Die größten Counter-Strike Skandale - Shitstorm bei Gründung der WESA

Der Start der World Esports Association wird von BBC, Spiegel und Co. als Erwachsenwerden des digitalen Sports gefeiert. Die CS:GO-Community wittert hingegen einen teuflischen Plan zur Verschiebung des Machtgefüges.

Die Gründung der WESA sollte das Erwachsenwerden des E-Sports einläuten. Die Counter-Strike-Fans begrüßten den Interessenverband der ESL mit einem Shitstorm. Die Gründung der WESA sollte das Erwachsenwerden des E-Sports einläuten. Die Counter-Strike-Fans begrüßten den Interessenverband der ESL mit einem Shitstorm.

Counter-Strike: Global Offensive lebt wie kaum ein anderes Spiel vom Drama abseits eines gewöhnlichen Matches. In insgesamt zehn Specials präsentieren wir die denkwürdigsten Skandale. Dabei konzentrieren wir uns auf die jüngere Vergangenheit, die besonders die heutige Szene von Counter-Strike geprägt hat.

Die bisherigen Skandale folgten klar erkennbaren Linien. Dass die Verbreitung eines Bitcoin-Trojaners durch den Anti-Cheat-Client der Liga ESEA zu einem Shitstorm führen würde, wie wir es in Teil 7 unserer Artikel-Reihe skizziert haben, liegt auf der Hand. So klar durchschaubar ist der Fall aber nicht immer, wie die folgende Geschichte beweist.

Gründung der WESA

Fast exakt vor einem Jahr (ausgerechnet am Freitag, den 13. Mai 2016) stellte sich die WESA erstmals vor. Das Kürzel steht für World Esports Association und bedeutet einen Branchenzusammenschluss mehrerer E-Sport-Organisationen. Gründungsmitglieder sind der Turnier- und Liga-Veranstalter ESL und die acht Teams Fnatic, Team EnVyUs, Ninjas in Pyjamas, G2 Esports, Virtus.Pro, Natus Vincere, Mousesports und FaZe Clan.

Handelt es sich nun um eine neue Superliga? Nein. Ist es die lang geforderte Spielergewerkschaft? Ebenfalls nicht. Wir lassen am besten die WESA-Pressemeldung selbst sprechen:

"Basierend auf ähnlichen Vereinigungen wie im traditionellen Sportsektor, ist WESA eine offene und inklusive Organisation, welche den eSport durch die Einführung von Spieler-Repräsentanten, allgemeingültige Reglements und Umsatzbeteiligung der Teams weiter professionalisieren wird. Die WESA wird sich darum bemühen, kalkulierbare Zeitpläne für Fans, Spieler, Organisatoren und Broadcaster zu schaffen und bringt zum ersten Mal in der Geschichte des eSports alle wichtigen Akteure an einen gemeinsamen Tisch.

Die Entstehung der WESA schließt über ein Jahr an intensiven Verhandlungen zwischen vielen Teams und Organisatoren ein und zielt auf eine dringend benötigte Infrastruktur für ein übersättigtes eSports Ökosystem. Die ESL Pro League für Counter-Strike: Global Offensive wird der erste professionelle eSport-Wettkampf, der unter dem Regelwerk der WESA ausgespielt wird. Als eine Organisation, welche die Beteiligung der Spieler bei der Entstehung von Ligen fördert, unterstützt und bestärkt, wird WESA die erste Institution sein, die über einen operativen Spielerrat (Player Council) verfügt."

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Spiegel und BBC jubeln, Community verunsichert

Die WESA will also so etwas wie die FIFA für den Fußball sein. Und so erklären es auch breitere Publikumsmedien ihren Lesern, die sich in ihren Überschriften regelrecht überschlagen: Der Spiegel schreibt vollmundig »Wesa will Fifa der Profi-Gamer werden«, die BBC spricht gar »Vom Tag, als kompetitives Gaming ein ernsthafter Sport wurde«.

Die Gaming-Community - sowohl Fans, als auch E-Sport-Journalisten - zweifeln bereits am großen Versprechen. Warum sind beispielsweise nur europäische Teams Teil dieses Weltverbandes? Wo sind die Amerikaner und Asiaten? Warum ist gerade die ESL mit dabei, und nicht auch andere Ligen und Turnierveranstalter wie Eleague, MLG oder PLG?

Außerdem wirft das PR-Statement mehr Fragen auf, als beantwortet werden. Welches Regelwerk wird angewendet, das erstmals im Rahmen der ESL Pro League genutzt werden soll? Wie viel Entscheidungsgewalt hat der Spielerrat gegenüber den Teambesitzern? Was ist mit all den Teams und Ligen außerhalb der WESA? Wo sind die anderen E-Sport-Titel neben CS:GO? Und wie inklusiv ist die neue Organisation wirklich?

