Seite 2: Line of Defense - Star Citizens großer »Konkurrent«

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

Pappfiguren und Blinde Kuh

Die Reise zum Kartenboden würden wir am liebsten wieder vergessen: Der Charakter klebt wie eine Pappfigur an der Kamera, die sich langsam dem Boden nähert. Auf der Karte Heatwave ist bei Nacht nur in den Lichtkegeln von Laternen etwas zu erkennen, der Rest ist eine undefinierte schwarze Masse. Wie auch schon auf der Station begleiten uns jede Menge Grafik-Glitches, die Waffe lässt sich durch Wände stecken, durch die man obendrein hindurchschauen kann.

Wir schafften es über einen extrem benutzerunfreundlichen Interaktionsdialog an Bord eines Shuttles, das alle 30 Sekunden Passagiere von einem Punkt zum anderen befördert. Als das Ding abhob, wussten wir nicht, ob wir lachen oder weinen sollten: Das Shuttle klebte als unbeleuchteter schwarzer Pappklumpen am unteren Bildrand und die Kamera flog mit dem Anhängsel ruckelnd und zuckend die Route ab. Übrigens kamen wir nicht wieder aus diesem Ding raus - das einzige Mal, dass wir über den kurz darauf folgenden Absturz wirklich froh waren.

Die Tour durch dieses Machwerk wird durch grauenhafte Performance begleitet. Während wir uns schon in der Station wie an einer Hundeleine geführt vorkamen (es fühlte sich in der Bewegung an, als ob uns jemand immer wieder an der Schulter festhält, loslässt, festhält, loslässt ...), kam am Boden alle paar Sekunden ein Abfall der Bildrate auf unter 20 fps vor.

Der Blinde-Kuh-Shooter

Bei unseren Versuchen, die anderen drei Maps zu betreten, verzichtete das Spiel dann konsequenterweise komplett auf jegliche Beleuchtung, der Bildschirm war bis auf die Minimap und Waffenanzeige schwarz. Tiefschwarz. Die Bildrate dieser Grafikanomalie betrug dabei regelmäßig weniger als 10 fps! Ab und zu konnten wir irgendwo hellere Texturfragmente erkennen, aber ansonsten war schlicht nichts zu sehen. Keine Umrisse, keine Lampen, rein gar nichts.

Auf der Karte Heatwave ist es nicht nur zappenduster, bis auf unmotiviert herumfliegende Shuttles ist auch absolut nichts los. Auf der Karte Heatwave ist es nicht nur zappenduster, bis auf unmotiviert herumfliegende Shuttles ist auch absolut nichts los.

Selbst wenn wir uns über die Minimap zu irgendwelchen Gebäuden orientieren wollten, änderte sich das nicht. Line of Defense war zu einem virtuellen Blinde-Kuh-Spiel geworden. Dieses Verhalten ließ sich jedes Mal reproduzieren. Unsere Versuche, einen Blick auf die versprochenen »tollen Gegenden« zu erhaschen (ganz davon abgesehen, dass wir niemals einem anderen Spieler begegnet sind), brachen wir nach sechs Stunden, exakt 74 Abstürzen und wiederholt auftretenden, unglaublich üblen Grafikbugs entnervt ab.

In unserer Vergangenheit als Gamer und als Redakteure sind uns schon diverse Spiele untergekommen, die ziemlich kaputt waren, aber noch nie eines, das nicht bloß unglaublich schlecht zusammengezimmert wurde, sondern auch noch praktisch so gut wie unspielbar war. Ja, es ist - wie Herr Smart nicht müde wird zu betonen - ein Early-Access-Spiel. Aber es ist auch praktisch unspielbar. Und sollte sich nicht zumindest ab und zu durch Updates etwas tun?

Die Early-Access-Lüge

Seit dem 16. September 2014 befindet sich Line of Defense (das angeblich seit 2009 in Entwicklung ist) im Early-Access-Programm auf Steam. Der Start schlug mit happigen Preisen zwischen 39,99 und 99,99 Dollar zu Buche. Mittlerweile bekommt man nur noch Zugang durch Einladung in die Closed Beta - es dauerte aber keine 24 Stunden, bis unser Key ankam (die Anmeldung wurde zwischenzeitlich wieder geschlossen). Das Starter-Kit beinhaltet nur eine Pistole und ein Sturmgewehr. Zusätzliche Waffen müssen wir entweder im Spiel finden (die verschwinden beim Ausloggen wieder), oder wir kaufen eines der sogenannten Tactical Advancement Kits, die zwischen 19,99 und 59,99 Dollar kosten.

