Hinweis: Ich empfehle, dass Sie zuerst meine Rezension zum Grundspiel lesen.
Kurz nach der Veröffentlichung von Arcania: Gothic 4 muss der Publisher JoWood Insolvenz anmelden. Eine Erweiterung zum eher mäßig beliebten Fantasy-Rollenspiel war zwar in der Entwicklung, wurde aber auf unbestimmte Zeit verlegt. Erst im Oktober 2011 erblickte das Addon namens Fall of Setarrif das Licht der Welt und was soll ich sagen? Manche Spiele hätten besser einfach in der Versenkung verschwinden sollen.
Kann die Erweiterung das Arcania-Ende ausbügeln?
Das Ende von Arcania gehört mitunter zum unbefriedigendsten, was ich je in einem Videospiel gesehen habe. Die Kurzfassung: Man bestreitet einen Bosskampf und sofort danach rollen die Credits über den Bildschirm. Keine Auflösung, kein gar nichts. Die Aufgabe, die Handlung zu Ende zu führen, bleibt jetzt an Fall of Setarrif hängen. Als Grundlage dient hierfür eine Bedrohung, die im Grundspiel bereits angedeutet wurde: Ein Dämon hat Besitz von der Stadt Setarrif ergriffen – besessene Menschen und Tiere machen nicht nur die Siedlung selbst, sondern auch das ganze Umland unsicher. Setarrif war übrigens auch der Teil der Karte, der in Arcania noch ausgegraut war. Und da soll mir mal einer sagen, es würden keine Inhalte aus Hauptspielen herausgeschnitten werden, um sie später als Erweiterungen zu verkaufen!
Ein Dämon hat die Tiere der Insel zu Besessenen gemacht. Wo man ein Rudel Wölfe noch problemlos niedermacht, ist diese Minecrawler-Königin schon eine größere Herausforderung. Und eklig noch dazu!
Jedenfalls wird der namenlose Held natürlich mit der Aufgabe betraut, dem Dämonen volles Pfund aufs Maul zu hauen. Folgt der Spieler strikt der Story, bleibt sie auf einem sehr niedrigen Niveau. Nur durch optionale Dialoge erfährt man die Hintergründe, welche schnell übersehen sind – immerhin erzählen die NPCs meist nur belangloses Zeug. Reden ist in diesem Fall also empfehlenswert, was jedoch nicht heißt, dass die Geschichte dadurch besonders gut wird. Wo es in Arcania noch ein klares Motiv für die Handlungen des Helden gab – nämlich die Rache an den Mördern seiner Geliebten –, handeln wir in Fall of Setarrif nach der Devise „Hulk, smash!“ (für diejenigen unter Ihnen, die „The Avengers“ kennen). Man kloppt den bösen Typen um, weil man das als Held eben so macht.
Monotonie und irrelevante Neuerungen
Gut, dann tappe ich eben mal schnell nach Setarrif. Die Erweiterung beginnt hierbei recht vielversprechend: Ein halbwegs großes ländliches Gebiet dient als Spieleinstieg, was mich positiv an die ersten Zonen des Hauptspiels erinnert hat. Bleibt das denn auch das ganze Spiel über so? Pustekuchen! Wer Arcania schon für linear hielt, wird hier endgültig vom Glauben abfallen. Wer durch die monoton-tristen Tunnel und Höhlen von Setarrif rennt, wird mehr denn je mit Levelschläuchen konfrontiert. Klar, hier und da findet man mal eine Abzweigung, aber wir reden hier über Gothic! Eine Serie, die mal für Open World und Freiheit stand! Dementsprechend entfällt auch einer der größten Pluspunkte des Hauptspiels, nämlich seine hübschen Landschaften. Der Soundtrack bleibt weiterhin überzeugend, fiel mir aber mit Ausnahme der Endkampf-Musik, welche super passt, eher wenig auf.
Fall of Setarrif ist, wie das Grundspiel auch, sehr „frontlastig“. Die offenen Gebiete (die man hier sieht) kommen zu Beginn der Erweiterung, nach einer halben Stunde rennt man aber nur noch durch die immer gleichen Korridore und Höhlen.
Fall of Setarrif bietet genau eine spielmechanische Änderung: Der Spieler darf nun an bestimmten Stellen in die Rolle seiner Kumpanen Lester und Gorn schlüpfen, um vergangene, halbwegs story-relevante Ereignisse nachzuspielen. Das sorgt für ein wenig Abwechslung im ansonsten so monotonen Spielablauf (dazu gleich mehr), lässt aber Potenzial liegen, da sich die beiden Gefährten praktisch genau wie der Standard-Held spielen. Zumal dieses Feature auch nur jeweils einmal eingesetzt wird.
