Der Google-Experte, der das iPhone vorhersagte, blickte erneut in die Zukunft: Im Jahr 2030 werden alle im Überfluss leben

Tech-Guru Ray Kurzweil hat bereits öfter erfolgreich in die Glaskugel geblickt. Ob das auch für die Theorien aus seinem neuen Buch gilt, bleibt abzuwarten.

Tech-Pionier Ray Kurzweil glaubt, dass sich Mensch und Maschine irgendwann vereinen werden. (Bild: TEDYouTube) Tech-Pionier Ray Kurzweil glaubt, dass sich Mensch und Maschine irgendwann vereinen werden. (Bild: TED/YouTube)

In unserer Zeit gibt es so einige Tech-Visionäre. Einige davon sind weltbekannt, wie Bill Gates, andere stehen weniger im Rampenlicht. Zu diesen gehört Ray Kurzweil (auch, wenn er weit davon entfernt ist, unbekannt zu sein).

Ray Kurzweil hat im Sommer ein neues Buch veröffentlicht: The Singularity is Nearer (auf Deutsch: Die nächste Stufe der Evolution).

Laut dem Google-Experten wird die künstliche Intelligenz die menschliche Intelligenz 2045 übersteigen, was gemeinhin als technologische Singularität verstanden wird.

Im Rahmen des Buches stellt Kurzweil einige Thesen auf:

  • Technologie wird Verstorbene zurückholen (digital wie biologisch)
  • Menschen werden millionenfach schlauer
  • Unsterblichkeit beginnt ab 2030
  • Leben wird einfacher und günstiger
  • In Entertainment werden wir Inhalte »fühlen«

Bevor wir diese neuen Thesen ausführen können, muss eine Frage geklärt werden: Wer ist Ray Kurzweil und warum trifft er solche abstrakten Aussagen?

Disclaimer: Auch wenn sich manche Voraussagen des Mannes bewahrheitet haben, sind die neuen Vorhersagen von Ray Kurzweil mit Vorsicht zu genießen, da sie so ambitioniert wie kontrovers ausfallen. Sie lesen sich wie Science Fiction – und bis sie sich womöglich bewahrheiten könnten, bleiben sie das auch.

Wer ist Ray Kurzweil?

Ray Kurzweil wurde 1948 in Queens, New York, als Sohn österreichischer Auswanderer geboren. Er gilt als Pionier der optischen Texterkennung, Spracherkennung und des Keyboards.

  • Nach seinem Studium hat Kurzweil die »Kurzweil Reading Machine« erfunden, die Sehbehinderten den Zugang zu herkömmlichen Text ermöglichte, indem sie Gedrucktes in akustische Signale umwandelte.
  • Das führte zu einer Freundschaft mit dem Musiker Stevie Wonder. In Zusammenarbeit haben die beiden das Kurzweil K250 auf den Markt gebracht, den ersten Synthesizer, der hochqualitative elektronische Töne abspielen konnte.
  • Bereits 1990 veröffentlichte Kurzweil das Buch The Age of Intelligent Machines (dt. »Das Zeitalter der intelligenten Maschinen«) und stellte einige steile Thesen in Zusammenhang mit KI auf.
  • Kurzweil ist bekennender Transhumanist und einer der größten Vertreter der Transhumanismus.
KI-generierter Inhalt

Was ist »Transhumanismus«?

Transhumanismus ist eine philosophische und technologische Bewegung, die darauf abzielt, den menschlichen Zustand durch den Einsatz von Technologien zu verbessern. Dazu gehören genetische Modifikationen, künstliche Intelligenz und Cybernetik.

Seit 2012 arbeitet Ray Kurzweil als Director of Engineering bei Google. Bereits 2005 bezeichnete Bill Gates den Mann als »führenden Experten im Bereich der Künstlichen Intelligenz« (CNN).

Kurzweils Voraussagen in der Vergangenheit

Der Tech-Experte trifft seit vielen Jahrzehnten Voraussagen über technische Entwicklungen und traf dabei nicht selten ins Schwarze. Viele seiner Vorhersagen stützen sich auf Moore’s Law, einem Gesetz der Computertechnik.

Das ist Moore’s Law: Das Moorsche Gesetz wurde von Gordon Moore, dem Co-Gründer von Intel, 1965 aufgestellt. Es besagt, dass sich die Transistoren auf einem Mikrochip etwa alle zwei Jahre verdoppeln, wodurch die Rechenleistung von Computern exponentiell steigt.