Nährboden für Zweifler

Nach der Ankündigung folgten weitere Details zur WESA, die keinesfalls nach Inklusion klangen. Anderen Veranstaltern wurden eine Beteiligung verwehrt, wie beispielsweise MLG öffentlich erklärte. Auch das dänische Team Astralis wurde nicht zu den Gründungsgesprächen eingeladen. Das verunsicherte die Community nur weiter, da die derzeitigen CS:GO-Weltmeister nicht nur grundsätzlich bedeutende Spieler sind. Das Team wurde außerdem als reine Spielerorganisation gegründet, hinter der kein reicher Teambesitzer und keine Shareholder stehen. Wieso will man gerade dieses spezielle Vorzeigeteam nicht dabeihaben?

Und dann wurden auch die Regeln der WESA klarer: Die Vermarktungs-Rechte aller WESA-Teams und -Spieler gehen an die Organisation, die Spieler selbst verlieren Markenrechte. Der Spielerrat kann wiederum keinerlei Forderungen stellen und hat nur eine Stimme. Bei einem Streit zwischen Spielern und Managern ist der Sieger also immer vorab klar.

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Außerdem dürfen WESA-Teams an anderen Turnieren und Ligen teilnehmen, aber nur dann, wenn sich die Termine nicht mit der ESL Pro League überschneiden. WESA-Teams sind also zwingend an die ESL gebunden. Warum man Eleague, MLG und Co. nicht ins Boot holen wollte, erklärt sich damit von selbst.

Abschließend besteht auch ein finanzielles Interesse: Jedes an der Gründung beteiligte Team erhielt 150.000 US-Dollar in die Teamkasse und alle Teams werden an den Umsätzen, beispielsweise durch den Verkauf von Event-Tickets, beteiligt.

Bald formte sich die Narrative der Kritiker: Die WESA ist nichts anderes als der nächste Monopolversuch des E-Sport-Schwergewichts ESL, das nun ein paar europäische Teams eingesammelt hat und ihnen das große Geld verspricht. Die Teambesitzer greifen wiederum kurzsichtig danach, ohne sich um die weiteren Implikationen zu kümmern.

Ein Interessenkonflikt?

Der bekannte E-Sport-Journalist Richard Lewis nannte den immer stärker werdenden Interessenkonflikt im E-Sport die derzeit größte Bedrohung für die Integrität des Sports. Schauen wir uns kurz den Verwaltungsrat der WESA an, der die Organisation leitet und das Tagesgeschäft übernimmt:

  • Ralf Reichert, Gründer des Teams SK Gaming und Geschäftsführer der ESL
  • Sebastian Weishaar, Manager bei der ESL
  • Ken Hershman, ehemals Präsident bei HBO Sports und Geschäftsführer der WESA
  • Hicham Chahine, Manager des Teams Ninjas in Pyjamas
  • Wouter Sleijffers, Geschäftsführer des Teams Fnatic

Zwei Sitze im Geschäftsrat der WESA sind der ESL garantiert, ihre Interessen werden also immer gehört. Auf der anderen Seite finden sich Teamchefs zweier schwedischer Mannschaften, die täglich Entscheidungen für alle Teams treffen müssen. Keiner sagt, dass die WESA-Führung sich tatsächlich selbst bereichert, aber das Potential für einen Interessenkonflikt und zur eigenen Bevorteilung ist immens. Auch deswegen hagelte es Kritik.

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Die WESA erklärt ihr eigentliches Ziel

In einer Frage-Antwort-Runde erklärte die WESA schließlich durch die Blume, worum es eigentlich geht: Man wolle keine exklusive Liga sein, sondern ein Verband, die sich um die Organisation anderer Ligen und Turniere kümmert. Allerdings folgte ein Vergleich mit der NFL (National Football League) und NHL (National Hockey League) - es geht also doch um eine exklusive Liga.

Und die NHL ist vermutlich auch der beste Vergleich, um die Ängste der Fans zu erklären: Auch die wichtigste Eishockey-Liga der Welt hat die Markenrechte an Teams und Spieler, stellt ein Regelwerk auf und kümmert sich beispielsweise genau wie die WESA um die Schlichtung bei einem Vertragsstreit, der im E-Sport bisher nur vor Gericht gelandet wäre.

Allerdings hat die NHL in diesem Jahr entschieden, dass ihre Spieler nicht zu den Olympischen Winterspielen 2018 reisen dürfen, egal aus welchem Heimatland sie kommen. Fans auf dem gesamten Globus waren von dieser Entscheidung entsetzt. Das alle vier Jahre im Rahmen der Winterspiele stattfindende Hockeyturnier ist das weltweit bedeutendste Hockeyereignis, die besten Spieler aller Nationen treten an. Aber die Liga und die Teams würden in der Zeit auf Spiele, Spieler und damit Einnahmen verzichten. Und laut der NHL sieht man darin einfach »keinen Nutzen«.

