Seite 2: Interview mit Dustin Browder von Blizzard - »Es gab richtig fiese Rushes«

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Protoss, Schadenssystem und Super-Einheiten

GameStar: In früheren Versionen nutzen die Protoss den Dunklen Pylon, um ihre Wirtschaft zu stärken. Warum habt ihr ihn wieder gestrichen?

Dustin Browder: Er machte das Spiel zwar komplexer, hatte aber zu wenige Vorteile.

GameStar: Stattdessen habt ihr dem Nexus die Fähigkeit »Zeitschleife« spendiert. Waren die Protoss zu träge?

Dustin Browder:Zunächst mal sollen sich natürlich auch Protoss-Spieler mehr um ihre Basis kümmern. Wir haben dafür mehrere Wirtschafts-Mechanismen ausprobiert, die Zeitschleife eröffnete aber die interessantesten Möglichkeiten. Denn man muss sich entscheiden, ob man lieber das Produktionstempo des Warpknotens, des Raumtors oder der Roboterfabrik erhöht. Oder ob man lieber die Upgrade-Forschung beschleunigt, indem man die Zeitschleife auf den Kybernetik-Kern oder die Schmiede anwendet. Es geht gar nicht um die Entscheidung, ob man die Zeitschleife einsetzt. Es geht darum, wo man sie einsetzt. Das ist eben eines unsere Ziele für Starcraft 2: Wer sich um seine Basis kümmert, soll Vorteile daraus ziehen. Und wer sich um seine Armee konzentriert, hat dann eben Vorteile davon. Beides gleichermaßen viel Aufmerksamkeit zu widmen, ist schwierig. Dadurch wird das Spiel sehr schwer zu meistern.

Auch im zweiten Starcraft gibt's die terranische Atombombe. Auch im zweiten Starcraft gibt's die terranische Atombombe.

GameStar:Im ersten Starcraft richteten manche Einheiten bei bestimmten Feinden weniger Schaden an. Jetzt gibt es einen Bonus-Schaden in festgelegter Höhe. Warum habt ihr das System geändert?

Dustin Browder: Im ersten Starcraft gab es Waffenarten, die bei bestimmten Truppentypen nur 75 oder 50 Prozent des Schadens anrichteten. Das hing in erster Linie davon ab, ob die feindliche Einheit klein, mittelgroß oder sehr groß war. Wir wollten das System transparenter und offensichtlicher machen. Früher musste man schon ein Hardcore-Spieler oder viel im Internet unterwegs sein, um das Schadenssystem zu verstehen. In Starcraft 2 beziffern wir den Bonus-Schaden im Interface und haben ihn zudem vereinfacht. Statt der prozentualen Abzüge gibt es einen Bonus-Schaden in festgelegter Höhe. Damit wird viel klarer, welche Einheiten man gegen welche anderen einsetzen muss.

GameStar: Ihr habt auch das Rohstoff-System geändert, indem ihr gelbe, ertragsreichere Kristalle eingeführt habt.

Dustin Browder: Die gelben Kristalle ermöglichen zusätzliche Strategien. Denn wir platzieren sie an Positionen, die schwer zu erreichen oder zu verteidigen sind. Nachdem man seinen zweiten Stützpunkt nahe an der Hauptbasis errichten hat, muss man überlegen, wo man den nächsten hochzieht. Errichtet man die Drittbasis an einer relativ sicheren Stelle? Oder besetzt man eine Position mit wertvolleren Rohstoffen, die aber auch schwerer zu verteidigen ist? Zerstört man die Felsen zu zerstören, die den Weg zu den wertvolleren Kristallen blockieren? Letzteres könnte die eigene Armee jedoch in eine verwundbare Position bringen. Zudem kann sie derweil weder den Stützpunkt verteidigen noch den Feind angreifen. Die ertragreicheren Kristalle ermöglichen also mehr Vielfalt.

Neu: gelbe Kristalle und zwei Vespin-Geysire. Neu: gelbe Kristalle und zwei Vespin-Geysire.

GameStar: Außerdem gibt es nun zwei Vespin-Geysire in jedem Stützpunkt.

