Als am 28. April 2025 Millionen auf der iberischen Halbinsel ab mittags ohne Strom ausharrten, hatte die Rettung bereits begonnen – und sie sollte in einem Rekord für die Geschichtsbücher münden.
Erkenntnisse zum Neustart des Netzes gewähren drei neue Blickwinkel, die viel über die Zukunft des europäischen Stromnetzes erzählen...
- ein altehrwürdiges Technikduo als Neustarthelfer
- grenzüberschreitende Hilfe, die Leben rettete
- zu lernende Lehren
Bereits vor einigen Tagen schrieben wir, dass trotz aller Tragik der Blackout und sein bis dahin bekannter Ablauf an sich ein gutes Zeichen für Europa darstellen.
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Wolkenkratzer als 1.000 Meter hoher Energiespeicher
Der Fall des Netzes
Mehrere zeitlich teils nur Sekunden voneinander getrennte Vorfälle sorgten für einen massiven Stromausfall in Portugal, Spanien, dem Südwesten von Frankreich. Unter anderem brach hierbei die Netzverbindung zu den Nachbarländern zusammen.
Die Gründe sind bis heute nicht final geklärt. Eine Kommission arbeitet daran. Aber wahrscheinlich trägt nach aktuellem Stand eine Kombination von miteinander verzahnten Ursachen Schuld.
Minuten vor dem Ausfall liefert die Statistik beeindruckende Zahlen, was den Südwesten Europas in Höhe von rund 40 Gigawatt (GW) elektrifizierte (via independent):
- Solar: 59 Prozent
- Wind: 12 Prozent
- Atomstrom: 11 Prozent
- Andere: 13 Prozent
- Gaskraftwerke: 5 Prozent
Spanien exportierte bis kurz vor dem Blackout Strom, größtenteils grünen.
Die Wiederbelebung des Netzes
Der Iberien-Blackout war längst nicht der schlimmste der Geschichte – weder was betroffene Menschen noch Todesfälle oder Sachschäden angeht. Allerdings hebt ihn die involvierte Technik hervor: Nie zuvor hatte ein großes Netz solcher Ausmaße mit einem derart hohen Anteil an regenerativen Energien so schnell komplett wiederhergestellt werden können.
Das Nervensystem Europas
Die Zeiten, in denen die Länder unabhängig voneinander Stromnetze unterhalten, sind längst vergangen. Europa durchzieht ein dichtes Netz an Leitungen, das extreme Mengen an Strom von Spanien bis in die Ukraine oder von Nordafrika bis zur Nordspitze Finnlands transportiert. Auf dieser Karte könnt ihr interaktiv alltäglich gelebte europäische Infrastruktur erkunden. Dazwischengeschaltet sind diverse Sicherungen, die bei Schwankungen automatisch abschalten.
Dabei zeigte auch der Ablauf, wie wichtig die europäische Zusammenarbeit hierfür war. Denn der Neustart eines Stromnetzes muss mit Fingerspitzengefühl erfolgen. Vereinfacht gesagt baut der Betreiber hierfür Strominseln rund um Zugänge von außen sowie um Schwarzstart-fähige Energieerzeuger auf. Diese Zonen werden schrittweise ausgedehnt, bis sie sich schließlich berühren und das Gesamtnetz wieder unter Strom steht.
Unter Schwarzstart versteht die Branche, ein Kraftwerk ohne externe Stromzufuhr zu starten. Welche Anlagen hierfür geeignet sind, klären wir gleich.
Unmittelbar nach dem Stromausfall begannen alle Systembetreiber mit der Wiederherstellung der Stromversorgung. Sie prüften, was verfügbar war, betätigten Leistungsschalter, führten die Umschaltung durch, schickten Mannschaften zu Einsatzorten und vieles mehr. Der Schwarzstart eines gesamten 40-GW-Netzes von Grund auf ist offensichtlich nicht einfach.
