Eigentlich sind Brettspiele bei Familientreffen was Feines. Man kommt zusammen, sitzt am Tisch, wirft sich ein paar Snacks ein und hat eine gute Zeit. Gerade über Weihnachten sehr zu empfehlen! Aber dann geht die alte Leier los: Was sollen wir überhaupt spielen?
Am Ende steht doch wieder Monopoly auf dem Tisch oder noch schlimmer, Mensch ärgere dich nicht. Falls ihr nach ein paar wirklich lohnenswerten Gesellschaftsspielen für die ganze Familie sucht, haben wir hier ein paar Vorschläge aus der Redaktion. Mit diesen Spielen habt ihr garantiert eine bessere Zeit als wenn ihr wieder mal die Schlossallee kauft.
Everdell
Spielzeit: 60 bis 90 Minuten | Spieleranzahl: 2 bis 4 | Verlag: Pegasus Spiele | Preis: 70 Euro
Fabiano Uslenghi: Everdell hat sich in meinem Haushalt in kürzester Zeit zu einem Dauerbrenner entwickelt, der quasi immer griffbereit unterm Wohnzimmertisch liegt. Es macht einfach Spaß, sich in diese Welt zu träumen. Wir tauchen ein in ein märchenhaftes Waldreich, rund um den ewig grünen Immerbaum. Hier leben Mäuse, Eichhörnchen, Schildkröten oder Igel in wundervollen kleinen Häuschen und gehen ihrem Tagewerk nach. Dabei sind sie äußert eifrig zugange, denn der Winter naht und es bleiben nur vier Spielrunden oder eben Jahreszeiten, um sich darauf vorzubereiten. Die erste davon ist der Spätwinter, dann kommt der Frühling, der Sommer und schließlich der Herbst.
Mit jeder Jahreszeit kommen neue Arbeiter hinzu, die ich als Bürgermeister meiner eigenen kleinen Waldsiedlung clever verteilen muss. Will ich lieber Kiesel sammeln? Oder braucht es auf jeden Fall ein paar Stöcke. Vielleicht plane ich aber auch, ein großes Fest auszurichten oder gehe einer ganz besonderen Aufgabe nach. Dafür werden immer Arbeitskräfte benötigt, gehen mir die Figürchen aus, kann ich noch mit den erbeuteten Ressourcen neue Häuser bauen oder Waldbewohner einziehen lassen, bevor ich die Jahreszeit wechsel und alle Arbeiter wieder nach Hause kommen.
Das Setting allein eignet sich schon für das familiäre Beisammensein und ich rate auch dazu, nebenbei ein wenig märchenhafte Musik zu spielen. Doch auch die Komplexität trifft für meinen Geschmack genau das richtige Maß. Es ist nicht komplett stupide, man muss schon ein wenig Grips bemühen, aber man wird auch nicht von Regeln erschlagen, sondern kann relativ flott loslegen. Preislich liegt es etwas weit oben, dafür gibt es aber ein paar schöne handfeste Ressourcen, die klein wie groß noch tiefer in die Welt ziehen.
Castles of Burgundy
Spielzeit: 60 bis 90 Minuten | Spieleranzahl: 2 bis 4 | Verlag: Ravensburger / Alea | Preis: 40 Euro
Heiko: Castles of Burgundy von Stefan Feld ist ein echtes Phänomen. Kein anderes Brettspiel dieser Gewichtsklasse kommt bei mir häufiger auf den Tisch. Ganz einfach, weil es in jeder Konstellation funktioniert. Es macht zu zweit genauso viel Spaß wie zu dritt oder viert. Es gefällt Einsteigern genauso gut wie Hardcore Boardgamern. Es holt die Fans von Konfrontation ebenso ab wie diejenigen, die entspannt vor sich hintüfteln wollen.
Im Kern geht es darum, dass ihr euer eigenes Fürstentum errichtet. Dazu kauft ihr aus einem zentralen Depot Dorfgebäude, Klöster, Viehweiden, Schiffe und Burgen, die ihr anschließend in eurer Grafschaft platziert, um Punkte zu sammeln. Jedes platzierte Gebäude liefert euch dabei andere Vorteile. Schiffe lassen euch in der Zugreihenfolge vorrücken und Waren verkaufen, Banken geben Geld, Viehweiden liefern direkt Punkte abhängig davon, wie viele Tiere ihr bereits aus der gleichen Gattung am Start habt.
