25 Jahre GameStar: Heiko Klinge - eine Bierlaune veränderte mein Leben

Heikos Karriereplanung war eigentlich abgeschlossen - und auf Anzug mit Krawatte getrimmt. Bis zu einem schicksalhaften Kneipenbesuch vor 22 Jahren.

Fast 22 Jahre später kann ich es ja gestehen: Eigentlich ist es nur einer Bierlaune zu verdanken, dass ich im November 2000 überhaupt bei GameStar gelandet bin. Denn ich war ausgebildeter Bankkaufmann und frisch immatrikulierter Student der Wirtschaftsinformatik in Braunschweig samt Semesterjob-Vertrag bei der NORD/LB. Mein weiterer beruflicher Lebensweg schien vielleicht noch nicht in Stein gemeißelt, aber doch klar vorgezeichnet.

Meinen Kindheitstraum vom Sport- oder Gaming-Journalisten hatte ich zu diesem Zeitpunkt längst abgehakt.

Denn ein klassisches Journalismus-Studium gab’s zur Jahrtausendwende nur für wenige Privilegierte, und für die Alternative Germanistik brauchte man damals dummerweise das große Latinum – ich hatte nicht mal das kleine. Und so wurde es nach dem Abitur und dem Grundwehrdienst eben die Bankausbildung.

Bungeespringen oder GameStar 

Das Thema schien durch. Bis zu diesem Abend, als ich mit ein paar Freundinnen und Freunden in meiner Braunschweiger Lieblingskneipe Expertise hockte, in der wir uns regelmäßig zum Brettspielen trafen. Ich weiß nicht mehr genau, was es auslöste (Bier könnte eine Rolle gespielt haben), aber an diesem Abend wurden wir ungewohnt philosophisch.

Unser Gesprächsthema: Was man zumindest einmal im Leben gemacht haben möchte. Und während meine Freundinnen und Freunde von spektakulären Reisezielen, Bungee-Jumping oder auch der Versöhnung mit einst geliebten Menschen erzählten, hatte ich keinen besseren spontanen Gedanken als »Mich bei GameStar bewerben!«.

Heiko Klinge
Heiko Klinge

Heiko Klinge hat anno 2000 bei seiner GameStar-Bewerbung sogar den Probetext vergessen, durfte den aber noch nachliefern, weil der Rest glücklicherweise spannend genug war. Was also schreiben? Einen Kurztest (!) zu Baldur's Gate 2 - liegt doch auf der Hand! Ein paar Monate später kaufte er sich sein erstes Handy, um eine Wohnung in München zu finden. Er wird gern mal gefragt, warum er in all den Jahren nie den Job gewechselt hat. Seine Antwort: Weil er immer wieder den Job wechseln durfte. Seine heutige Arbeit als Chefredakteur hat mit der von damals ungefähr so viel zu tun wie Blind Guardian mit Schlagermusik. Eines ist aber in all den Jahren gleich geblieben: das großartige Team, das sein Leben genauso bereichert wie seinen Arbeitsalltag.

Verständnislose Blicke am Tisch, aber mir erschien es vollkommen logisch. Seit meinem neunten Lebensjahr zählten Spielezeitschriften wie die Power Play oder PC Player zu meiner ebenso liebsten wie regelmäßigsten Lektüre. Erst als verstohlenes Durchblättern am Kiosk, dann im Kinderzimmer des Nachbarsjungen, der sich schon welche leisten konnte, später als Abonnent. 

Die GameStar hatte mich seit der Erstausgabe am Haken. Dessen erfahrenes Team nahm Spiele ernst, sich selbst aber nur so mittel. Ich liebte die klare Struktur des Magazins, die ins Detail gehenden Artikel, die Persönlichkeit und den Humor der Redaktion.

Die GameStar schickte mir ein Zeichen!