Sean McGuinness, Transmission and Distribution Protection Research Program Manager, in einem YouTube-Webcall
- Innerhalb einer Stunde standen erste Verbindungen nach Marokko und Frankreich wieder. Beide versorgten das iberische Netz in der Folge anhaltend mit mehreren GW an Strom. Hierbei unterstützte auch Deutschland, indem wir Energie nach Frankreich umleiteten und das dortige Netz stabilisierten.
- Die ersten Kraftwerke, die in Portugal und Spanien wieder Strom einspeisten, waren am Nachmittag Pumpspeicheranlagen. Sie lassen in Seen zurückgehaltenes Wasser durch Turbinen strömen.
- Danach folgten Gasmeiler.
- Die mit der Zeit flächendeckend zur Verfügung stehende Energie ermöglichte den Wiederanschluss der großen Reserven an Windkraft sowie Solar.
Die Energieversorgung der Halbinsel stand zum größten Teil um Mitternacht wieder, vollständig dann in den frühen Morgenstunden des 29. April. Letztendlich sorgten also zwei relativ alte Technologien, Gas- sowie Pumpspeicherkraftwerke, mit für den Neustart des Netzes. Letztere basieren auf einer der Urformen menschlicher Ausnutzung der Natur: Wasserkraft.
Solarparks sowie Atomkraftwerke sind für Schwarzstarts wenig bis gar nicht geeignet – Windkraftanlagen bedingt. Der Grund hierfür findet sich in der Art, wie sie ihren Strom erzeugen oder ins Netz einspeisen. Nukleargeneratoren sind zum Beispiel auf eine Vielzahl an Pumpen angewiesen, damit sie sicher Hitze zur Dampferzeugung und so zum Antrieb einer Turbine bereitstellen können.
Bei Solarpaneelen braucht es erst einmal Strom, damit sie ihren ins Netz einspeisen können. Kohlekraftwerke brauchen zum Anlaufen derweil Elektrizität für Brennstoffförderanlagen (via next-kraftwerke).
Was braucht ein sicheres Netz des 21. Jahrhunderts?
Inzwischen haben sich etliche Experten zu Wort gemeldet und auch wenn die Ursache bis heute nicht endgültig geklärt ist, können wir Lehren für die Zukunft ziehen (via BBC und powermag):
- Mehr Energiespeicher
- Batterien
- Pumpspeicher
- Druckluftspeicher
- Alternative Speichermethoden, wie zum Beispiel luftleere Betonkugeln am Meeresgrund
- Netzstabilisierung durch sogenannte »Synthetic inertia systems«. Sie simulieren quasi die ausgleichende und verzögernde Wirkung von mechanisch-rotierenden Turbinen in Gas-/Kohle- und Atomkraftwerken. Denn diese lassen sich nicht direkt stoppen, weder absichtlich noch unabsichtlich. Sie verlangsamen und beschleunigen relativ gemächlich, hierdurch gleichen sie Schwingungen der Netzfrequenz aus.
- Weitere Details zum Thema Stabilisierung von Spannung, Frequenzspannungen und allerhand weiteren Unterthemen finden sich bei Powermag.
- Schwarzstart Befähigung von Solarparks, wie durch bisher vor allem in wissenschaftlichen Papers vorgestellten Technologien
Meinung aus der Redaktion
Gerald Weßel
Egal, was es genau verursacht hat, am Ende steht die bleibende Hoffnung nach einem Erfolg. Denn die relativ kurze Erholungszeit in Anbetracht der geografischen Ausdehnung und gesellschaftlichen Tragweite des Blackouts rettete Leben – und verdient unseren Respekt.
Für die Millionen Europäer, die betroffen waren, sind die Techniker/Innen in Marokko, Spanien, Portugal und Frankreich Helden/In. Sie setzten gemeinsam das Netz innerhalb weniger Stunden wieder unter Strom – inklusive unzähliger regenerativer Erzeuger.
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