Zwei Einschränkungen machen daraus ein wundervolles Puzzle: Zum einen habt ihr pro Zug nur zwei Aktionen, die zudem von euren zwei geworfenen Würfeln bestimmt werden. Würfelt ihr eine 6, dürft ihr also nur vom Depotfeld mit der 6 ein Gebäudeplättchen nehmen und nur auf Fürstentumfeldern mit der 6 ein Gebäude platzieren. Zum anderen müssen Gebäude im Fürstentum immer an bereits platzierte anschließen. Komplett festgelegt seid ihr dabei jedoch nicht, weil ihr mit Arbeitern den Würfelwert nach oben oder unten anpassen dürft. Aber auch die müsst ihr euch natürlich erstmal organisieren.
In der Theorie klingt das deutlich komplizierter, als es sich in der Praxis spielt, eben weil ihr pro Zug nur zwei Dinge tun könnt und an eure Würfelwürfe gebunden seid. Wer mit Die Siedler von Catan klarkommt, hat meinen Erfahrungen nach auch mit Castles of Burgundy keine größeren Probleme und versteht die Zusammenhänge und Kniffe vor allem direkt beim Spielen.
Trotzdem fühlt ihr euch nie eingeschränkt, sondern werdet in jedem Zug vor spannende Entscheidungen gestellt: Ich könnte endlich meine Viehweide vervollständigen. Aber wenn ich das tue, schnappt sich meine Frau garantiert die Burg aus dem Depot. Oder sollte ich mir doch lieber Arbeiter sichern, damit ich im nächsten Zug flexibler bin?
Egal was ihr macht: Ihr werdet in jedem Zug kleine Erfolgserlebnisse feiern, weshalb Castles of Burgundy eines der seltenen Spiele ist, das selbst beim Verlieren Spaß macht. Die standardmäßig erhältliche Jubiläumsedition enthält zudem unterschiedlich schwierige Fürstentümer, sodass auch Anfänger eine Chance gegen Profis haben.
Zum Abschluss noch ein kleiner Tipp eines Brettspiel-Snobs: Von Castles of Burgundy gibt es auch eine deluxifizierte Special Edition von Awaken Realms (Tainted Grail, Nemesis), die ihren Aufpreis wirklich wert ist, so ihr sie im Handel ergattern könnt.
Paleo
Spielzeit: 45 bis 60 Minuten | Spieleranzahl: 2 bis 4 | Verlag: Hans im Glück | Preis: 35 Euro
Peter Bathge: Paleo ist steinalt? Ne, Steinzeit-alt! Auch drei Jahre nachdem das kooperative Brettspiel als Kennerspiel des Jahres ausgezeichnet wurde, ist es für mich immer noch eine Empfehlung wert. Gerade an den Tagen rund um Weihnachten, wenn ich mit der Familie zusammen bin und keine Lust auf die üblichen »Du Würfelschwein!«-Wutanfälle bei Risiko habe.
In Paleo geht’s dagegen sehr friedlich zu, nur Mammuts und Säbelzahntiger müssen dran glauben. Die werden im Team erledigt, während zwei bis vier Spieler ihren Stamm an Steinzeitmenschen vergrößern, Nahrung sammeln und den ständig auf sie einprasselnden Gefahren ausweichen.
Das Survival-Feeling wird mit Würfeln und Karten erzeugt. Auch das Videospiel-typische Crafting ist dabei, schließlich wollen Zelte und Werkzeuge hergestellt werden. Dank unterschiedlicher (kombinierbarer) Szenarien lässt sich die Schwierigkeit beliebig anpassen. Insgesamt ist Paleo aber etwas anspruchsvoller als die meisten Brettspiele.
Mythic Battles: Ragnarök
Spielzeit: 60 bis 90 Minuten | Spieleranzahl: 2 bis 4 | Verlag: Monolith | Preis: ~140
Nele Wobker: Eigentlich war die Ansage, dass wir Spiele für die ganze Familie nennen sollen. Doch irgendwie waren nach »eure Empfehlungen für Brettspiele« die Schotten bei mir dicht, denn ich habe lange auf diesen Moment gewartet. Also griff ich nach meiner Bartaxt und rannte erstmal los, um euch dieses grandiose Spiel nahezulegen.
Mythic Battles: Ragnarök war ursprünglich Teil einer Kickstarter-Kampagne, ist inzwischen aber auch in regulären Shops erhältlich. Wie der Name bereits impliziert, stellen wir uns unseren eigenen Heldentrupp, bestehend aus nordischen Gottheiten zusammen und lassen diese auf fantastischen Schlachtfeldern gegeneinander antreten.
