Das dürftigste Unter-Genre der Spielegeschichte sind, vielleicht abgesehen von den Box-Managern, die Fernsehspiele. Mad TV 2 (1996) war Grütze, TV Star (2001) unter aller Kanone, Prime Time (2006) ein trauriges Stück Software. Kein Wunder, dass sich kaum noch jemand am Genre versucht. Dabei müsste man eigentlich nur eines tun: das perfekte Spiel neu auflegen. Das gibt’s nämlich seit 18 Jahren, es heißt Mad TV (siehe Kasten). Die augenzwinkernde Simulation eines Fernsehsenders ist bis heute der einsame Star seiner Klasse, unerreicht in Qualität und Spielspaß. Möglicherweise nicht mehr lang, denn das Münchener Studio Realmforge (Ceville) versucht das längst Überfällige: Mad TV braucht einen würdigen Nachfolger! Und der läuft unter dem Arbeitstitel M.U.D. TV.
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Warum »Mud« statt »Mad«?
Dass das Realmforge-Spiel momentan M.U.D. TV heißt, hat Lizenzgründe: Die Rechte am Oldie Mad TV liegen inzwischen bei THQ, das Team verhandelt darüber, ob man den Originalnamen hierzulande nutzen darf. Aber auch »Mud« ist mit Sinn gewählt, denn die Abkürzung steht für »Mad Ugly Dirty« -- eine Verbeugung vor einem anderen deutschen Spieleklassiker, Mean Ugly Dirty Sports (M.U.D.S., 1990).
Trotz des brachialen Namens geht’s in der frisch gegründeten Minianstalt aber erst mal geruhsam los, die Startaufgabe dreht sich um die Kernfrage jedes Fernsehschaffenden: Was senden? Von 15:00 Uhr bis 0:00 Uhr läuft in M.U.D. TV das Programm, dann hocken landesweit acht Zielgruppen vor der Mattscheibe und wollen berieselt werden. Hausfrauen sitzen mit großen Augen vor Kochshows und zappen bei Sci-Fi weg, Intellektuelle lieben Doku-Serien, Machos sind bei Action- und Erotikfilmen dabei, bekommen aber Würgkrämpfe, wenn die Blaskapelle in den Musikantenstadl marschiert. Da schalten dann die Rentner zu.
Prinzipiell ist’s abgebrühten TV-Leuten schnurzegal, ob gerade Yuppies oder Nerds mitgucken, Hauptsache möglichst viele. Allerdings sind die Zielgruppen wichtig für die Werbeindustrie, denn die mag bekanntlich Lollies an Kinder und Autos an Väter verkaufen und nicht umgekehrt. Wenn also zum Beispiel GumStar, ein hochinteressantes Magazin für Kaugummitests, millionenteure Spots in Auftrag gibt, dann will man selbstverständlich Intellektuelle vorm Flimmerkasten sitzen haben und nicht etwa Nerds, Gott bewahre! Weil Werbegeld die Haupteinnahmequelle ist, müssen Fernsehmacher in M.U.D. TV also geschickt mit Zielgruppen und deren Vorlieben und Sehgewohnheiten jonglieren: Nachmittags die romantische Komödie für die Hausfrauen samt Werbung für Schokolade, abends den Krimi für Yuppies, die spät aus der Arbeit kommen.
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