Dustin Browder: Und zwar aus denselben Gründen. Man muss sich nun entscheiden, wann man die zweite Gasquelle erschließt. Der Bau der zweiten Raffinerie ist nämlich sehr wichtig für einige Rush-Strategien. Außerdem verrät es viel über die Taktik eines Spielers, wann er die erste und die zweite Raffinerie baut. Wenn man beispielsweise auskundschaftet, dass ein terranischer Gegner zwei Kasernen und zwei Raffinerien gebaut hat, dann kann man darauf schließen, dass er Rächer bauen will. Ein Protoss-Spieler wiederum kann mit zwei Raffinerien früher seine Hetzer rekrutieren. Falls ein Terraner keine zweite Raffinerie hochzieht, muss ich mir hingegen keine Sorgen über einen Rächer-Rush machen. Die beiden Geysire ermöglichen also mehr Taktiken, verraten aber zugleich viel über die Pläne des Spielers.

GameStar: Der terranische Thor hat im Verlauf der Entwicklung sehr oft gewandelt. Heute dient er als Artillerie-Einheit mit eingebauter Luftabwehr – quasi der Mammut-Panzer von Starcraft. Mit dem Belagerungspanzer haben die Terraner aber schon eine Artillerie-Einheit. Welchem Zweck dient der Thor?

Dustin Browder: Mensch, der Thor ist der Thor! Man kann ihn für viele Dinge einsetzen, weil er ein Allrounder ist. Er kostet allerdings auch ziemlich viel. Am ehesten kann man den Thor mit dem Schweren Kreuzer vergleichen. Der eignet sich mit seiner Yamato-Kanone ebenfalls als Belagerungseinheit und teilt zugleich ordentlich gegen Boden- und Luft-Einheiten aus. Aber er ist ebenfalls sehr teuer, also muss man für seine Allround-Qualitäten bezahlen. Für den Thor gilt dasselbe, zumal er wie der Kreuzer seine Schwächen hat. Er ist sehr verwundbar gegen Horde leichte Einheiten. Gegen ein Rudel Zerglinge hat man mit dem Thor schlechte Karten.

Terranische Thors attackieren eine Zerg-Basis. Terranische Thors attackieren eine Zerg-Basis.

GameStar: Der Thor ist also der Kreuzer unter den Bodentruppen?

Dustin Browder: Ja. Oder der »Super-Goliath«, weil er eine sehr mächtige Luftabwehr-Waffe ist. Ich baue ihn aus mehreren Gründen. Vorrangig setze ich ihn gegen andere Terraner ein, weil seine Allround-Bewaffnung sowohl gegen Marodeure als auch gegen Banshees hilft. Diese beiden sind eine ernstzunehmende Bedrohung in Terraner-Duellen. Außerdem verwende ich den Thor gegen Zerg-Spieler, die Schaben und Mutalisken ins Feld führen. Mit seinen Kanonen durchbricht er die Kampflinie der Schaben, mit seinen Raketen dezimiert er die Mutalisken. Wenn ich gegen Massen von Zerglingen oder Massen von Marines oder eine große Gruppe Berserker und Unsterbliche antrete, entwickle ich hingegen nicht sonderlich viel Liebe für den Thor. Dennoch hat er viele Stärken. Wenn man die Produktionskapazität und viel Geld hat, ist es niemals eine schlechte Idee, einige Thors zu bauen.

GameStar: Auch das Mutterschiff der Protoss wurde oft geändert, ist aber immer noch sehr mächtig. Macht ihr euch keine Sorgen, dass es zu mächtig wird?

Dustin Browder: Derzeit sehen wir dafür keine Anzeichen. Und falls doch, werden wir das Mutterschiff sicherlich abschwächen. Für wie stark man das Mutterschiff hält, hängt auch von den Fähigkeiten der Spieler ab. In den Gold- und Platin-Ligen entfaltet das Mutterschiff nicht übermäßig viel Gefahr. Obwohl es natürlich immer Spaß macht, zu sehen, wie es die Schlacht beeinflusst, wird es nicht sonderlich oft gebaut. Auf den silbernen und niedrigeren Spielstufen ist das Mutterschiff gefährlicher, aber das gilt auch für viele andere Einheiten, etwa die Kreuzer und die Träger. Wenn das Mutterschiff eine Spielklasse wirklich ruiniert, werden wir das ändern. Zum Beispiel, wenn alle Spiele der Kupfer-Liga im Mutterschiff-Feuersturm enden. Im Moment ist das aber nicht der Fall.

