Seite 3: Wolfenstein: The New Order - Olschool-Ballerspaß mit Eigengeschmack

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Böses Erwachen im Jahr 1960

Am Ende des Prolog-Levels haben wir die Küstenfestung der Naz… pardon, des Regimes zusammen mit unseren Kameraden infiltriert und dort eine fiese Folterkammer entdeckt, wo wir auf den ersten Bossgegner des Spiels treffen, einen Cyborg. Der ist durch Schüsse auf seine offensichtlichen Schwachstellen schnell erledigt.

Doch längst sind wir in General Totenkopfs Falle getappt. Der Raum, indem wir den Metallsoldaten bekämpften entpuppt sich als eine Art Müllpresse und wir müssen kapitulieren. Der fies vernarbte Oberbösewicht zwingt uns nun, zu entscheiden, welchen unserer Kameraden er verstümmeln soll. Eine harte Entscheidung, die jedoch ohne Story-Konsequenzen bleibt. Sie dient lediglich dazu, General Totenkopf zu etablieren.

Der Prolog-Level spielt 1946, doch bereits dort stapfen turmhohe Kampfroboter umher. Die Entwickler ersinnen eine wilde, alternative Geschichts-Schreibung. Der Prolog-Level spielt 1946, doch bereits dort stapfen turmhohe Kampfroboter umher. Die Entwickler ersinnen eine wilde, alternative Geschichts-Schreibung.

Und dann macht die Story einen Sprung von 14 Jahre Jahren. Nach dem Intermezzo mit Herrn Totenkopf gelingt BJ nämlich die Flucht, allerdings wird er verwundet, fällt ins Koma und dämmert bis 1960 in einer polnischen Nervenheilanstalt vor sich hin. In der Zwischenzeit hat das Totenkopf-Regime die Weltherrschaft an sich gerissen. BJ erwacht gerade dann, als ein Regime-Säuberungstrupp die Anstalt heimsucht. Lustig, wie der Typ immer noch ein absoluter Muskelberg ist. Lustig auch, dass er in genau dem Moment, als er umgebracht werden soll, wieder die Kontrolle über seine Gliedmaßen gewinnt.

Wir überwältigen den Soldaten, der uns abmurksen will und haben schnell eine Pistole in der Hand. Wieder können wir schleichen oder ballern. Wieder sind beide Varianten ganz reizvoll. Das Baller-Gameplay ist auch in der 60ern recht bodenständig - für manche Spieler dürfte diesbezüglich sicherlich etwas zu wenig Fleisch am Knochen sein. Wir fühlen uns jedoch prima unterhalten, passt das simple Ballern doch gut zum Retro-Charme von The New Order und das 60er-Szenario sorgt für mehr futuristische Widersacher. So heizen uns nun Flugdrohnen ein und wir finden Tesla-Granaten mit denen wir Roboter lähmen.

Gut ballern, um besser zu ballern

Ein wenig Zusatz-Spieltiefe erzeugen auch die Herausforderungen. So belohnt uns das Spiel für besondere Kampfaktionen mit Charakter-Upgrades. Wenn wir also genügend Volltreffer mit angelegter Waffe erreichen, machen solche Treffer künftig mehr Schaden. Und nach 10 Stealth-Kills mit dem Messer dürfen wir die Klinge fortan auch werfen. Diese optionalen Ziele motivieren dazu, Neues zu versuchen. Generell scheint Wolfenstein: The New Order eines dieser Spiele zu sein, bei denen man selbst ein Stück für seinen Spielspaß verantwortlich ist. Wer auf die Stealth-Mechanik, das Suchen nach Secrets und Alternativwegen und Charakter-Upgrades pfeift und stattdessen stumpf ballert, der hat weniger vom Spiel.

Immerhin sieht The New Order gerade, wenn geballert wird, am besten aus. Denn dann geht Deckung zu Bruch, da blitzen schicke Effekte auf und es entfaltet sich ein turbulentes Chaos. Die Grafik, basierend auf der Id Tech 5-Engine, wirkt bislang nicht revolutionär, aber insgesamt sehr stimmig. Trotz leicht entsättigter Farben wirken die Umgebungen abwechslungsreich, es gibt viele Details zu entdecken und auch weitläufige Levels erkunden wir ohne Zwischen-Ladezeiten. Als etwas seltsam empfinden wir das Design der Charaktere. Ihre Gesichter wirken reichlich plastikhaft, ihr Design etwas gewöhnungsbedürftig.

