Fikwot FS810
1,0 Terabyte, bis zu 550 MByte/s, 2,5 Zoll, 3 Jahre Garantie
37,99 €
PNY CS900
PNY CS900
2,0 Terabyte, bis zu 550 MByte/s, 2,5 Zoll, 3 Jahre Garantie
81,85 €

Es handelt sich stets um SATA-SSDs im 2,5-Zoll-Format. Die Samsung-SSD stellt dabei eine große Ausnahme dar, denn sie ist schon über elf Jahre alt. Als reine Testsystem-SSD für die Arbeit wurde sie aber nicht stark strapaziert.

Wie sie sich gegen ein aktuelles schnelles Modell mit PCI Express schlägt, erfahrt ihr in diesem Artikel:

Billig ist nicht gleich Billig

Bevor wir uns den Benchmarks widmen, werfen wir kurz einen Blick auf das Thema Preis. Die hier getesteten SSDs von Amazon liegen alle an der unteren Preisgrenze des üblichen Marktpreises für ihre jeweilige Kapazität. Die sieht derzeit folgendermaßen aus:

  • 512 GByte: ab ca. 20 Euro
  • 1,0 TByte: ab ca. 35 Euro
  • 2,0 TByte: ab ca. 70 Euro

Stoßt ihr stattdessen auf Angebote, die deutlich unterhalb des üblichen Marktpreises liegen, könnt ihr fast sicher sein, dass es sich dabei um Betrug handelt. Zwei Beispiele dafür haben wir bereits auf GameStar.de thematisiert:

SSD mit 16 Terabyte für nur 100 Euro bei Amazon - Kann das mit rechten Dingen zugehen?

2 Terabyte für 10 Euro: Festplatten-Kauf bei Ali Express endet mit böser Überraschung

Wie schnell sind die SSDs in der Theorie?

Da alle Testkandidaten auf die SATA-Schnittstelle setzen, bewegen sich ihre offiziellen Datenraten größtenteils in einem sehr ähnlichen Bereich nahe der Grenze des SATA3-Maximums.

Das bestätigt sich im synthetischen Benchmark-Tool CrystalDiskMark. Zum Vergleich findet ihr im folgenden Diagramm auch die Leistungsdaten einer aktuellen PCI-Express-SSDs, die viel schneller ist.

CrystalDiskMark: Lesen
Testsystem: Ryzen 9 7900X, Zotac Geforce RTX 4090 Amp!, 32,0 GByte DDR5-6000, Windows 11

  • SEQ1M Q8T1
  • SEQ1M Q1T1
  • RND4K Q32T1
  • RND4K Q1T1
WD Black SN805X (2 TB) PCI Express 4.0
7376
5437
1047
82
Fikwot FS810 (2 TB) SATA3
566
521
368
38
Fanxiang S101 (1 TB) SATA3
562
494
366
31
PNY CS900 (2 TB) SATA3
561
491
367
29
Crucial MX500 (512 GB) SATA3
559
538
335
30
Silicon Power Ace A55 (512GB) SATA3
558
551
260
42
Samsung SSD 830 (512 GB) SATA3
544
507
311
19
  • 0
  • 1480
  • 2960
  • 4440
  • 5920
  • 7400

Schreiben
Testsystem: Ryzen 9 7900X, Zotac Geforce RTX 4090 Amp!, 32,0 GByte DDR5-6000, Windows 11

  • SEQ1M Q8T1
  • SEQ1M Q1T1
  • RND4K Q32T1
  • RND4K Q1T1
WD Black SN805X (2 TB) PCI Express 4.0
6503
6029
1021
347
Fanxiang S101 (1 TB) SATA3
523
489
272
86
Fikwot FS810 (2 TB) SATA3
521
511
294
135
Silicon Power Ace A55 (512GB) SATA3
507
497
337
130
Crucial MX500 (512 GB) SATA3
489
479
353
113
PNY CS900 (2 TB) SATA3
487
482
263
125
Samsung SSD 830 (512 GB) SATA3
406
405
146
78
  • 0
  • 1320
  • 2640
  • 3960
  • 5280
  • 6600

In manchen Bereichen hat die Samsung-SSD das Nachsehen gegenüber den neueren Modellen. Insgesamt liegen die SATA-Testkandidaten aber alle sehr nahe beieinander.

Wie schnell sind die SSDs in Spielen?

Auf die Bilder pro Sekunde in Spielen haben SSDs in aller Regel keinen Einfluss. Anders kann es bei den Ladezeiten aussehen.

