Prisoners - Interview mit Hugh Jackman - »Meine Frau hatte Angst vor mir.«

Im Interview zu seinem neuen Kinofilm Prisoners sprachen wir mit Schauspieler Hugh Jackman über seine Vorbereitung auf die Rolle, aber auch über Barrack Obama und den religiösen Fanatismus in den USA.

Hugh Jackman beim Interview-Event mit unserer Kinoautorin Anne Facompre. Hugh Jackman beim Interview-Event mit unserer Kinoautorin Anne Facompre.

Bei Prisoners gibt es eine ganze Reihe von Emotionen. Wie haben Sie die emotionale Grundlage für sich selber gefunden? Der Film ist schließlich sehr düster.

Hugh Jackman: Ja, das stimmt. Ich denke, dass es allen Eltern dieser Welt leicht fallen wird, sich in die Gefühlswelt von Keller Dover hineinzuversetzen. Ich habe mich sehr darauf gefreut, diesen Film zu drehen, besonders mit Denis (Villeneuve). Ich habe den Vertrag erst unterschrieben, als er mit an Bord war, weil ich fand, dass er dem Film die richtige Atmosphäre gab. Es ist eine tolle Mischung aus einem Thriller, der einem den Atem stocken lässt, aber auch einem wirklich emotionalem Drama.

Der Film liegt sehr nah an der Realität. Ich habe mich viel mit realen Fällen von Kindesentführung beschäftigt, was natürlich grauenvoll und erschreckend ist. Ich glaube aufgrund der Thematik hatten wir alle ein großes Verantwortungsgefühl dem Film gegenüber und wollten es auf jeden Fall richtig machen. Der Film soll unterhalten, aber auch zum Nachdenken anregen um dem schwierigen Thema gerecht werden.

Ihre Figur im Film versucht immer, auf alles vorbereitet zu sein. Aber als die Katastrophe eintritt, kann er dennoch nichts dagegen tun. Ist das die Moral der Geschichte, dass wir niemals auf alles gefasst sein können?

Hugh Jackman: Ja, ich glaube, dass ist definitiv eine der Aussagen, die der Film macht. Keller Dover lebt nach dem Motto "Pray for the best, prepare for the worst". Dennoch thematisiert der Film die Tatsache, dass wir, besonders als Eltern, ständig versuchen, soviel wie möglich zu kontrollieren. Das liegt in der Natur des Menschen. Bei Keller fällt das besonders auf. Er versucht, seine Familie gegen alle möglichen Katastrophen zu schützen und hat einen Bunker voller Notfallessen im Keller, womit sie wahrscheinlich Jahre überleben könnten. Und trotzdem trifft ihn eine Katastrophe, auf die er so nicht vorbereitet war. Es gibt so vieles, das wir nicht kontrollieren können, egal, wie sehr wir es versuchen. Und das ist sehr beängstigend.

Eine andere Frage im Film ist die danach, wie weit Verzweiflung uns treiben kann. Haben Sie sich das auch gefragt?

Hugh Jackman: Ja, selbstverständlich. Wir sehen den Konflikt zwischen den emotionalen Ur-Instinkten, die in meiner Figur stark zur Geltung kommen, und dem more intellektuellen und betontem Handeln von Detective Loki (gespielt von Jake Gyllenhaal). Seine stärkste Waffe ist sein Kopf, seine Strategie. Er bleibt ruhiger und vernünftiger. Aber selbstverständlich ist er auch längst nicht so emotional involviert wie Dover. Eine Situation wie diese, hat das Potential, jeden wahnsinnug zu machen, daher ist es gut, den mentalen Kampf zu zeigen, in dem sich auch die Polizisten befinden. Sie wissen, dass sie sich an gewisse Vorgaben halten müssen, auch, wenn das manchmal schlichtweg frustrierend ist.

Der Film gibt in dieser Hinsicht keine schlichten Antworten. Es wird nicht gesagt, was nun richtig oder falsch ist. Das muss der Zuschauer letzten Endes für sich entscheiden. Dabei wird sich wahrscheinlich jeder fragen, wie er handeln würde und nicht wenigen wird die Antwort nicht einfach fallen.

Der Film verwischt also die Grenzen zwischen richtig und falsch. Würden Sie sagen, dass das auch auf das Leben im Allgemeinen zutrifft?

Hugh Jackman: Nachdem ich jetzt so viel über den Film gerdet und nachgedacht habe, wird mir diese Frage selber immer bewusster. Zum Beispiel wenn ich die Nachrichten sehe, besonders im Bezug auf die Geschehnisse in Syrien. Ich versuche mich dann in Barrack Obama hineinzuversetzen und denke mir, dass er nachts wahrscheinlich oft wachliegt, weil er so schwere und undenkbare Entscheidungen treffen muss. Wenn er im Bett liegt es nicht mehr um die Politik geht, sondern er mit seinen Gedanken alleine ist. Er hat die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten, von denen keine wirklich richtig ist. Trotzdem muss er so klingen, als wäre er sich seiner Sache totsicher.

Ich glaube aber, dass Menschen, deren Entscheidungen so schwerwiegend sind, selber die ganze Zeit zweifeln. Filme erinnern uns daran, dass es wichtig ist, nicht zu vergessen, dass solche Gedanken und Probleme menschlich sind. Sie sind nicht einfach nur politisch oder philosophisch relevant. Sie sind menschlich und kompliziert. Ich bin froh, solche Entscheidungen in dem Rahmen niemals treffen zu müssen.

