Nachvollziehbar
Civ ist superkomplex, steckt voller eng verzahnter Zusammenhänge und Taktiken, es gibt aberwitzig viele Einheiten. Aber: Fast alle Elemente sind mit gesundem Menschenverstand nachvollziehbar, ohne dass wir Kampfwerte auswendig lernen oder ein Diplom in Volkswirtschaftslehre brauchen (obwohl beides echt hilft).
Nein, denn jeder Dödel kapiert, dass man seine Bevölkerung füttern und bei Laune halten sollte, dass es keine gute Idee ist, mit jedem (!) Nachbarn Krieg zu führen, dass Straßen und Eisenbahnstrecken Einheiten schneller voranbringen, dass eine Galeone gegen ein Schlachtschiff ziemlich schlechte Karten hat, dass ein Feindbomber nur müde über unsere stolze Stadtmauer lächelt, bevor er sie unter seinen Bombenteppich kehrt. Wer solche Zusammenhänge versteht und ausnutzt, kriegt auf den unteren Schwierigkeitsgeraden keine Probleme.
Doch wer Civ wirklich meistern will, auch auf dem höchsten Level oder gegen gewitzte Multiplayer-Kontrahenten, der kann sich in diesem Spiel eingraben. Allein schon die Spielweise der mittlerweile weit über 40 Nationen von Civ 5 sind ein Kapitel für sich, dazu gesellen sich Religionen und Politikformen, Kultur und Handel undundund. Das wunderbare Konzept »leicht erlernt, schwer zu meistern«, das Spiele wie Schach und Fußball schon so groß gemacht hat - es ist in Civilization perfekt umgesetzt.
Nur die Ruhe
Ursprünglich sollte Civilization mal ein Echtzeit-Strategiespiel werden. Können Sie sich das vorstellen? Genau, wir uns auch nicht. Denn genau das ist eines der allerwichtigsten Erfolgsrezepte der Reihe: Sie hat die Ruhe weg. Selbst wenn eine übermächtige Armee auf unsere Hauptstadt zurollt, haben wir alle Zeit der Welt, unsere Gegenmaßnahmen zu planen.
WIR bestimmen, wie schnell wir spielen, nicht die KI, die in einem Echtzeit-Titel allein schon deshalb unfair im Vorteil ist, weil sie an vielen Stellen gleichzeitig »klicken« kann. Böse formuliert könnte man ja sagen, dass die Civ-Spieler einfach zu alt sind, um bei Echtzeit-Schlachten noch mitzukommen. Stimmt aber nicht. Wir haben einfach keinen Bock auf Hektik, wir wollen unser Civ genießen. Oder, wie Kollege Michael Trier, früher Chefredakteur der GameStar, es so schön formuliert hat: »Civ ist Wellness für die Seele!«
Die Geschichte der Rundenstrategie (Plus)
Emotion pur
Mitfiebern, dramatische Wendungen, Atombomben-Gandhi - für ein Wellness-Spiel kann uns Civ auch ganz schön auf die Palme bringen. Ganz ohne emotionale Zwischensequenzen oder Videoschnipsel schafft die Serie eine starke Bindung. Und wodurch? Durch unsere Fantasie!
Klar, wir WISSEN, dass auch Civ nur nach Formeln funktioniert, die im Hintergrund werkeln. Aber es FÜHLT sich eben nicht so an. Und schon ärgern wir uns über den Nachbarn, der sich »unser« Uranfeld schnappt, obwohl wir es doch schon vor 40 Jahren morgens um sechs mit einem Handtuch reserviert haben, sozusagen.
Schimpfen auf den blöden Napoleon, der plötzlich Bismarck viel lieber hat als uns. Oder über irgendeinen Übersee-Herrscher, dessen Namen wir nicht mal richtig aussprechen können, der aber die Pyramiden früher fertig hat als wir - und zwar genau eine verdammte Runde!
Keine Partie ist wie die andere
Beim Schach gibt es 20 Möglichkeiten für den ersten Zug. Bei Civilization sind's schon mit einem einzigen Siedler mehr, je nach Gelände und ob wir unsere Startstadt sofort gründen oder erst weiterziehen, was wir zuerst bauen und erforschen.
Und weil die anderen Nationen auch so viele Möglichkeiten haben, entwickelt sich schon diese allererste Runde jedes Mal anders. Darum haben wir auch nie zwei auch nur ansatzweise ähnliche Partien erlebt. Das verpasst Civilization so ziemlich den höchsten denkbaren Wiederspielwert der Spielegeschichte. Nicht umsonst packen auch gestandene GameStar-Redakteure das Spiel immer wieder aus - wenn es nicht sowieso schon in der Steam-Bibliothek lauert.
Mod-freundlich
Trotz der vielen kostenpflichtigen Addons und DLCs - Civilization war und ist vorbildlich modfreundlich. Gute Mods halten ein Spiel über Jahre aktuell und spannend, geben ihm neue Impulse. Im Idealfall machen Mods sogar den Nachfolger besser, weil kluge Entwickler und Publisher sich sehr genau anschauen, was die Fans da so basteln, sie mit einbezieht statt nur auf den DLC-Umsatz zu schielen.
Was so einleuchtend klingt, ist oft nur ein Lippenbekenntnis, bei Civ aber gelebte Philosophie. Denn die Ideen-Bandbreite aus der Community ist riesig, von der Extra-Landkarte bis zur Total Conversion alles dabei.
Details, Details
Ein gutes Spiel lässt uns die Wahl, wie wir es spielen. In dieser Beziehung ist Civilization kein gutes Spiel. Sondern ein exzellentes. Denn es lässt uns nicht nur spielen, wie wir wollen, sondern auch so ins Detail gehen, wie wir möchten. Wir können ins Mikro-Management einsteigen und jede Runde jede Stadt optimieren.
Wir können aber auch drauf pfeifen, auf einer niedrigen Schwierigkeitsstufe antreten und einfach mal drauflos herrschen. Um es mal mit einer einschlägigen Kontaktanzeigen-Floskel zu formulieren: »Alles kann, nichts muss!«*
* hat uns ein Freund erzählt, ehrlich!
Lebendige Geschichte
Panzer im Mittelalter? Kreml in Washington? Überkorrekte Geschichtslehrer schlagen bei Civilization die Hände über dem Kopf zusammen. Denn Civ ist bei seiner historischen Genauigkeit mehr Hollywood als Geschichtsbuch. Zum Glück.
Denn Civ schafft, was uns kein Jahreszahlen- und Könige-Pauken jemals vermittelt: Geschichte hautnah erfahren. Selber zu erleben, wie bahnbrechend Erfindungen wie Rad, Eisenbahn und Luftfahrt waren, wie einschneidend Industrie, Atomkraft und Computer die Welt verändert haben. Und wer's historisch genau mag, kann ja in die Zivilopädie schauen. Diese Leistung der geschichtsbegeisterten Civ-Pioniere Sid Meier und Bruce Shelley kann man gar nicht genug loben: Dass sie es geschafft haben, uns auch ohne Zeigefinger Spaß an Geschichte zu vermitteln!
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