Der weltweit größte Eisberg schwimmt aktuell wieder und nimmt wie eine frostige XXL-Flaschenpost Kurs auf die antarktische Zirkumpolarströmung. Denn der Riese hat bereits einiges erlebt und erzählt bereits seit 1986 seine Geschichte vom ewigen Eis.
Damals brach er vom sogenannten Filchner Eisschelf ab. Nach einem langjährigen Boxenstopp im Weddellmeer löste sich die Eismasse kürzlich vom Meeresgrund. Jetzt scheint das letzte Kapitel im Lebenszyklus des Eisbergs angebrochen zu sein. Doch von Anfang an.
Die Geburtsstunde eines Eisriesen
Es ist nichts Ungewöhnliches, dass sich immer wieder riesige Eisberge aus den Polarregionen lösen. Jedoch beschleunigt der Klimawandel das Abschmelzen des Schelfeises.
Große Abbrüche gab es nicht nur vor mehreren Jahrzenten wie im Falle des A23a (1986) – auch in jüngster Vergangenheit löste sich laut dem deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt DLR im Januar 2023 ein riesiges Stück vom Brunt-Schelfeis. Mit 1550 Quadratkilometern ist dieses Bruchstück so groß wie London – aber immer noch ein gutes Stück kleiner als A23a.
Fast doppelt so groß wie Luxemburg: Dieser Gigant driftet wieder
Denn der A23a überragt das Bruchstück laut Focus Online mit seiner 4000 Quadratkilometer großen Eismasse bei Weitem. Luxemburg mit 2586,4 Quadratkilometern Fläche findet also fast zweimal Platz auf dem Rücken des Eisriesen.
So massiv sieht er übrigens auf seinem Satellitenbild von 2020 aus:
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Seit mittlerweile 37 Jahren ist der Eisberg A23a jetzt von seinem ursprünglichen Schelf losgelöst. Seine erste Reise endete allerdings sehr schnell im Weddellmeer, wo er auf Grund lief und sich verhakte. Die enorme Größe und die Eisdicke von bis zu 400 Metern ließen ihn dort für eine lange Zeit stranden.
Kuriose Geschichte: Zum Zeitpunkt des Abbruchs befand sich die sowjetische Forschungsstation Druzhnaya-1 auf dem A23a. In einer eiligen Rettungsmission entsandte Moskau damals ein Schiff, das die Station entdeckte. Später wurde gerettetes Equipment zur zuvor gebauten Forschungsstation Druzhnaya-3 ausgeflogen.
Deshalb bewegt sich der A23a nach über drei Jahrzehnten wieder
Laut Dr. Daniela Jansen, einer Geophysikerin und Expertin auf dem Gebiet Glaziologie vom Alfred Wegener Institut (AWI), hat die erneute Reise einen einfachen Grund:
Auch wenn das Wasser im Weddellmeer sehr kalt ist, schmilzt der Eisberg an der Unterseite. In den fast vierzig Jahren, die er nun dort lag, ist er deshalb stetig dünner geworden und letztendlich wieder aufgeschwommen. Er ist Strömungen und Bewegung von Meereis ausgesetzt gewesen. Wahrscheinlich war es jetzt einfach soweit.
Jetzt scheint sich A23a mit einer gewissen Gemütlichkeit losgerissen zu haben. Der Koloss bringt rund eine Billionen Tonnen auf die Waage und ist dementsprechend nicht der Schnellste. Aktuell schafft er laut Focus Online 5 Kilometer. Allerdings nicht pro Stunde, sondern pro Tag.
Wie die meisten Eisberge aus dem Weddellmeer driftet er aktuell in Richtung der sogenannten Eisbergbahn. Zu diesem Schluss kommt zumindest das Magazin Spektrum.de. Dabei ist die Rede vom sogenannten antarktischen Zirkumpolarstrom.