Prisoners - Deutscher Trailer zum Film mit Hugh Jackman Video starten 1:00 Prisoners - Deutscher Trailer zum Film mit Hugh Jackman

In dem Film gibt es einige pikante Gewaltszenen. Wie sind Sie an diese herangegangen?

Hugh Jackman: Ich erinnere mich noch daran, wie ich zum ersten Mal sah, wie sich zwei Leute in einer Bar prügelten. Ich erinnere mich noch daran, wie schockiert ich war. Es ging alles so schnell und war natürlich alles andere als glamurös. Ich erinnere mich vor allem an den Klang der Faust, als sie auf das Gesicht des anderen traf. Das war furchtbar und ging durch Mark und Bein. So sollte "Prisoners" auf die Zuschauer wirken. Roh und grausam, wie Gewalt wirklich ist. Ich erinner mich an die Szene mit dem Hammer. Dass ich diesen voller Wucht in die Wand schlug, war nicht geplant. Es kam in dem Moment so über mich und dadurch gelang es der Kamera, wahre Emotionen einzufangen, die so gar nicht geschrieben werden können.

Wie geht es Ihnen selber dabei, sich bei solchen Szenen zu zu schauen?

Hugh Jackman: Als ich den Film das erste Mal sah, saß meine Frau neben mir und hielt meine Hand. Das ging die ersten 90 Minuten lang so. Sie fand den Film so spannend, dass sich ihre Nägel quasi in meine Hand gruben. Aber als diese Szenen, über die wir gerade sprachen, kamen, zog sie ihre Hand instiktiv von mir weg. Ich glaube, ihr ist das gar nicht aufgefallen, aber mir kam da sofort der Gedanke, dass es ziemlich überzugend gewesen sein muss, wenn sogar meine Frau Angst vor mir bekommt (lacht).

Aber das ist auch das Schöne an der Schauspielerei. Sie gibt uns die Möglichkeit, Dinge zu erkunden, die wir im echten Leben hoffentlich nie erleben müssen. Die Geschichte des Keller Dover geht mir sehr nahe. Ich hatte schon immer ein Faible für Menschen, die jeden Tag ihres Lebens dafür kämpfen, besser zu werden, egal, was sich ihnen in den Weg stellt.

Keller Dover ist ein sehr religiöser Mann. Trotzdem ist er in der Lage, schreckliche Gewalttaten zu begehen. Wie sehen Sie da den Zusammenhang?

Hugh Jackman: Denis (der Regisseur) und ich haben da sehr viel drüber geredet. Ich glaube, dadurch, dass wir beide nicht aus Amerika kommen, haben wir vielleicht eine andere Sichtweise, was Religion angeht, als sie die meisten Amerikaner haben. Ich wurde religiös erzogen, aber in den USA gibt es eine Art religiösen Fanatismus, der auf mich übertrieben wirkt und mir persönlich sehr fremd ist. In der ersten Version des Drehbuchs spielte Religion noch eine größere Rolle, aber mir war es wichtig, dass ein bisschen zurückzuschrauben. Ich hatte keine Angst vor der Religion, aber ich wollte, dass Keller nicht darauf reduziert wird. Es ist nicht die Religion, die ihn antreibt, sondern die Verzweiflung und die Liebe zu seiner Tochter.

Haben Sie Opfer von echten Entführungsfällen getroffen?

Hugh Jackman: Es ist interessant, dass Sie mich das fragen. Ich habe zunächst alle Artikel gelesen, die ich in die Hände bekam. Ich hatte auch Zugang zu echten Verhörvideos, auf denen ich Eltern sah, wie sie mit der Polizei sprachen, obwohl sie nicht wussten, dass sie gefilmt wurden. Es bot sich die Möglichkeit, jemanden zu treffen, die ich aber ablehnte. Damit wären wir wieder bei dem Thema, wie schwer es mir fällt, solch unangenehme und höchstpersönliche Fragen zu stellen. Ich war mir der Nichtigkeit meines Anliegens bewusst.

Es ging doch nur darum, einen Film zu machen. Wie kann ich es wagen, jemanden nur für diesen Zweck mit so unangenehmen Fragen zu behelligen? Ich sah die Verhältnismäßigkeit nicht und konnte es daher nicht rechtfertigen. Ich erinnere mich an das Zitat eines Vaters, der sagte, dass es ihn verrückt machte zu wissen, dass sein kleines Kind jeden Tag darauf warten würde, dass er es retttet. Das Kind wartet nicht auf die Polizei oder die Suchmannschaften. Es wartet auf den Vater. Das machte diesen Mann wahnsinnig. Dieses Zitat brachte ich dann mit in den Film ein.

Was sagen Sie Ihren Fans, wenn diese fragen, worum es in dem Film geht?

Hugh Jackman: Ich würde sagen, dass es eine packende und mitreißende Geschichte ist, bei der man bis zum Schluss nicht weiß, wie sie ausgehen wird. Auch nach dem Abspann wird man sich noch viele Fragen darüber und über unsere Gesellschaft im Allgemeinen stellen. Der Film regt zum Denken an.

Die letzten drei Ihrer Rollen, Keller Dover, Wolverine und Jean Valjean waren allle ziemlich finster. Schaffen Sie es trotzdem noch, abzuschalten und fröhlich zu sein.

Hugh Jackman: Ja, das funktioniert. Um genau zu sein, habe ich zwischen diesen drei Filmen auch noch eine kleine Komödie mit dem Namen "Movie 43" gedreht. Die hat anscheinend mehr Menschen schockiert, frustriert und deprimiert als alle drei dunkleren Filme zusammen (lacht).

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