Feuerfresser gibt's nur in der Solokampagne. Feuerfresser gibt's nur in der Solokampagne.

GameStar: Aber widerspricht das Konzept des Mutterschiffs als Super-Einheit nicht der Starcraft-Philosophie?

Dustin Browder: Nein, die Philosophie von Starcraft erlaubt ein bisschen von allem. Wir haben keinen elementaren Grundsatz, der uns vorschreibt, was wir tun dürfen und was nicht – auch wenn es auf unsere Fans manchmal so wirken mag. Starcraft ist eben ein Spiel der hard counters und der muddy counters [also der Einheiten, die sich vor allem gegen bestimmte Feinde eignen, und der Einheiten, die vielfältiger einsetzbar sind.] Zu Ersteren zählten im Vorgänger unter anderem die Archonen, die Ultralisken und die Feuerfresser. Auf der anderen Seite gab's Truppentypen wie Dragoner, Hydralisken. Berserker und Marines. Winzige Einheiten wie Marines starben zu Dutzenden, dicke Einheiten wie Kreuzer waren sehr schwer zu erledigen. Die Philosophie von Starcraft ist also, dass Starcraft gar keine Philosophie hat. Wir wollen einfach möglichst unterschiedliche Einheiten und Strategien einbauen, um das Spiel unterhaltsam zu gestalten.

GameStar: Trotzdem gab es keine Super-Einheiten.

Dustin Browder: Die Frage ist doch: Darf eine einzige Rasse eine Super-Einheit haben? Ich glaube schon. Außer der terranischen Atombombe haben wir ja keine Superwaffe. Und selbst der Nuklearschlag muss sich an Regeln halten und ist schwierig einzusetzen. Er hat weder die Reichweite noch die Feuerkraft der Superwaffen in Command & Conquer. Dasselbe gilt für das Mutterschiff: Verglichen mit den Super-Einheiten anderer Spielen ist es sehr einfach zu kontern, weil man es leicht abschießen kann. Es ist nicht einmal so zähl wie ein Held in Warcraft 3. Es passt also zu den Starcraft-Regeln.

GameStar: In früheren Versionen konnte man Hydralisken in Schleicher verwandeln. Warum habt ihr sie gestrichen?

Dustin Browder: Der Schleich wurden gestrichen, weil so viele andere Einheiten seine Rolle erfüllten, dass er kaum gebaut wurden. Auch wenn der Schleicher manchmal eingesetzt wurde, gab es doch zu viele Überschneidungen. Die Schaben und die Verseucher profitieren beide ebenfalls vom Eingraben-Talent der Zerg, und noch dazu auf interessantere Weise. Und die Berstlinge richten Flächenschaden an. Je näher der Betatest kam, desto weiter verschoben wir den Schleicher in Richtung der dritten Technologiestufe, wo er als eine Art Artillerie diente. Das machte seine Tarnung jedoch hinfällig, weil es zu diesem Zeitpunkt bereits zu viele Detektoren gibt. Er war dadurch nur eine kuriose Kanone.

Wie der Arbiter aus dem Vorgänger beamt das Mutterschiff Einheiten zu sich und tarnt sie. Die Szene stammt aus einem Replay. Wie der Arbiter aus dem Vorgänger beamt das Mutterschiff Einheiten zu sich und tarnt sie. Die Szene stammt aus einem Replay.

GameStar:Und auf der zweiten Technologiestufe war der Schleicher nutzlos?

Dustin Browder: Genau. Auf der zweiten Technologiestufe brauchte man ihn nicht, weil man Schaben und Berstlinge hatte. Nichtsdestotrotz ist der Schleicher eine interessante Waffe; ich liebe es, wie er aus dem Verborgenen angreift. Und ich vermisse seine Fähigkeit, das Spiel auszubremsen. Etwa wenn ich Richtung Zerg-Basis rushe und ... Oh mein Gott, dort gibt's drei Schleicher! Also muss ich mich zurückziehen, und wir rüsten erstmal beide weiter auf. Wir überlegen die Schleicher zurückzubringen, entweder irgendwann in der Zukunft oder sobald sie wieder eine einzigartige Rolle erfüllen. Im Moment gibt es aber zu viele Einheiten, die in ihre Fußstapfen treten. Wir wollen in Starcraft 2 eben nicht so viele Truppentypen wie möglich haben, sondern so wenige wie möglich. Es soll nicht das größte Spiel werden, sondern das kleinste und beste.