Hier sind einige Aussagen von Kurzweil, die sich im Verlauf der Zeit als korrekt herausgestellt haben:

  • In den frühen 1990er Jahren sagte er voraus, dass Menschen in Zukunft smarte Waffensysteme einsetzen werden wie Drohnen, um Feinde aus der Entfernung und selbstgesteuert angreifen zu können.
  • Zur selben Zeit sagte Kurzweil, dass Sprachsysteme ein immer größeres Vokabular entwickeln werden, was mit Sprachassistenten wie Siri oder Alexa bereits eingetreten ist.
  • Gegen Ende der 1990er Jahre sagte der Tech-Experte, dass Dokumente häufig nicht mehr auf Papier existieren werden, sondern weitestgehend digital.
  • Kurzweil behauptete, dass der Weltmeister im Schach in den 2000ern ein Computer sein werde, was bereits 1997 eingetreten ist.
  • Für 2009 sagte Kurzweil voraus, dass PCs verschiedene Größen haben werden, sodass sie in Schmuck passen und wie dünne Bücher aussehen. 2007 erschien das iPhone und bestätigte seine Aussage; 2023 wurden smarte Ringe angekündigt, die heute in der Realität angekommen sind.

Auch wenn Kurzweils Vorhersagen laut ihm in sage und schreibe 86 Prozent der Fälle korrekt sein sollen, hat er bereits öfter daneben gelegen.

  • Als die Stimmerkennungssoftware Dragon Dictation 2009 erschien, war Kurzweil überzeugt, dass Sprache-zu-Text im Hier und Jetzt angekommen war. Wir tippen immer noch hauptsächlich Nachrichten auf unseren Handys.
  • 1999 sah Kurzweil selbstfahrende Autos im Jahr 2009 auf intelligenten Straßen fahren. Auch im Jahr 2024 nehmen die allermeisten von uns das Lenkrad noch selbst in die Hand.
  • Für 2009 sagte Kurzweil ebenfalls voraus, dass Telefone unterschiedliche Sprachen automatisch übersetzen. Das stimmt nicht, auch wenn Übersetzungen auf unseren Smartphones mit Apps problemlos möglich sind, nur nicht als Sprache-zu-Sprache.

Wollt ihr eine Liste sehen, welche die meisten der Vorhersagen aufführt, schaut in diesem Reddit-Thread vorbei.

Widmen wir uns nun einigen neuen Voraussagen, die der Tech-Experte in diesem Jahr getroffen hat.

Kurzweils neue Vorhersagen

Im Rahmen seines neuen Buches hat Ray Kurzweil wieder allerhand Aussagen vom Stapel gelassen, die auf den ersten Blick haarsträubend klingen. Einige davon lest ihr auf DailyMail.

Technologie wird Verstorbene auferstehen lassen

Kurzweil glaubt, dass KI die Toten »zurückbringen« kann. Zunächst in Form von Simulationen, dann sogar in physischer Form. Er selbst habe eine digitale Replika seines eigenen Vaters erstellt, indem er einer KI Briefe, Essays und Musikkompositionen speiste.

In seinem aktuellen Buch schreibt er:

Durch unsere digitalen Aktivitäten schaffen wir bereits jetzt enorm umfangreiche Aufzeichnungen darüber, wie wir denken und was wir fühlen. [...] Und in diesem Jahrzehnt werden sich unsere Technologien zur Aufzeichnung, Speicherung und Organisation dieser Informationen rasch weiterentwickeln.

Klickt ganz wie die Folge »San Junipero« aus der Sci-Fi-Serie Black Mirror, in der alternde Menschen ihren Geist in eine Cloud hochladen und ihre Jugend erneut erleben.

Gegen Ende des aktuellen Jahrzehnts erwartet Kurzweil »hoch realistische«, nicht-biologische Nachbildungen von Menschen. Darüber hinaus glaubt er, dass diese Replikanten in »kybernetisch verstärkten biologischen Körpern untergebracht werden, die aus der DNA der ursprünglichen Person gezüchtet wurden«.

Ab 2040 geht der Transhumanist noch einen Schritt weiter. Dann, so Kurzweil, werden Menschen zu künstlichen Körpern übergehen, die fortschrittlicher sind als unsere. Ach ja, und Personen kopieren soll auch möglich sein.

