Es ist nicht so, dass ich nicht gerne neue Dinge ausprobiere, im Gegenteil! Ich habe kein Problem damit, auch mal die neue Veggie-Streichcremé aufs Brot zu schmieren oder meinen gepflegten Jungpapa-Wohlstandsbauch statt im Thermalbad im völlig überfüllten Freibad zu präsentieren.
Am Ende des Tages belege ich meine Stulle dann aber doch lieber mit Salami und plansche in der angenehm temperierten Therme, statt mich mit plärrenden Halbstarken ins eiskalte Wasser zu quetschen.
Genau so ist es auch bei The Legend of Zelda. Ich liebe die Reihe seit Kindheitstagen, auch die jüngsten Vertreter Breath of the Wild und Tears of the Kingdom. Beide Spiele haben mit so ziemlich allen Konventionen früherer Spiele gebrochen und viel Neues gewagt. Aber so viel Spaß ich auch in der riesigen Open World hatte, ständig schlich der Gedanke durch meinen Kopf: Ich hätte so gerne wieder ein klassisches Zelda wie Ocarina of Time oder Oracle of Seasons/Ages!
Jetzt wird mein Traum endlich wahr! Und gleichzeitig stellt das am 26. September 2024 erscheinende Echoes of Wisdom in vielerlei Hinsicht einen riesigen Sprung nach vorn dar. Davon konnte ich mich in einer rund 90-minütigen Anspiel-Session bei Nintendo vor Ort überzeugen.
Die Prinzessin sitzt im Knast und ich find's klasse
Zehn Minuten, nachdem ich den Switch Pro Controller in die Hand nehme, schmerzt mein Gesicht. Aber nicht, weil die Jungs bei Nintendo böse austeilen, sondern weil ich vor lauter Dauergrinsen Muskelkater bekomme. Echoes of Wisdom fängt wunderbar Zelda-untypisch an und schleudert mich sofort ins Geschehen. Ich bin wieder in Hyrule. Ich bin zu Hause!
Prinzessin Zelda sitzt jedoch im Gefängnis. Sie wird eines Verbrechens beschuldigt, das sie nicht begangen hat und mit den in ganz Hyrule aufgetauchten Weltrissen in Verbindung steht. Überall werden ganze Landstriche mitsamt der dort lebenden Menschen ins Nichts gezogen. Prominentestes Opfer: Link, der Held fast aller anderen Zelda-Spiele!
Einfach in der Zelle hocken und warten, dass ihr Retter anrückt, ist diesmal nicht möglich. Die tapfere Zelda bricht also kurzerhand aus dem Knast aus und rettet selbst die Welt - und ich helfe ihr dabei!
Größte Spielspaß-Innovation: der Stab der Weisheit. Den bekommt Zelda von der Fee Tri, die mir als Ratgeber zur Seite steht (keine Sorge: ohne Hey, Listen!
). Mit dem Stab kann Zelda sogenannte Echos erschaffen. Das sind Kopien von Gegenständen und sogar Wesen, die ich einmalig erlernen muss und dann herbeizaubern kann, um Rätsel zu lösen oder mich im Kampf zur Wehr zu setzen.
Ich muss mit einem Hocker, einer Kiste und einem Krug aus dem Gefängnis entkommen. Das ist nicht nur unfassbar spaßig, sondern beseitigt auch binnen Minuten eine meiner größten Sorgen im Vorfeld: Nein, Echoes of Wisdom ist nicht zu anspruchslos. Alle paar Minuten werde ich vor kleine Kopfnüsse gestellt. Wie komme ich an den Wachen ungesehen vorbei? Wie erreiche ich das Fenster hoch oben?
Noch dazu steckt Zelda nur zwei, drei gegnerische Treffer weg, ehe sie aus den Latschen kippt. Alles in allem ist es weniger der Anspruch, sondern der Fokus, der sich in Echoes of Wisdom verschoben hat. Statt mit dem Schwert löse ich Probleme mit meinem Verstand und das passt perfekt zu Zelda als Charakter.
Genau so mixt man Tradition und Innovation!
