Ich fotografiere schon seit mehr als 15 Jahren mit Systemkameras und in dieser Zeit habe ich sehr viel gelernt. Die wertvollsten Learnings hatte ich durch Fehler. Hier teile ich mit euch meine fünf größten.
Bedenkt, dass es sich hierbei um meine persönlichen Erfahrungen handelt – und was für mich ein Fehler war, muss nicht unbedingt einer für euch sein. Trotzdem hoffe ich, dass einige der Tipps euch weiterhelfen!
Fehler Nr. 1: Alles mit Offenblende fotografieren
Was ist eine Blende bei einem Objektiv? Die Blende bei einem Fotoobjektiv ist eine verstellbare Öffnung, die die Menge des einfallenden Lichts reguliert. Sie wird durch Lamellen im Objektiv gebildet und kann größer oder kleiner eingestellt werden. Die Blendenöffnung wird in sogenannten »F-Stop«-Werten angegeben, wie beispielsweise F/2.0 oder F/16.
Die Blende beeinflusst zwei Hauptfaktoren:
- Lichtmenge: Eine große Blendenöffnung (kleiner F-Stop-Wert) lässt mehr Licht auf den Sensor, was besonders bei schlechten Lichtverhältnissen nützlich ist. Eine kleine Blendenöffnung (großer F-Stop-Wert) reduziert die Lichtmenge.
- Tiefenschärfe: Eine große Blendenöffnung erzeugt eine geringe Tiefenschärfe, wodurch der Hintergrund unscharf und das Hauptmotiv hervorgehoben wird. Eine kleine Blendenöffnung sorgt für eine größere Tiefenschärfe, wodurch mehr Bereiche des Bildes scharf erscheinen.
Mein Fehler: Ich erinnere mich genau daran, als ich mein erstes lichtstarkes Objektiv das erste Mal auf meine Kamera geschraubt habe. Ein Minolta AF 50mm F/1.7 für Sony Alpha.
Ich war so beeindruckt von dem Look, den das Objektiv bot. Diese Fotos mit dem verschwommenen Hintergrund waren einfach etwas komplett Neues für mich, das ich von günstigen Kompaktkameras oder Handys nicht kannte. Plötzlich sahen meine Fotos irgendwie »professionell« aus.
Also habe ich alles, wirklich alles, bei Offenblende – also bei F/1.7 – fotografiert. Und das war ein Fehler.
Warum ihr euer Objektiv auch mal abblenden solltet: Durch kleinere Blendenstufen wird nicht nur die Tiefenschärfe erhöht, sondern in vielen Fällen auch die Bildqualität. Die meisten Objektive besitzen einen Sweet-Spot, den wir nach dem Schließen von zwei oder drei Blendenstufen erreichen:
- Die Bildschärfe und der Detailgrad nehmen zu.
- Vignettierungen, also die Verdunkelungen an den Bildrändern, nehmen ab.
- Optische Bildfehler, wie chromatische Aberrationen, nehmen ab.
Gerade beim Fotografieren von Landschaften, Cityscapes oder anderen Motiven, die eine hohe Schärfe über das gesamte Foto erfordern, lohnt es sich, das Objektiv abzublenden und auch mal mit F/8.0 oder anderen kleinen Blendenstufen zu fotografieren.
Und selbst bei wenig Licht kann es sich lohnen, mit kleineren Blenden zu fotografieren. Viele Objektive sind in der Lage, bei kleinen Blendenstufen, Lichtquellen, wie Straßenlaternen, als »Sonnensterne« darzustellen.
Fehler Nr. 2: Nur im RAW-Format fotografiert
Was ist das RAW-Format? Das RAW-Format ist ein unkomprimiertes Dateiformat, das alle Bilddaten speichert, die der Kamerasensor aufnimmt. Es bietet Fotografen und Fotografinnen maximale Flexibilität bei der Nachbearbeitung, da es mehr Details und Informationen enthält als komprimierte Formate wie JPEG. Im RAW-Format können Belichtung, Weißabgleich und andere Einstellungen nachträglich ohne Qualitätsverlust angepasst werden.