Wir können 65 Euro für Gegenstände ausgeben, die zum Teil noch nicht existieren. In einem Spiel, das nicht funktioniert. Wenn das kein Spitzenangebot ist... Wir können 65 Euro für Gegenstände ausgeben, die zum Teil noch nicht existieren. In einem Spiel, das nicht funktioniert. Wenn das kein Spitzenangebot ist...

Darin enthalten sind weitere Waffen wie beispielsweise ein Granatwerfer oder aber Medikits und so weiter. Diese Waffen sind nicht nur besser, sondern auch permanent. Ist das nicht Pay2Win? Die Entwickler sagen dazu Folgendes: »Das Spiel mag von manchen als Pay2Win betrachtet werden. Diese Ansicht wäre aber falsch, denn man braucht immer noch Skill um zu spielen und erfolgreich zu sein. Die beste Waffe zu kaufen ist keine Garantie für Erfolg. Gleichermaßen ist es keine Garantie für Erfolg, sich mit dem CTC den besten Fighter zu besorgen, wenn man nicht fliegen kann«. (FAQ - Is there a monthly fee to pay?)

Viele der Gegenstände in den kaufbaren Paketen gibt es noch gar nicht. Sie sollen nach und nach freigeschaltet werden, wann das aber soweit sein soll, darüber schweigt man sich aus. Fragen dazu werden abgeblockt. Aber auch sonst fehlt es dem Spiel nach fast einem Jahr Early Access an jeglichem Inhalt. Anders als die irreführenden Beschreibungen und Aussagen auf der Webseite oder durch Herrn Smart über Line of Defense suggerieren, anders als der Trailer es darstellt, gibt es faktisch keine anderen Inhalte im »Spiel«, als mit Waffen zu ballern und herumzulaufen - zumindest wenn einen die unterirdische Technik, ein absolut abenteuerlicher Mix aus verschiedensten Engines (FAQ - Who developed the game?), ausnahmsweise nicht ausbremst.

Rund 30 Updates hat Line of Defense seit September 2014 erhalten. Klingt gut, oder? Nur wenn man außer Acht lässt, dass die Patchnotes zum größten Teil nicht mehr als eine Handvoll Zeilen enthalten und in den meisten Fällen nur marginale Änderungen mit sich bringen, deren Auswirkungen kaum nachvollzogen werden können. Einbau von weiteren Features? Fehlanzeige. Entwickler Derek Smart sagt dazu auf Steam: »Die meisten Mechaniken, High-End-Features, Fahrzeuge, Flugzeuge, Cash Shop etc. sind nicht implementiert. Und bezüglich PvP ist es vorauszusehen, dass, wenn man nichts zu tun hat oder keine Leute da sind, mit denen man etwas tun kann, auch keine Leute da sein werden. Das Spiel hat keine PvE-Elemente, da gibt für niemanden solo etwas zu tun, außer die vielen Gegenden des Spiels zu erkunden«.

In den Beschreibungen findet man das nicht, in seinen Interviews hört man das nicht. Da heißt es nur, wie großartig Line of Defense sei, wie hervorragend es aussehe und dass es eben keine Vaporware sei wie etwa Star Citizen.

Vaporware!

Line of Defense startet nicht unter DirectX 11, obwohl DirectX 11 in den Systemvoraussetzungen empfohlen wird. Line of Defense startet nicht unter DirectX 11, obwohl DirectX 11 in den Systemvoraussetzungen empfohlen wird.

Line of Defense ist die Vorspiegelung eines Spiels, das nicht so existiert, wie es beworben und monetarisiert wird. Es ist ein unbestreitbarer Fakt, dass dieses Spiel nicht funktioniert. Es wird de facto niemals funktionierende Massenschlachten haben, es ist sogar zu bezweifeln, dass es jemals auch nur annähernd stabil laufen wird.

Dafür sorgt die technische Katastrophe, die dieses Spiel nachweislich ist, sowie die Arroganz und Selbstgefälligkeit des Chefentwicklers, der nicht müde wird, sich hinter dem Early-Access-Programm zu verstecken, Nachfragen bezüglich seiner Pläne zu ignorieren und Kritik an seinem Spiel mit Steam- und Spielbann zu bestrafen. Und weil das alles noch nicht genug ist, wird mit abenteuerlichen Vorwürfen (absichtliches Review-Bombing auf Steam, Unfähigkeit der Spieler) den Spielern gezeigt, was Entwickler 3000AD von ihnen hält.

Dabei soll das Spiel noch Ende dieses Sommers veröffentlicht werden, so Entwickler Smart in mehreren Statements. Ein Spiel, das nach fünf Jahren Entwicklung und fast einem Jahr bezahltem Early Access nicht nur technisch ein Totalschaden ist, sondern schlicht nicht wirklich spielbar.

2 von 3

nächste Seite


zu den Kommentaren (379)

Kommentare(360)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.