Im Spielverlauf sammelt BJ einige Mitstreiter um sich. Das Charakterdesign der illustren Runde wirkt jedoch reichlich gewöhnungsbedürftig. Im Spielverlauf sammelt BJ einige Mitstreiter um sich. Das Charakterdesign der illustren Runde wirkt jedoch reichlich gewöhnungsbedürftig.

Allen voran ist der blonde Hüne BJ Blazkowicz eine geradezu lächerlich überproportionierte Gestalt. Auch die Narbenfratze von General Totenkopf ist völlig übertrieben. Die Entwickler überspitzen viele Charaktere und Ereignisse stark. So ist die ganze Sache mit der Naz… ähm, Regime-Weltherrschaft herrlich zusammengesponnener Unfug. Doch von Selbstironie fehlt jede Spur. Alle Charaktere nehmen die Sache todernst. BJ ist also auf einem sehr persönlichen Rachefeldzug und der wird sehr überraschend inszeniert.

Kein Mehrspieler geplant
Der schwedische Entwickler Machine Games bricht bei Wolfenstein: The New Order mit einer langjährigen Genre-Konvention. In letzter Zeit kam kaum ein Shooter heraus, der keinen Mehrspieler-Modus im Gepäck hatte. Bei The New Order wird es aber keinen geben. Die Entwickler verzichten bewusst darauf, um sich voll auf die Solo-Kampagne zu konzentrieren. Finden wir gut, denn lieber haben wir einen besseren Story-Modus anstatt eine uninspirierte Mehrspieler-Dreingabe. Apropos Dreingabe: DLC-Inhalte wird geben, schließlich prangte im Hauptmenü der von uns gespielten Beta-Version bereits der Menüpunkt »Store«. Auf diesen Quell für Zusatzerlöse wollen die Entwickler dann doch nicht verzichten.

Die nehmen das alles ernst!

Da gibt es eine Szene, in der wir einen Regime-Anführer verhören müssen. Wir haben ihm beim Kampf in der Nervenheilanstalt überwältigt und nun sitzt er in einer schummrig beleuchteten Garage gefesselt vor uns. Er motzt und zetert, er verhöhnt uns und er verhandelt. Und wir entdecken da eine Kettensäge und denken sogleich, dass jetzt eine interaktive Folterszene kommt, dass die Entwickler den Bogen jetzt überspannen. Doch nix da. Es erscheint der Bildschirmhinweis »Spritzschutz benötigt«.

Wir sind irritiert und suchen die Garage ab. Wir finden eine Schutzbrille und einen Kittel, streifen uns die Sachen methodisch über und greifen erneut zur Kettensäge. Damit endet dieser Spielabschnitt. Es folgt eine kurze Zwischensequenz, in der BJ gewaltsam Informationen über den Widerstand aus seinem Opfer presst, doch es wird keine Folter gezeigt, keine Gewalt zelebriert. Stattdessen durften wir den stillen Moment vor der bösen Tat spielen.

Der spätere Spielverlauf führt uns ab Bord eines futuristischen U-Boots. Der spätere Spielverlauf führt uns ab Bord eines futuristischen U-Boots.

Wir finden es höchst spannend, wie die schwedischen Entwickler ihren modernen Retro-Shooter konsequent auf ihre Art inszenieren. Klar stecken Klischees drin, dennoch hat Wolfenstein: The New Order sehr viel Charakter, ja geradezu Eigengeschmack. Wir sind uns nicht wirklich sicher, in welche Richtung sich die Story, die Inszenierung oder das Gameplay entwickeln werden. Und das ist ziemlich spannend. Hoffen wir also, Machine Games gelingt es, dieses Potenzial zu nutzen und ein Baller-Spektakel zu inszenieren, dem auch langfristig nicht die Luft ausgeht.

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