In der Folge San Junipero der Netflix-Serie Black Mirror erleben Personen ihre Jugend wieder. (Bild: Netflix) In der Folge San Junipero der Netflix-Serie Black Mirror erleben Personen ihre Jugend wieder. (Bild: Netflix)

Unsterblichkeit beginnt 2030

Angeblich soll die Gesundheitswissenschaft in den nächsten Jahren so große Sprünge machen, dass der Mensch seine eigene Sterblichkeit aussetzen können wird. Auch das führt Kurzweil auf Künstliche Intelligenz zurück.

2030 werden laut Kurzweil biologische KI-Simulatoren klinische Studien in Stunden statt in Jahren durchführen, was zu neuen Medikamenten und Langlebigkeitsbehandlungen führen wird. Nanobots sollen unsere Körper langfristig in Schuss halten.

Das langfristige Ziel sind medizinische Nanoroboter. Diese werden aus diamantförmigen Teilen mit eingebauten Sensoren, Manipulatoren, Computern, Kommunikatoren und möglicherweise Energiequellen hergestellt.

Menschen werden millionenfach schlauer

Wie seine erste Voraussage vermuten lässt, glaubt der Tech-Experte daran, dass Menschen und Maschinen sich irgendwann vereinen werden.

Er nennt es »die fünfte Epoche der Intelligenz« (fifth epoch of intelligence). Ausgelöst werden soll das durch KI, die auf demselben Level wie menschliche Intelligenz agiert (also technische Singularität) und Gehirnchips – und diese gibt es bereits: Neuralink.

Doch nicht die Chips allein sollen uns schlauer machen.

Eine Schlüsselfähigkeit in den 2030er Jahren wird darin bestehen, die oberen Bereiche unserer Neokortizes mit der Cloud zu verbinden, was unser Denken direkt erweitern wird. Auf diese Weise wird die KI nicht mehr ein Konkurrent, sondern eine Erweiterung von uns selbst sein.

Leben wird einfacher und günstiger

Der Fortschritt der Technologien soll sich nicht nur in abstrakten Superlativen wie unendlichem Leben niederschlagen, sondern auch unser alltägliches Leben erleichtern.

  • Roboter werden Wolkenkratzer bauen mithilfe von 3D-Druckern, welche die Teile kreieren.
  • Sonnenenergie soll deutlich günstiger durch Durchbrüche in der Fotovoltaik werden.
  • Erfolge in der Robotik würden laut Kurzweil dafür sorgen, Ressourcen und Rohmaterialien leichter und effizienter abzubauen.

Laut Aussage des Buchautors wird es in den 2030er Jahren relativ erschwinglich sein, auf einem Niveau zu leben, das heute als luxuriös gilt.

In Entertainment werden wir Inhalte »fühlen«

Im Zuge der gesundheitlichen Verbesserungen sieht Kurzweil voraus, dass unsere Gehirne durch Nanotechnologie soweit verbessert werden, dass die Entertainment-Branche neue Wege findet, uns zu unterhalten.

Kurzweil sagt, dass Entertainment schließlich »jeden Gedanken von jemandes Kopf in euren« übertragen wird.

Er sagt sogar, wie das vonstattengehen soll: durch harmlose nanoskalige Elektroden, die über die Blutbahn in das Gehirn eingeführt werden.

Folgendes Zitat aus dem Buch geht ebenfalls auf die Fusion von Mensch und Maschine zurück und trifft auch auf Unterhaltung zu:

Befreit von der Umklammerung unseres Schädels und verarbeitet auf einem Substrat, das millionenfach schneller ist als biologisches Gewebe, wird unser Verstand in die Lage versetzt, exponentiell zu wachsen und letztlich unsere Intelligenz millionenfach zu erweitern.

Wollt ihr Ray Kurzweil live sprechen hören, schaut euch dieses Panel der Super Nova Conference in Antwerpen von 2018 an, in dem er viele seiner vorherigen Voraussagen reevaluiert.

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Schlussendlich bleiben Kurzweils Aussagen kontrovers, zumal er als Anhänger des Transhumanismus der technischen Entwicklung positiv gegenübersteht. Ihm wird entgegengehalten, dass eine solche Entwicklung allerdings auch mit negativen Konsequenzen verbunden sein könnte.

Falls ihr euch seine aktuellen Theorien selbst genauer ansehen wollt, könnt ihr das tun: Ray Kurzweils Buch Die nächste Stufe der Evolution gibt es auch auf Deutsch.

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