Wie unsere Messungen in Anno 1800, Call of Duty: Modern Warfare 2, Cyberpunk 2077 und Hogwarts Legacy aber zeigen, kann sich das schnelle PCI-Express-Modell in diesem praktischen Test kaum von den anderen SSDs abheben.

Ladezeiten in Spielen
Testsystem: Ryzen 9 7900X, Zotac Geforce RTX 4090 Amp!, 32,0 GByte DDR5-6000, Windows 11

  • Spielstart bis Hauptmenü
  • Spielstand laden
WD Black SN805X PCI Express 4.0
41,0
7,0
Crucial MX500 SATA3
43,9
8,5
Samsung SSD 830 (512 GB) SATA3
44,2
8,5
Fikwot FS810 (2TB) SATA3
44,5
8,4
PNY CS900 (2 TB) SATA3
44,9
8,4
Silicon Power Ace A55 (512GB) SATA3
45,4
8,8
Fanxiang S101 (1 TB) SATA3
45,5
8,3
  • 0,0
  • 10,0
  • 20,0
  • 30,0
  • 40,0
  • 50,0

Größere Vorteile für schnelle PCI-Express-SSDs sind in Spielen möglich, die DirectStorage unterstützen. Noch gibt es aber kaum Titel dieser Art. Mehr dazu erfahrt ihr auch in diesem aktuellen Test einer SSD mit PCI Express 5.0: Lohnt sich eine neue SSD? Aktuelles Top-Modell gegen über 5 Jahre alten Preistipp.

Der Größentest offenbart teils starke Unterschiede

Um sich gegen Betrug zu schützen und sicherzustellen, dass eine SSD auch wirklich die Kapazität bietet, die angegeben ist, kann man das Tool H2testw von Heise nutzen. Dazu schreibt es so lange etwa 1,0 GByte große Daten, bis die SSD voll ist.

Erwartungsgemäß stimmt die Größenangabe aller getesteten SSDs, der Test macht aber noch etwas ganz anderes deutlich: Wie lange können die SSDs ihre höchsten Datenraten halten?

Wichtiger SSD-Exkurs: Das ist deshalb von Bedeutung, weil SSDs mittlerweile auf günstigere, aber weniger schnelle Arten von Flash-Speicher setzen. So kommen bei der alten Samsung-SSD noch so genannte MLC-Module zum Einsatz, während es bei den anderen Testkandidaten TLC- oder QLC-Module sind.

Die Bezeichnungen stehen für Multi-Level-Cell, Triple-Level-Cell und Quad-Level-Cell und sie geben an, wie viele Bit pro Speicherzelle möglich sind. Vereinfach gesagt gilt: Je mehr Bit, desto mehr Daten und desto günstiger - aber auch desto langsamer.

Um dennoch hohe Datenraten zu ermöglichen, kommt bei aktuellen SSDs ein meist nicht offiziell genannter Cache-Bereich zum Einsatz, der weniger Bit pro Zelle und damit höhere Datenraten bietet. Ist der Cache voll, sinkt die Datenrate, bis er in einer Ruhephase der SSD wieder geleert werden kann.

Am Beispiel der Fikwot-SSD mit 2,0 Terabyte sieht der Cache-Einfluss so aus:

Während die SSD ungefähr die ersten 240 GByte mit 430 MByte pro Sekunde beschreibt, sinkt die Datenrate danach auf etwa 225 MByte pro Sekunde ab. Eine zweite Schwelle wird bei 1.600 MByte erreicht, dann sind es nur noch 90 MByte pro Sekunde.

Welche Schwellen und Datenraten ich im Test ungefähr festgestellt habe, seht ihr in dieser Tabelle:

H2testw-Toolmaximale SchreibrateGröße Turbo-Cache2te Cache-StufeSchreibrate nach Turbo-Cache
Samsung SSD 830 (512GB)420 MByte/s---
PNY CS900 (2 TB)465 MByte/sca. 500 GByte-50 MByte/s
Fikwot FS810 (2TB)475 MByte/sca. 250 GByteca. 1.600 GByte225 / 90 MByte/s
Silicon Power Ace A55 (512 GB)460 MByte/sca. 125 GByte-10-250 MByte/s
(stark schwankend)
Fanxiang S101 (1TB)460 MByte/sca. 125 GByteca. 840 GByte225 / 90 MByte/s

Besonders auffällig sind die Samung SSD und die Ace A55 von Silicon Power. Erstere hat dank MLC-Chips eine konstant hohe Datenrate ohne Cache-Stufe, letztere verfällt ab 130 GByte in stark schwankende Datenraten.