Aber ist das noch Zelda?
Ich höre eure bange Frage, ich habe sie mir oft genug selbst gestellt. Wer die nächste Alles-muss-anders-Aktion à la Tears of the Kingdom befürchtet, kann aufatmen. Echoes of Wisdom versprüht mit jedem Pixel den Charme früherer NES/SNES- und Handheld-Abenteuer der Marke A Link to the Past, Link's Awakening und A Link Between Worlds.
Ach, komm, ich möchte euch jubeln hören: Klassische Dungeons sind am Start! Wie umfangreich und optisch vielfältig diese im späteren Spielverlauf sind, vermag ich noch nicht zu sagen. Ich habe in meinen rund 90 Minuten den ersten Dungeon gespielt und der war schon mal deutlich länger und kniffliger, als ich es von anderen ersten Tempeln in Zelda-Spielen gewohnt bin.
Auch im Dungeon muss ich mithilfe der Echos vorankommen. Außerdem schalte ich die zweite Fähigkeit meiner Fee Tri frei, nämlich Einklang
. Der Name ist Programm: Ich kann Gegenstände wie etwa große Felsbrocken an meine Bewegungen binden und damit Hindernisse aus dem Weg räumen oder mir neue Wege kreieren. Nur so gelange ich im ersten Dungeon des Spiels an die schön nostalgische Karte.
Und am Ende wartete ein stimmiger Bosskampf auf mich, den ich mit meinem Schwert zerlege. Moment, Schwert? Habe ich nicht die letzten Minuten davon geschwärmt, dass Zelda ohne Waffen zu Werke geht? Stimmt auch, aber die Entwickler des japanischen Studios Grezzo haben sich einen Kniff überlegt, wie sie doch eine Prise mehr Action in die Kämpfe bringen.
Auf Knopfdruck wird Zelda nämlich von Links Geist beseelt und teilt dann in bester Manier mit dem Schwert aus, kann höher hüpfen und natürlich auch mit dem Schild blocken. Diese Verwandlung leert aber in Windeseile einen speziellen Energiebalken, der sich nur langsam wieder füllen lässt. Ich muss also stets gut überlegen, ob sich der Einsatz des Schwertkampf-Modus lohnt oder ich es doch anders versuche.
Der Traditionalist in mir wird also schon mal glücklich. Aber auch der Teil von mir, der sich das Veggie-Brot schmiert und im Freibad friert, ist mehr als zufrieden. Denn Echoes of Wisdom fühlt sich trotzdem frisch an, unverbraucht, voller toller Ideen, die ich so als Fan noch in keinem Zelda vorgefunden habe.
Die Echos fungieren als tragende Gameplay-Säule. Ganz Hyrule ist so entworfen, dass ich viele Bereiche der Spielwelt nur dann erreiche, wenn ich meinen Kopf anstrenge und Echos geschickt miteinander kombiniere. Betten lassen sich prima als Treppen aufeinanderstapeln, hohe Vorsprünge erreiche ich dank des herbeigezauberten Trampolins.
Besonders toll: Fast immer habe ich das Gefühl, dass ich eine Situation auch mit anderen Echos hätte lösen können. Das weckt bei mir schon jetzt Vorfreude auf einen zweiten Durchgang in der Zukunft!
Die schier endlosen Möglichkeiten erstrecken sich auch auf den Kampf gegen Monster. Ein Beispiel, auf das ich besonders stolz bin: Ich stoße auf eine Killeranas, eine gigantische … nun ja, Killer-Ananas, die ihre Stacheln ausfährt und auf mich zufliegt. Ich könnte jetzt einfach Fledermäuse oder andere Monster herbeizaubern und das Ungetüm mühsam auf die Matte schicken.
Stattdessen überlege ich erst, bevor ich handle. Den Kopf der Killeranas zieren drei Blätter. Und Blätter können brennen. Hm, ich habe eine Idee! Ich zaubere einen kleinen Feuer-Blob herbei. Der kann normalerweise nicht viel mehr, als in der Gegend herumzuhüpfen. In diesem Fall reicht das aber aus, um die Killeranas in Brand zu setzen. Binnen Sekunden geht das Vieh zu Boden, ich habe nicht einen Treffer kassiert und belohne mich mit einem neuen Echo: der Killeranas! Erzittert vor mir, meine Feinde!