Stellt euch diese wie eine gigantische Umgehungsstraße vor, die sich ringförmig um die Antarktis zieht. Für alle Zahlennerds: Das Transportvolumen dieser Strömung beträgt 100 bis 150 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde.
Ist seine Endstation der Friedhof für Eisberge?
Sollte sich die Vermutung vom Magazin Spektrum bewahrheiten, könnte er irgendwann auf dem Friedhof der Eisberge enden. So wird die Region vor einer kleinen Insel mit dem Namen South Georgia im Südatlantik genannt.
Auf dem Weg dorthin wird er vermutlich immer weiter in kleinere Stücke zerbrechen und dann vor der Insel final abtauen. Denn um die Insel existiert ein 50 Kilometer breites Kontinentalschelf, das die Eisberge abfängt. Vielleicht endet seine Reise so, wie sie gestartet ist: In einem Schelf.
Deshalb schmelzen Eisberge vor der Insel schneller: Sollte der Eisberg dann vor South Georgia auf Grund laufen, wird er sich relativ schnell auflösen. Das liegt daran, dass Gezeitenströme das kühlende Schmelzwasser schnell abtransportieren, was den Schmelzprozess beschleunigt.
Der Eisberg wird somit instabil und bricht. Dadurch vergrößert sich gleichzeitig die Kontaktfläche mit dem wärmeren Ozean und das Schmelzen beschleunigt sich weiter. Damit schließt sich der Kreis der Eisbergwanderung.
Ziemlich makaber: Diese letzte Reise könnte auch tödliche Folgen für die dortige Tierwelt bedeuten. Der Eisberg A38-B traf auf die Küste, in dessen Folge eine Vielzahl der beheimateten Tiere verhungerten. Die Eismassen verstopften lokale Strömungen und somit den Zugang zu Nahrungsquellen, sodass Krillschwärme nicht in Küstennähe gelangten.
Übrigens: Tafeleisberge - wie groß Eisberge aufgrund ihrer Form noch genannt werden - haben es laut Dr. Jansen sogar schon bis nach Neuseeland geschafft. Die Form dieser Eisberge sind meist dünne, riesige Eisplatten mit einem Länge-Dicke-Verhältnis von 100:1. Sie sehen aus wie riesige Tischplatten, was auch den Namen begründet: Tafel.
Ein Eisbruch
wäre nicht zwingend ein Beinbruch
Falls der Eisberg auf seinem Weg zerbrechen sollte, birgt das natürlich immer ein gewisses Risiko für die Schifffahrt. Laut Dr. Jansen ist die Technik zur Erfassung von Eisbergen inzwischen relativ ausgereift:
Die Abdeckung mit Satellitendaten ist räumlich und zeitlich mittlerweile sehr gut. Radarsatelliten wie der europäische Satellit Sentinel 1 können den Eisberg auch abbilden, wenn Wolken vorhanden sind. Daher gehe ich davon aus, dass die Informationslage gut sein wird, wenn der Eisberg zerbricht.
Einen positiven Aspekt hat so eine Eisbergwanderung: Zwar könnte das Eintreffen von Eismengen die Tier-Populationen von South Georgia gefährden - laut Dr. Jansen bringen solche Eisbergwanderungen manchmal auch etwas Gutes mit sich:
Es wurde mal in Betracht gezogen, dass die Eisberge aufgrund ihres stetigen Schmelzens während der Drift einen düngenden Effekt haben, da die im Eis eingeschlossenen Sedimente und Staubteilchen Nährstoffe enthalten können, die z. B. für Algen wichtig sind. Diese Nährstoffe sind im Südlichen Ozean sonst eher rar.
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Was denkt ihr über diesen Eiskoloss? Findet ihr Eisberge faszinierend? Habt ihr schon einmal auf einem Video beobachten können, wie so ein Eisberg kalbt, also abbricht? Habt ihr schon einmal vom Friedhof der Eisberge gehört? Schreibt uns gerne in die Kommentare.
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