Das Schicksal einer Legende ist besiegelt. Die SS United States, 1952 in Newport vom Stapel gelaufen, gelangte während einer kurzen Dienstzeit zu Ruhm als schnellster Ozeanliner der Welt. Das Flaggschiff der Handelsmarine Amerikas wird mehr als 50 Jahre nach ihrer letzten Fahrt am Grunde des Meeres enden: als größtes künstliches Korallenriff der Erde.
Damit geht der Wunsch der Nachfahren des Chefkonstrukteurs Francis Gibbs in Erfüllung: Die Verschrottung wurde verhindert. Aber es platzte zugleich ein langgehegter Traum seiner Familie und der Unterstützer, die die letzten Jahrzehnte um eine Zukunft für das Schiff rangen.
Wir fassen für euch die Geschichte dieses einmaligen Schiffes zusammen. Zudem erklären wir, weshalb das oft aufgrund ihrer zwei riesenhaften Schornsteine nur »The Big U« genannte Schiff bis heute in Teilen Geheimsache ist. Über die Geschehnisse rund um das Schiff berichten unter anderem CBSNews oder NPR.
Geschichte der Extreme: Rekorde, gefolgt von Stillstand
Vom ersten Strich auf dem Millimeterpapier ihres Schöpfers William Francis Gibbs war das Militär mit an Bord. Im Kriegsfall sollte das Schiff als Truppentransporter oder rasch verlegbares Hospitalschiff dienen. Obschon es nie dazu kam, begleitet Geheimhaltung die SS United States bis heute.
Sie bestach zu ihren Hochzeiten abseits ihrer Eleganz vor allem mit überragender Technik. Gigantische Dampfturbinen und vier Propeller trieben das 302 Meter lange Schiff mit bis zu 38 Knoten (71 km/h) durchs Wasser; eventuell im Geheimen sogar noch schneller (via The Speed of the SS United States).
Denn bis heute ist die genaue Antriebsleistung umstritten, aber sie wird wohl die vier- bis fünffache der Titanic besessen haben, bei einer nur um etwa 20 Prozent größeren Masse und etwa 50 Meter mehr an Länge. Aussagen einiger damaliger Offiziersanwärter in einer Fernsehdoku behaupten gar, dass bei Testfahrten die offiziell festgehaltene Rekordgeschwindigkeit um 5 Knoten überboten wurde - also dann glatte 80 Kilometer pro Stunde.
Bereits auf ihren ersten Fahrten im Juli 1952 setzte sie mit Fahrzeiten über den Nordatlantik von nur dreieinhalb Tagen neue Standards; noch nie hatte ein Schiff die Strecke so schnell zurückgelegt. Das Blaue Band des Nordatlantiks als traditionelle Auszeichnung für den Rekordhalter war ihr sicher, und sie erfreute sich auch nach ihrer Jungfernfahrt großer Beliebtheit.
Doch nach nur etwas mehr als einem Dutzend an Dienstjahren endete eine Ära: Stahlflugzeuge wie die Boeing 747 hatten dem Ozeanliner als einstigen Herrscher der Reisen zwischen Amerika und Europa den Rang abgelaufen. Die United States wurde am 14. November 1969 außer Dienst gestellt.
Es folgte eine Zeit der Verwirrung, während der die United States mehrmals den Besitzer wechselte. 1992 lag sie kurz im Istanbuler Hafen, doch aus ihrem dort geplanten Umbau zu einem Kreuzfahrtschiff wurde nichts. Bei ihrem Aufenthalt in Sewastopol in der Ukraine ab 1993 wurde sie fast vollständig entkernt und vom giftigen Brandschutzmittel Asbest befreit. 1996 kam sie schließlich nach Hause. In Philadelphia sollte sie bis Ende 2024 ausharren.
Die SS United States Conservancy, geleitet von Susan L. Gibbs, der Enkelin des Schiffsarchitekten, kaufte das Schiff 2011 mit Spendengeldern. Seitdem planten die Enthusiasten, der Big U eine neue Karriere als Hotel-, Museums- und Kulturschiff zu schenken. Doch es kam anders.
Mehr als nur einmal wandten sie die Verschrottung bloß knapp ab, um schließlich 2024 vor dem Nichts zu stehen. Die Liegekosten am Pier in Philadelphia überforderten die Initiative zusehends, kein Plan in Aussicht, nachdem mehr als ein Dutzend Vorhaben früher oder später in der Planung zerronnen waren. Mehr Informationen zu den Querelen hier bei NPR.
Sie errangen schließlich doch einen halben Triumph, der aber buchstäblich nach Untergang klingt: Versenkung und Aufbau eines kleinen Museums mit Material vom Schiff. Nicht ideal aus Sicht der Retter, aber doch allemal besser, als wenn das Schiff schlicht als Schrott enden würde.
In den kommenden Wochen werden Schlepper die SS United States von ihrem Liegeplatz in Philadelphia an der Ostküste der USA nach Mobile in Alabama am Golf von Mexiko schleppen; eine Strecke von etwa 3000 Kilometer rundherum um Florida. Dort wird sie in einem Dock auf ihre letzte Reise vorbereitet, indem alle umweltgefährdenden Stoffe von Bord geholt werden.
Die eigentliche Versenkung soll etwa zwei Jahre später vor der nahe gelegenen Küste folgen. Das Ende wird in Grazie und weitestgehender Stille ablaufen, da kein Sprengstoff zum Einsatz kommt. Es werden bereits vorhandene Luken geöffnet, sodass der Ozeandampfer langsam vollläuft.
Korallenriffe, ob künstlich oder natürlich, immer praktisch
Korallenriffe sind durch die Klimakrise stark gefährdet, denn je wärmer das Wasser ist, desto schwerer fällt es den Korallen, ihre Kalkstrukturen aufzubauen. Schiffsrümpfe erleichtern künstliche Neuansiedlungen.
Wir brauchen diese einzigartigen Lebensräume, denn sie dienen uns und der Umwelt auf vielerlei Weise:
- Zufluchtsort für ungefähr 4000 Fisch- und 800 Korallenarten
- Große Vielfalt für die Erforschung wichtiger Tiere und Pflanzen
- Regionen für den Fischfang
- Küstenschutz
Mehr Informationen findet ihr zum Beispiel beim ZDF oder hier bei Umweltschützern, die sich auf Riffe spezialisiert haben.
Schiffe bilden laut der aktuellen Forschung zwar keinesfalls einen optimalen Untergrund für neue Riffe. Spezielle Konstruktionen aus Kalkstein haben sich zwar als besser erwiesen, aber ihre schiere Fläche begünstigt das Unterfangen. Irgendwann in den kommenden Jahrzehnten wird demnach eine gänzlich neue Eleganz die Hülle der SS United States zieren.
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