Am nächsten Morgen konnte ich mich an manches nicht mehr erinnern … ähem … aber noch sehr klar an meine spontane Äußerung und blätterte ebenso verkatert wie gedankenverloren durch die neueste GameStar-Ausgabe, bis ich auf einen Schlag wieder nüchtern wurde – eine Stellenanzeige, in der GameStar einen neuen »Spieletester-Trainee« suchte. Ja, so hieß das damals noch.

Genau auf diese Stellenanzeige habe ich mich seinerzeit beworben. Und prompt die Probetexte vergessen. Genau auf diese Stellenanzeige habe ich mich seinerzeit beworben. Und prompt die Probetexte vergessen.

Ich bin eigentlich weder religiös, geschweige denn abergläubisch, aber für mich war das damals ein Zeichen. Heute weiß ich, dass GameStar seinerzeit eine Nachfolgelösung für Christian Schmidt suchte, der wieder studieren wollte. Ich nahm meine alte Mappe, mit der ich mich drei Jahre zuvor bei der NORD/LB beworben hatte (Das bringt bestimmt Glück!), überklebte das NORD/LB und schrieb GameStar drauf. Anschließend hackte ich in Rekordzeit ein Anschreiben runter, heftete Zeugniskopien dazu und jagte das Ganze noch am gleichen Tag in Richtung Münchner GameStar-Redaktion.

Meinen Traum leben

Mir war damals durchaus bewusst, dass ich nicht die allerschlechtesten Voraussetzungen hatte: sehr gutes Deutsch- und Englisch-Abitur, bilingualer Unterricht, mehrjährige Erfahrung als freischaffender Lokalreporter bei der Gifhorner Rundschau. Dennoch hätte ich nie damit gerechnet, überhaupt zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden (bei dem mich Martin Deppe für meine schlampige Bewerbungsmappe völlig zu Recht nach Strich und Faden auseinander nahm).

Hauptziel der Bewerbung war lediglich, mir später nicht vorwerfen zu können, es nie versucht zu haben. Hätte es nicht geklappt, hätte ich halt weiter studiert, wäre aber diesen nagenden »Was wäre wenn?«-Gedanken losgeworden. Es kam anders, ganz anders.

Vier Wochen später erzählte ich meinen verdutzten Freundinnen und Freunden – wieder in der Expertise – dass ich nach München ziehen werde. Aus einer Bieridee wurde eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Und die bis heute wertvolle Erkenntnis, dass manche Träume realistischer sind, als man glaubt. 

Das erste GameStar-Teamfoto samt Kadett Klinge. An den Sonnenbrillen könnt ihr möglicherweise erkennen, welcher Film unter Nerds damals angesagt war. Aber nur möglicherweise. Das erste GameStar-Teamfoto samt Kadett Klinge. An den Sonnenbrillen könnt ihr möglicherweise erkennen, welcher Film unter Nerds damals angesagt war. Aber nur möglicherweise.

Und ja, dieser Traum hält bis heute an, ohne sich auch nur um ein My abzunutzen. Zum einen weil die Routine in diesem Job schlichtweg keine Chance hat. Du stehst morgens auf und hast nicht den leisesten Schimmer, was der Arbeitstag bringen wird.

Zum anderen, weil es nur wenig Erfüllenderes gibt, als etwas machen zu dürfen, das Menschen etwas bedeutet und Freude bereitet. Auch nach fast 22 Jahren im Job muss ich mich immer noch kneifen, wenn mich jemand auf einem Konzert von Blind Guardian erkennt und anspricht. Oder wenn Blind Guardian dann noch sowas hinterher schickt:

25 Jahre GameStar - Die Metal-Band Blind Guardian gratuliert zum Jubiläum Video starten 0:27 25 Jahre GameStar - Die Metal-Band Blind Guardian gratuliert zum Jubiläum

Was ich damit sagen will: Für mich fühlt sich der Job bei GameStar heute noch genauso frisch und aufregend an wie an meinem ersten Arbeitstag im November 2000, wofür ich wirklich unfassbar dankbar bin. Und das ist vermutlich das Beste, was man über etwas sagen kann, das aus einer Bierlaune heraus entstanden ist.

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