Wo ist die Tiefe?
Dieser Umstand führt beinahe zwangsläufig dazu, dass die Mitglieder unseres Baumrettungstrupps kein eigenes Profil gewinnen. So niedlich Ast, Feder, Pilz und Co. auch animiert sind, so blass bleiben sie als Figuren. Der Roboter Josef aus Machinarium besaß deutlich mehr Tief.
Die charakterlosen Charaktere muss man muss aber nicht unbedingt schlimm finden. Botanicula nutzt zwar eine ähnliche Erzählweise mit »Dialogen« im Daumenkino-Stil, setzt aber einen völlig anderen Schwerpunkt. Wunderbar verspielte Entdeckungsreise eben statt kafkaesker Charakterstudie. Eine gewisse Geradlinigkeit, und ja, auch ein gewisser Kitsch, liegt in der Natur des Erzählten. Denn eine Sache kann man Botanicula nun wirklich nicht absprechen: Dass es Atmosphäre förmlich blutet. Ja, der Plot ist flach, und ja, die Figuren auch. Aber wir wollen diesen Baum trotzdem retten, diese niedliche Rasselbande trotzdem über pechschwarze Spinnen-Biester triumphieren sehen. Und wir wollen diese zauberhafte kleine Welt bis in den letzten Winkel entdecken und bestaunen. Mit großen kindlichen Kulleraugen.
Warum hat van Gogh mit Öl gemalt?
Das ist übrigens nicht zuletzt ein Verdienst des schlichtweg brillanten Art Designs. Vergessen wir mal für einen Augenblick das Technische (damit soll sich der Wertungskasten herumärgern, ha!) und betrachten das, was Botanicula eigentlich auszeichnet: das Künstlerische nämlich.
Kunst, so heißt es zwar, läge im Auge des Betrachters, aber dieser Betrachter behauptet frech und ohne falsche Ironie: Wenn diese so wundervoll verspielte und mit einem geradezu beängstigend scharfen Auge fürs visuelle Erzählen gestaltete Welt kein Kunstwerk sein soll, dann können wir morgen alle Gemälde abhängen und die Museumsschlüssel wegwerfen. Das soll nun nicht bedeuten, dass Sie Botanicula oder seinen visuellen Stil mögen müssen. Aber wer sich hier über schlechte Technik beklagt, der könnte ebenso gut maulen, dass van Gogh mit Öl gemalt hat.
Eine Sache allerdings müssen wir bemängeln – auch wenn sie technisch ist. Dass Botanicula im Jahr 2012 allen Ernstes nur zwei Auflösungen unterstützt und die höchste davon 1.280 x 800 Bildpunkte beträgt, das muss nun wirklich nicht sein. Gerade bei einem Spiel, das so konsequent auf die eigene visuelle Identität pocht und das Art Design zur integralen Komponente erhebt, sollte eine Unterstützung von gängigen Formaten Ehrensache sein. Wir finden es nämlich ausgesprochen schade, dieses Spiel im Fenster oder eingerahmt von einem riesigen schwarzen Kasten spielen zu müssen.
Zumindest teilweise entschädigt uns allerdings der ausgezeichnete Soundtrack, dem beinahe spielend gelingt, woran viele Komponisten mit hübscher Regelmäßigkeit scheitern: Das Geschehen absolut stimmungsvoll zu untermalen, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.
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