Die meisten Shops zeichnen die empfohlene Altersgruppe mit »ab 14 J.« aus. Bis auf die Tatsache, dass es das Spiel nur auf Englisch und Französisch gibt, fallen mir aber keine Gründe ein, weshalb man es nicht auch mit jüngeren Kindern spielen können sollte. Ich bin selbst so ein Spielkind und mag es, wenn diese dicken, epischen Brettspiele mit großen Figuren zum Anfassen und Bemalen kommen. Das ist bei Mythic Battles: Ragnarök der Fall.
Die UVP liegt bei 180 Euro, die meisten Händler bieten es aber wesentlich günstiger an. Ach ja, und der Preis bezieht sich nur auf das Grundspiel, inklusive aller Stretch Goals. Es gibt mehrere Zusatzpakete, die jeweils zwischen 25 und 55 Euro kosten, darunter Ymir, Surt, Asgard, Ragar Saga, Jormungand und Nidhogg.
Mir als Wikinger-Fan geht dabei natürlich das Herz auf und ich habe alle diese Zusätze gekauft. Es gibt aber auch ein Add-On mit griechischen Göttern. Mit diesen Inhalten bekommen wir nicht bloß mehr Figuren, sondern auch neue Schlachtfelder und Kampagnen. Allerdings kann man auch mit dem Grundspiel alleine lange Zeit viel Spaß haben.
Dass ich dieses tolle Spiel rund um nordische Mythologie besitze, tröstet mich auch ein wenig darüber hinweg, dass ich die Gamefound-Kampagne zu Valheim: The Board Game, die am 10. Dezember endete, verpasst habe.
Scout
Spielzeit: 15 bis 20 Minuten | Spieleranzahl: 3 bis 5 | Verlag: Oink Games | Preis: Ca. 20 Euro
Felix Rick: Die Kollegen stellen euch ja schon ein paar Spiele vor, die ein bisschen mehr Fleisch auf den Rippen haben. Bei mir fängt ein Brettspielabend aber meist mit etwas leichterer Kost an und da hat sich über die Jahre Scout
bewährt. Das Kartenspiel ist super schnell zu lernen, was gerade im Kreise der Familie wichtig ist, wo eventuell nicht jeder so tief in der Brettspielmaterie drin steckt. Und wir alle wissen, dass ein Brettspielabend ganz schnell vorbei sein kann, wenn Mitspieler schon von den Regeln erschlagen werden.
Scout ist ganz simpel. Ihr bekommt Karten ausgeteilt, die von 1 bis 10 nummeriert sind und müsst sie dann loswerden. Wer keine Karten mehr hat, gewinnt. Jemand spielt eine Karte aus und die müsst ihr dann mit einer höheren Zahl übertrumpfen. Ihr könnt aber auch zwei oder drei oder noch mehr Karten ausspielen. Dann muss die Zahlenreihenfolge aber aufsteigend oder absteigend sein oder aus gleichen Zahlen bestehen.
Das wird dann natürlich umso schwerer zu übertrumpfen. Der Clou am Spiel ist allerdings, dass ihr eure Karten, sobald ihr sie auf die Hand nehmt, nicht neu anordnen dürft. Heißt, ihr müsst mit den Zahlen so leben, wie sie euch gedealt wurden. Die einzige Möglichkeit, die ihr habt, ist die Karten, also eure gesamte Hand, am Anfang der Partie zu wenden, denn die Karten haben unten und oben unterschiedliche Zahlen angebracht. Ihr habt in dem Sinne zwei Hände, von denen ihr euch am Anfang für eine entscheidet. Um dann aber eventuell doch lange Straßen aufzubauen, könnt ihr auch gelegte Karten von Mitspielern aufnehmen. Allerdings beschert das dem Kartengeber immer einen Punkt.
Scout ist ein wundervolles Spiel, in dem man plant und taktiert, in der Hoffnung eine größere Straße als die Mitspieler zu legen, die natürlich ihrerseits das Gleiche probieren. Ich kenne kein Kartenspiel, das so kurzweilig ist und immer für packende Stunden sorgen kann, weil die Runden angenehm kurz sind und man einfach nicht aufhören will.
Das sind unsere Empfehlungen, aber wie sieht es bei euch daheim aus? Habt ihr ein Brettspiel liebgewonnen, das ihr immer rund um Weihnachten auspackt oder auch abseits davon gerne mit eurer Familie spielt? Vielleicht tun wir Monopoly auch unrecht und das ist für euch das Familienspiel schlechthin. Schreibt es uns in jedem Fall in die Kommentare, was ihr denkt und selbst empfehlt!
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