Wenn die Action nur langweilt
Prinzipiell lässt sich sagen, dass diese Erweiterung Arcania nun komplett zu einem Action-Rollenspiel umgebaut hat. Die Kämpfe nehmen einen enorm großen Teil des Spiels ein. Das muss natürlich nicht per se schlecht sein, schließlich sind Genrevertreter wie Diablo, Torchlight und Konsorten durchaus unterhaltsam. Das Problem bei der Sache ist, dass Fall of Setarrif meist die gleiche Art von Gegnern in den Kampf wirft. In der Regel bekommen Sie es mit besessenen Bürgern und Skeletten zu tun, welche sich nur in ihren Texturen unterscheiden. Ausnahmen wie Minecrawler, die sich eingraben können, sind zwar vorhanden, werden aber dermaßen inflationär eingesetzt, dass die vermeintliche Abwechslung schnell in Monotonie ausartet. Zum Nahkampfsystem, das selten so funktioniert, wie es die Entwickler vielleicht einmal geplant hatten, habe ich mich bereits in der Rezension zum Hauptspiel genug ausgelassen.
Gorn hat Thorus in eine Kiste gesteckt. Wie es dazu gekommen ist, dürfen Sie selbst nachspielen. Die Passage, in der man Gorn übernimmt, macht die Story aber auch nicht besser – und spielerisch ist sie auch nicht gut.
Ein nicht zu unterschätzender Aspekt, der bei den oben genannten A-RPGs besser funktioniert, ist der des Sammeltriebs. Die größte Motivation, Diablo weiterzuspielen, besteht in der Suche nach besserer Ausrüstung. Und das ist einer meiner Hauptkritikpunkte an Fall of Setarrif: Wer ein Spiel entwickelt, das derart stark von Kämpfen getragen wird, muss dafür sorgen, dass diese Spaß machen – wenn schon nicht wegen der reinen Mechanik, dann doch wenigstens wegen besserer Ausrüstung oder Fertigkeiten. Nun, neue Skills wurden nicht implementiert und die Sammelspirale setzt nicht ein. Dafür habe ich bereits relativ zu Beginn der Erweiterung eine Waffe gefunden, die Lebensenergie von Gegnern absaugt. Damit wurde mein Feldzug selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad zum Kinderspiel.
Wenig Inhalt und eine traurige Erfahrung
Apropos Feldzug: Wie lange dauert Fall of Setarrif eigentlich? Mein alter Spielstand von vor einigen Jahren bringt es auf drei, ein neuerer hingegen auf vier Stunden. Hört man sich wirklich alle Dialoge an und sucht nach jeder Kiste, dürften auch auch fünf Stunden drin sein. In jedem Fall bietet Fall of Setarrif also wenig Umfang – ich wäre sogar froh gewesen, hätte man auf die Hälfte der Kloppereien verzichtet. Abseits der Kämpfe gibt es nur sehr wenig zu tun; die Nebenquests lassen sich wortwörtich an einer Hand abzählen.
Die farbigen Gebiete stellen die gesamte Spielwelt von Fall of Setarrif dar. Ich erwarte bei einer Erweiterung natürlich nicht den Umfang eines Vollpreistitels, aber das hier Gebotene grenzt schon an Lächerlichkeit.
Zu guter Letzt muss ich noch eine Geschichte erzählen: Wir Rezensenten sind zwar angehalten, keine Story-Spoiler in unsere Texte einzubauen, aber hier würde ich gerne eine Ausnahme machen. Als ich mich also dem Dämon zum Endkampf stellte, habe ich noch ein hartes Gefecht erwartet. Sobald der Kollege jedoch einmal in Reichweite war, habe ich ununterbrochen auf ihn eingekloppt. Wir erinnern uns: Feinde können keinen Gegenangriff starten, solange der Held sie kontinuierlich angreift. Und so ergab es sich, dass ich den Obermotz nach einer gefühlt halbstündigen Linksklick-Attacke ohne Gegenwehr ins Jenseits befördert habe. Insgesamt reden wir hier über den lächerlichsten Bosskampf, den ich je gesehen habe. Das heißt, ich kann Arcania noch eine Auszeichnung verleihen – neben der für das nutzloseste Teleportsystem.
Fazit
Es ist ja schon fies: Wer einen (halbwegs) befriedigenden Abschluss zur Story von Arcania sucht, kommt an Fall of Setarrif nicht vorbei. Das ist aber auch der einzige Grund, warum man diese Erweiterung spielen sollte, denn in jeder anderen Hinsicht kann sie nicht überzeugen. Hier wird vieles schlechter, aber nichts besser gemacht als im Hauptspiel: Die Level sind trist und enorm linear, die Kämpfe noch stupider, die Story taugt kaum etwas und (sinnvolle!) neue Ideen vermisst man hier schmerzhaft. Der geringe Umfang von nur wenigen Stunden führt auch nicht gerade zu einem positiven Eindruck. In meinen Augen reden wir bei Fall of Setarrif über eine unterdurchschnittliche Erweiterung, die man tunlichst ignorieren sollte.
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