Mein Fehler: Weil ich das Maximum an Bildqualität aus meinen Fotos herausholen wollte, habe ich in den Anfangsjahren ausschließlich im RAW-Format fotografiert. Ohne Ausnahme.
Das bedeutete, dass ich viele Abende stundenlang in Adobe Lightroom verbracht habe und selbst kleine Schnappschüsse von Familie und Freunden penibel nachbearbeitet habe.
Warum JPEG oder HEIF auch okay sein kann: Nicht bei jedem Foto muss die Bildqualität absolut perfekt sein. Manchmal ist das Allerwichtigste, einen flüchtigen Moment festgehalten zu haben.
Gerade bei schnellen Schnappschüssen mit Freunden und Familie spielt es nicht immer eine Rolle, ob der Weißabgleich hundertprozentig sitzt oder dass das Bildrauschen auf ein Minimum reduziert wird. Heute akzeptiere ich die kleinen Bildfehler und finde sie sogar irgendwie schön.
Komprimierte Bildformate sind heute außerdem besser denn je. Besonders schön fand ich die JPEGs, die aus der Ricoh GR oder von Fujifilm-Kameras kamen. Diese Kameras besitzen Bildprofile, die an analoge Fotos erinnern. Ferner lassen sich JPEGs und HEIFs schnell mit anderen teilen. Und das ist manchmal wichtiger als die beste Bildqualität.
Natürlich ist das für euch keine Option, wenn ihr mit den Fotos euer Geld verdient. Dann sollte RAW wirklich das einzige Format sein, mit dem ihr fotografiert.
Fehler Nr. 3: Pixel Peeping
Was ist Pixel Peeping? Pixel Peeping bezeichnet das genaue Untersuchen von Fotos auf Pixelebene, um Details und Qualität zu beurteilen. Dabei wird stark in ein Foto hineingezoomt, um Aspekte wie Schärfe, Rauschen und Artefakte zu überprüfen.
Mein Fehler: Ich habe früher nahezu jedes meiner Fotos auf Pixelebene untersucht und sie auf Schärfe, Bildfehler oder Rauschen überprüft. Das war fast schon krankhaft. Wenn ich gemerkt habe, dass ein Objektiv bei F/1.7 auf Pixelebene nicht so scharf ist, habe ich mich online nach Alternativen umgesehen, die »besser« sind. Wenn ein Foto zu stark rauscht, habe ich mich fast schon gezwungen gefühlt, das Rauschen in der Nachbearbeitung zu reduzieren.
Warum nicht jedes Foto auf Pixelebene überprüft werden muss: Pixel Peeping ist meiner Meinung nach nur in zwei Szenarien wirklich wichtig: Die Fotos werden entweder besonders groß ausgedruckt oder auf großen Bildschirmen betrachtet.
Ich drucke meine Fotos nur auf 10x15-cm-Auszüge oder betrachte sie auf dem Smartphone. Bei solchen Größen fallen Bildfehler, die auf Pixelebene sichtbar sind, größtenteils nicht mehr auf.
Natürlich könnte ich mir ein optisch perfektes Objektiv kaufen, das mehrere tausend Euro kostet, um bei maximaler Vergrößerung die bestmögliche Bildqualität zu haben, aber für meine Zwecke wäre das einfach ein Overkill. Heute schaue ich mir meine Fotos nur noch auf Pixelebene an, wenn ich überprüfen möchte, ob ich korrekt fokussiert habe.
Wie immer gilt: Wenn ihr euer Brot mit den Fotos verdient, dann ist das natürlich eine andere Geschichte.
Fehler Nr. 4: Unschärfen rigoros mit schnellen Verschlusszeiten vermieden
Was ist die Verschlusszeit? Die Verschlusszeit ist die Dauer, für die der Verschluss einer Kamera geöffnet bleibt, um Licht auf den Sensor fallen zu lassen. Sie wird in Sekunden oder Bruchteilen davon angegeben, wie 1/60 s oder 1/1000 s.
Sie beeinflusst zwei Hauptaspekte:
- Bewegungsunschärfe: Eine kurze Verschlusszeit friert Bewegung ein, ideal für Sport- oder Actionaufnahmen. Eine lange Verschlusszeit kann Bewegungsunschärfe erzeugen, um Bewegungen wie fließendes Wasser künstlerisch darzustellen.