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Diese Macht, die die NHL ausübt, wollen E-Sport-Fans der ESL und den Teambesitzern einfach nicht einräumen. Zwar erklärt die WESA offiziell, dass man bisher kein Team gezwungen habe, auf die Teilnahme an einer Liga oder an einem Turnier zu verzichten. Allerdings erklärt man im gleichen Atemzug, dass man zumindest die Möglichkeit hätte. Und glaubt irgendjemand, dass die WESA-Mitglieder sich im Zweifelsfalle gegen ein ESL-Event entscheiden würden?

Und genau deswegen gab es einen Shitstorm um die Gründung der WESA, obwohl die neue Organisation noch gar nichts Verwerfliches unternommen hat und Neuerungen wie die Schlichtung bei Vertragsstreits sogar von allen Seiten begrüßt wurde. Aber wie die NHL, mit der man sich vergleicht, kann auch die WESA den Fans maximalen Schaden zufügen, während man sich selbst bereichert. Wie die FIFA hat sie die Grundlagen für ein durch und durch korruptes System auf der Entscheiderebene.

Nichts davon hat sich bisher manifestiert, aber die Fans möchten ihren E-Sport erst gar nicht in diese Richtung abdriften lassen. Insofern sollte man den Fans Verständnis entgegenbringen, auch wenn man ihre Argumente nicht teilt und vom Super-GAU noch nichts zu sehen ist.

WESA heute

Ein Mitglied ist relativ schnell abgesprungen, wegen fehlender Transparenz wollte der FaZe Clan nur zwei Wochen nach der Gründung nichts mehr mit der WESA zu tun haben. Das half der Außenwirkung der WESA selbstverständlich in keinster Weise. Anfang 2017 sind dafür Renegade und SK Gaming der WESA beigetreten, es sind die ersten beiden nicht-europäischen Teams und die ersten Neuzugänge nach der Gründung im Mai 2016 überhaupt.

Um nochmal auf das Thema Interessenkonflikt zurück zu kommen: Die Firma ESforce Holding besitzt neben den beiden größten E-Sport-Wettportalen CSGO Lounge und EGB auch die Teams SK Gaming und Virtus.Pro in der WESA, am dritten Team Natus Vincere hält sie die Marketingrechte. Die Anteile an SK Gaming hat ESforce von Ralf Reichert gekauft, der weiterhin im Vorstand der WESA und gleichzeitig als Chef der ESL arbeitet. Laut Reichert alles kein Problem, man werde sich um das Thema Interessenkonflikte kümmern. Es handle sich in erster Linie sowieso nur um ein »Problem der Wahrnehmung«.

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Die ESL hat für ihr jährliches Sommer-Turnier ESL One Cologne ausgerechnet in diesem Jahr den Major-Status verloren. Valve wird das WM-Turnier im Juli 2017 erstmals mit dem Veranstalter PGL in Polen austragen. Dass das passieren würde, war bereits Teil der Gerüchte um den FaZe-Clan-Austritt. Ein solcher Schritt wurde zwar auch von einigen Fans gefordert, ob die Entscheidung aber tatsächlich als Zeichen gegen die WESA-Gründung zu werten ist, wurde von Valve nie offiziell bestätigt. Die CS:GO-Macher haben sich bis heute nicht zum Thema geäußert.

Die ESL One Cologne wird trotz des engen Zeitfensters nur wenige Tage vor dem PGL Major im Juli stattfinden. Alle WESA-Teams sind dabei, bis auf EnVyUs und Renegade sind die Mannschaften auch schon für die KO-Phase gesetzt und müssen nicht an der Qualifikationsrunde teilnehmen. Die spielergeführte Organisation Astralis hat ebenfalls eine Einladung erhalten. Anders als die WESA-Teams haben die Dänen aber dankend abgelehnt. Man möchte die Zeit lieber für die WM-Vorbereitung nutzen.

Das war der neunte Teil unserer Reihe »Skandale und Kontroversen aus Counter-Strike«. Im Finale geht es um den Sommer 2016 - der Sommer des Glücksspiels. YouTuber ziehen ihren Zuschauer über den virtuellen Spieltisch, die Washingtoner Glücksspielbehörde streitet mit Valve und die Entwickler drohen allen mit dem Anwalt. Am Ende passiert nichts.

Zur Übersicht:Zehn Skandale aus der Counter-Strike-Geschichte

Counter-Strike: Global Offensive - PGL Major 2017 im Ankündigungs-Teaser Video starten 0:47 Counter-Strike: Global Offensive - PGL Major 2017 im Ankündigungs-Teaser

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