Die Datenraten der PNY-SSD sinken zwar ebenfalls stark, wenn der Cache einmal voll ist. Dafür ist der schnelle Cache-Bereich mit etwa 500 GByte aber auch sehr groß.

Warum der Cache nur selten zum Problem wird

Im Alltag kommt es nicht oft vor, dass man sehr große Datenmengen auf eine SSD schreiben muss. In den meisten Fällen stellt es deshalb kein großes Problem dar, dass aktuelle Modelle mit einem Cache arbeiten.

Zur Veranschaulichung habe ich mit allen SSDs zwei Kopiertestes durchgeführt. Einmal steht eine Datenmenge von etwa 70 GByte in Form von Cyberpunk 2077 an. Im zweiten Fall kopiere ich gleich mehrere Spiele, die insgesamt knapp 450 GByte groß sind. Quelle der Daten ist eine schnelle NVMe-SSD.

Während die Testkandidaten im ersten Fall recht eng beieinander liegen, sind im zweiten Test deutlich größere Unterschiede zu sehen:

Kopieren von Spieldateien: 70 GByte
Testsystem: Ryzen 9 7900X, Zotac Geforce RTX 4090 Amp!, 32,0 GByte DDR5-6000, Windows 11

  • Dauer des Kopiervorgangs
Fikwot FS810 (2TB) SATA3
159
Fanxiang S101 (1 TB) SATA3
160
Silicon Power Ace A55 (512GB) SATA3
161
PNY CS900 (2 TB) SATA3
164
Samsung SSD 830 (512 GB) SATA3
184
  • 0
  • 38
  • 76
  • 114
  • 152
  • 190

450 GByte
Testsystem: Ryzen 9 7900X, Zotac Geforce RTX 4090 Amp!, 32,0 GByte DDR5-6000, Windows 11

  • Dauer des Kopiervorgangs
PNY CS900 (2 TB) SATA3
1055
Samsung SSD 830 (512 GB) SATA3
1286
Fikwot FS810 (2TB) SATA3
1412
Fanxiang S101 (1 TB) SATA3
1600
Silicon Power Ace A55 (512GB) SATA3
9960
  • 0
  • 2000
  • 4000
  • 6000
  • 8000
  • 10000

Am schnellsten ist die PNY-SSD dank ihres großen Turbo-Caches. Klares Schlusslicht ist die A55, da ihre Datenraten stark schwanken, wenn der Cache-Bereich von etwa 125 GByte einmal vollgelaufen ist.

Fazit: Zurück zu meinem Vater

Was bedeutet all das jetzt für die eingangs gestellte Frage, ob ich meinem Vater besser keine Fikwot-, Fanxiang oder Silicon-Power-SSD in den PC einbaue oder das doch ohne Scham und Reue tun kann?

Grundsätzlich darf man meiner Erfahrung nach durchaus auch bei unbekannten Herstellern bei Amazon zugreifen, wenn der Preis nicht ungewöhnlich niedrig ist. In den meisten Fällen liefern sie eine ähnliche Leistung ab wie die SSDs von etablierten Herstellern mit vergleichbarer Technik.

Insbesondere dann, wenn ihr häufiger größere Datenmengen bewegt, kann es aber doch große Unterschiede geben. Das zeigt die SSD von Silicon Power klar. Das Problem dabei: Genaue Angaben zu Cache-Größen und Datenraten ohne Cache lassen sich im Vorfeld oft schwer ermitteln, wenn überhaupt.

In den meisten Fällen sollte der Turbo-Cache aber nicht zu einem Problem werden, zumal die Datenraten danach nicht immer so stark schwanken wie im Falle der Ace-A55-SSD. Daher darf die Fikwot-SSD auch in Zukunft gerne weiter ihre Dienste im Rechner meines Vaters verrichten.

Falls ihr auf der Suche nach einer neuen SSD für euch oder für ein Familienmitglied seid, helfen euch auch unsere Kaufberatungen, eingeteilt in SATA-SSDS und PCI-Express-SSDs für die M.2-Schnittstelle:

Wie steht ihr zu SSDs von eher unbekannten Herstellern wie Fikwot und Fanxiang auf Amazon? Lasst ihr lieber die Finger davon oder habt ihr vielleicht selbst schon mal bei so einem Angebot zugeschlagen? Falls ja, welche Erfahrungen habt ihr mit günstigen SSDs von Amazon gemacht? Und welche SSDs schlummern derzeit in eurem PC? Schreibt es gerne in die Kommentare und diskutiert mit!

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