- Belichtung: Eine längere Verschlusszeit lässt mehr Licht auf den Sensor, was bei schlechten Lichtverhältnissen hilfreich ist. Eine kürzere Zeit reduziert die Lichtmenge, um Überbelichtung in hellen Umgebungen zu vermeiden.
Mein Fehler: Weil ich immer nach Perfektion bei der Bildqualität meiner Fotos gesucht habe, habe ich immer mit schnellen Verschlusszeiten, wie etwa 1/500 s, fotografiert. Das stellte sicher, dass ich so wenig Bewegungsunschärfe in meinen Fotos habe, wie möglich.
Warum langsame Verschlusszeiten schön sein können: Ich habe in den frühen Jahren komplett ignoriert, dass Bewegungsunschärfe ein kreatives Werkzeug für die Bildkomposition ist.
Fotografiert ihr etwa einen vorbeifliegenden Vogel mit langsamer Verschlusszeit, könnt dem Betrachter oder der Betrachterin ein Gefühl von Geschwindigkeit vermitteln – dank der Bewegungsunschärfe im Hintergrund.
Generell muss nicht jeder Moment »eingefroren« werden. Fotos, die Menschen verschwommen darstellen, zeigen in nur einem einzigen Bild Bewegung, die mit einer kurzen Verschlusszeit schlichtweg nicht sichtbar wäre.
Hier ist eine kleine Idee für euch: Nehmt eure Kamera bei Abenddämmerung mit nach draußen und fotografiert mal ein paar Fotos nur mit 1/30 s. Achtet dabei darauf, die Kamera möglichst stillzuhalten, wenn sie über keine Bildstabilisierung verfügt – oder verwackelt sie mit Absicht. Macht das, was euch Spaß macht.
Fehler Nr. 5: Zu viel Ausrüstung gekauft »Gear Acquisition Syndrome«
Was ist »Gear Acquisition Syndrome« (G.A.S.)? Das Gear Acquisition Syndrome beschreibt das übermäßige Verlangen, ständig neue Fotoausrüstung oder Technik zu kaufen. Betroffene glauben oft, dass neue Geräte ihre kreative oder technische Leistung verbessern. Dieses Phänomen ist unter anderem auch unter Musikern und Musikerinnen weitverbreitet.
Mein Fehler: Anstatt sich auf die fotografischen Skills zu konzentrieren, habe ich mich in Foren und YouTube-Videos verloren. Meine Kamera und meine Objektive waren nie wirklich gut genug. Ich dachte: »Wenn ich mir dieses Objektiv hole, werde ich endlich noch bessere Fotos schießen können«. Oder: »Ohne diese Kamera sind solche Fotos einfach nicht möglich«.
Und das Schlimmste daran: Sobald ich dieses Objektiv oder die Kamera meiner Träume hatte, war es wieder nicht gut genug. Und schon habe ich mich auf die Suche nach der nächstbesseren Ausrüstung gemacht.
Warum euer Equipment gut genug ist: Während neue Ausrüstung nützlich sein kann, lenkt das G.A.S. von der eigentlichen Fotografie ab und verursacht hohe Kosten.
Wichtig ist, den Fokus auf kreativen Fähigkeiten und Techniken zu behalten, anstatt nur auf die Technik. Für die besten Fotos braucht es nicht die modernste Kamera oder das schärfste Objektiv. Ich würde sogar behaupten, dass genau das Gegenteil der Fall ist.
Heute beschränke ich mich ausschließlich auf ein Objektiv und eine Kamera und bin kreativer denn je. Denn genau so macht mich die Limitierung: Kreativ.
Eine meiner Lieblingsfotografinnen ist Anna Starr. Und sie fotografiert hauptsächlich mit einer Holga 120. Eine Plastikkamera, mit Plastikobjektiv, die etwa 50 Euro kostet.
Ich bin zwar durchaus froh, dass ich in diesen 15 Jahren so viele verschiedene Kameras und Objektive ausprobiert habe, weil ich dadurch sehr viel gelernt habe, aber heute weiß ich: Es ist nicht die Kamera, die das Foto macht – sondern der Mensch, der dahinter ist.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.