GameStar: Ihr überlegt also immer, was ihr noch rauswerfen könnt?

Dustin Browder: Stimmt. Zum Beispiel haben wir überlegt, ob wir den Archon streichen sollen. Das könnte auch noch passieren, wenn wir uns entscheiden, dass wir sie nicht mehr brauchen. Das ist im Moment nicht der Fall, deshalb lassen wir den Archon vorerst drin.

Der Dunkle Pylon wurde ebenfalls gestrichen. Der Dunkle Pylon wurde ebenfalls gestrichen.

GameStar: Dafür habt ihr die Upgrades des Kreuzers gestrichen. In den früheren Versionen von Starcraft 2 konnte man ihn mit drei unterschiedlichen Waffen aufwerten. Jetzt gibt's nur noch die Yamato-Kanone.

Dustin Browder: Die Waffenwahl war nicht gut genug. Wir wollen keine Fähigkeiten, die sich mit anderen Einheiten überschneiden oder nutzlos sind. Und die Kreuzer-Upgrades waren eben letztlich nicht sonderlich nützlich. In den silbernen und kupfernen Ligen gab es zwar Spieler, die sie verwendet haben, erfahrene Spieler wählten jedoch Yamato oder gar nichts. So bemerkten wir, dass die Einheit mit der Waffenwahl zwar komplexer wurde, aber nicht besser. Wir haben die Upgrades rausgeworfen, um den Kreuzer klarer und verständlicher zu machen. In der Solo-Kampagne wird es die Waffenwahl allerdings noch geben. Schließlich haben die Spieler dort mehr Zeit, sich mit den Upgrade-Möglichkeiten auseinanderzusetzen; außerdem sollen die Einheiten im Solo-Modus so anpassbar sein.

GameStar: Im Betatest wertet man nicht mehr die Mutalisken zu Brutlords auf, sondern die Schänder.

Dustin Browder: Der Schänder sollte auch dann nützlich bleiben, wenn ich den Luftraum bereits gesäubert habe. Wenn ich herumfliege und alle Flieger abschieße, was bringt der Schänder dann noch? Gleiches gilt für die Phönix-Flieger der Protoss: Was mache ich, wenn alle Feindflieger erledigt sind? Damit sie nützlich bleiben, haben wir den Phönixen das Antigrav-Talent spendiert. Ohne dieses »Recycling« wären Luftabwehr-Flieger sehr schwer einzusetzen.

Die Schleicher wurden in gestrichen. Die Schleicher wurden in gestrichen.

GameStar: Wenn man zu viele davon baut, könnte man das Spiel in der Luft gewinnen – und trotzdem noch verlieren.

Dustin Browder: Genau. Nach dem Phönix haben wir uns den Zerg zugewandt und gerufen: »Meine Güte, die Zerg können ihre Einheiten ja einfach recyceln, indem sie sie in andere Einheiten verwandeln!« Die Mutalisken haben das aber nicht nötig. Mit 25 Mutalisken kann ich richtig viel anfangen! Mit 25 Schändern kann ich das Spiel hingegen noch verlieren. Deshalb haben wir ihnen das Brutlord-Upgrade spendiert.

GameStar:Zu Beginn des Betatests konnte der Verseucher der Zerg feindliche Einheiten und Gebäuden ansaugen, um Spezialwaffen-Energie zu tanken. Nun erzeugt er stattdessen infizierte Terraner. Was glaubst du, welche dieser Fähigkeiten es ins fertige Spiel schaffen wird?

Dustin Browder: Vielleicht die, die wir jetzt haben. Vielleicht eine andere. Was wir im Betatest haben, ist die bislang beste Lösung. Aber vielleicht lernen wir ja etwas Neues. Wenn wir den Verseucher nicht mehr mögen, ändern wir ihn eben.

GameStar: Vielen Dank für das Gespräch.

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