Weitere Momente meiner Anspielsession könnt ihr in diesem Video anschauen, fachgerecht von mir kommentiert:
Es sind Momente wie diese, in denen ich nicht glauben kann, wie durchdacht sich Echoes of Wisdom anfühlt. Alles wirkt in sich stimmig und obwohl die Spielwelt wirklich riesengroß ist (ich schätze das Zwei- bis Dreifache von A Link to the Past), fühlt sich der von mir erkundete Teil Hyrules nie generisch an, sondern wie von Hand mit viel Liebe erbaut.
Dafür spricht auch, dass ich die Welt nicht von Beginn an frei bereisen kann, sondern bestimmte Echos benötige, um voranzukommen und etwa herumliegende Herzteile zu erreichen. Zelda kann auch nicht einfach endlos Echo herbeizaubern und damit alle Probleme lösen. Je mächtiger ein Echo, umso mehr von Tris' Energie verbrauche ich. Das begrenzt meine magischen Möglichkeiten auf glaubhafte Art und Weise.
Ein Wort zur Technik: Das Remake von Link's Awakening auf der Nintendo Switch wurde noch von ständigen Mikrorucklern geplagt, vor allem in der Außenwelt. Echoes of Wisdom nutzt das gleiche technische Fundament, wie sieht es hier aus?
Beim Anspielen ist mir aufgefallen, dass die Bildrate von 60 FPS deutlich stabiler, aber noch immer nicht konstant ist. Ganz aus der Welt geschafft ist das Problem also nicht, es wurde aber spürbar reduziert. Optisch und musikalisch spielt Echoes of Wisdom auf jeden Fall in der Spitzenklasse auf der Nintendo Switch!
Was kann da noch schiefgehen? Ein paar offene Fragen bleiben
Mein Besuch bei Nintendo ist vorbei und ich mag meine Hände nicht vom Controller lösen. Während ich im Zug auf dem Rückweg nach Hause sitze, grübele ich pausenlos darüber, ob ich das eine Herzteil in der Höhle auch anders hätte erreichen können. Und ob ich die Schattengarde irgendwie heroischer hätte besiegen können, statt ohne Unterlass immer wieder drei Fledermäuse auf sie zu hetzen. Und ob ich … ach, ihr versteht, was ich sagen will!
Zelda: Echoes of Wisdom hat das Zeug, ein neuer Meilenstein für die Serie zu werden. Das Spiel folgt einem anderen Ansatz als noch die beiden Switch-Vorgänger, die auf viele alte Konventionen verzichtet haben. Echoes of Wisdom holt sogar viele alte Elemente zurück und kombiniert diese auf beeindruckend geschmeidige Art mit neuen Ideen wie den Echos.
Genau hier liegt aber auch der Knackpunkt, den ich nach meiner Anspielmöglichkeit noch nicht beantworten kann: Wie spaßig bleibt das eher langsame Vorgehen mit den Echos im späteren Spielverlauf? Welche Kreaturen und Gegenstände füge ich meinem Portfolio noch hinzu, damit ich nicht irgendwann alle Situationen mit drei, vier eingeübten Kombinationen löse?
Grundsätzlich könnte Echoes of Wisdom nicht das Richtige für euch sein, wenn ihr lieber mit gezücktem Schwert und einem lauthals gebrüllten Hai-ja!
auf Moblins, Leunen und Co. eindrescht. Zeldas großes Abenteuer auf der Switch entschleunigt euch regelmäßig, zwingt euch dazu, innezuhalten und nachzudenken, bevor ihr handelt. Wer das nicht mag, wird hier nicht glücklich.
Alle anderen Zelda-Fans dürfen sich aber auf den nächsten Hit für ihre Nintendo Switch freuen. Alles andere würde mich nach meinen ersten Spielstunden arg überraschen.
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