Abwechslungsreicher, hübscher Shooter mit Design-Macken !

Würde man einen Umfrage starten, die sich mit Offenheit gegenüber Videospielcharakteren befasst, würden wahrscheinlich die meißten Teilnehmer gegen einen...

von - Gast - am: 07.07.2008


Würde man einen Umfrage starten, die sich mit Offenheit gegenüber Videospielcharakteren befasst, würden wahrscheinlich die meißten Teilnehmer gegen einen jungen, mexikanischen Hasenfuß und einen alten, gläubigen Psycho-Greis stimmen, die nicht mit einer fetten AK und einer eindrucksvoll zerstörerischen Schrotflinte ganze Scharen von Rebellen und Terroristen niedermachen. Vielen wäre diese Geruhsamkeit schlicht und einfach zu öde und ermüdend.

Doch dass genau jene 2 Gestalten mit ordentlichem Actionkino samt Hollywoodreifer Inszenierung Zockerabende wesentlich unterhaltsamer und spannender füllen können als eine LAN-Party mit 10 Spielen zusammen, hat im Jahre 2005 Gun bewiesen. Doch Techland´s Western-Shooter Call of Juarez legt nun, ein Jahr später, offen, dass Gun keine Eintagsfliege war, Vorhang auf für den wohl ungewöhnlichsten Shooter des Jahres 2006 !

Billy the Kid war gestern !


Aller Anfang ist schwer !

Im Gegensatz zu Gun beginnt das Spiel aber leider lange nicht so stimmungsvoll, statt auf einem nett gestalteten Jagdausflug die einzelnen Spielelemente offenzulegen, nervt das Spiel zu Beginn sofort mit seinen zahlreichen Designmacken. Ihr wagt mit dem jungen Mexikaner Billy (die Kerze) erste Schritte.

Zwar reduziert sich das primäre Kletterei-Tutorial auf bekannte Dinge wie etwa erste Sprünge über Kanten oder das missbrauchen der Peitsche als Liane, dennoch nervt die katastrophale Kollisionabfrage sofort mit häufigem Verhaken mit Felsen und ähnlichen Objekten.
Wäre das Schwingen mit der Peitsche eine Spur kraftvoller und flotter ausgefallen, wären viele Trial&Error-Passagen keine gewesen, aber dennoch sind die kleinen Kletter-/ und Physikrätsel eine willkommene Abwechslung im eher innovationsarmen Genre der Ego-Shooter.

Nach dem anstrengenden Geschicklichkeits-Tutorial, das von einer stimmungsvollen Introsequenz angeführt wurde, vorbei ist, folgt das zweite Tutorial, das ebenso nervig ist wie die Kletterpassagen, die erst im fortgeschrittenen Verlauf des Spiels auf die Nerven gehen. Hier gilt es, das Grundstück eines alten, aufbrausenden Bauern, der Billy offenbar nicht wiedererkennt, zu beschleichen und einen alten Revolver, der (aus welchen Gründen auch immer) auf dem Dach seiner Hütte liegt zu stehlen. Eingangs muss man sich die Laufrouten des Bauern einprägen, um in den knapp bemessenen Zeitfenstern die Verstecke zu wechseln.

Zwar sind diese Abschnitte angenehm kurz gehalten, enthalten aber dennoch extremes Trial&Error-Potenzial. Wenn man diesen Abschnitt allerdings gemeistert hat, offenbart Call of Juarez seine tolle Athmosphäre. Nach einem kleinen Kampf mit einem Kojoten erreicht Billy, also ihr eine kleine Gemeinde namens “Hope”.

Der Schein trügt !

Angekommen in Hope, winkt gleich die erste Ernüchterung : Der Sheriff von Hope fordert euch auf, ihm eure Waffe zu überreichen. Nachdem das getan ist, geht´s in Richtung Saloon im Zentrum des verschlafenen Städtchen Hope.

Kurz nachdem die Brücke, die den Reisenden einen Weg über den hübsch gestalteten Fluss bereitet, überquert ist, fallen euch ein paar grimmige Typen ins Auge – und umgekehrt ! Nach einem kurzen Blickwechsel beachten euch die Männer nicht mehr und eine wahre Freude kündigt sich an :
Die bildschöne Prostituierte Suzy ruft Billy vom Balkon des Saloons aus ein Angebot bezüglich des beliebten Matratzensports zu, nichts wie hin ! Doch da diese und ähnliche Angebote von den Helden solcher Geschichten nie wahrgenommen werden, macht auch Call of Juarez nichts anders. Allerdings winkt Billy nicht etwa wie Leon aus Resident Evil 4 lässig ab, sondern wird von einem alten bekannten aufgehalten – direkt vor der Tür zu Suzy´s Zimmer.
Eine alternative Lösung muss her, bedauerlicherweise präsentiert sich solche als ein Physikrätsel, in dem man mehrere Holzkisten auf einem Heuwagen so übereinanderstapeln muss, dass man Suzy´s Zimmer unbehelligt erreichen kann. Doch das nervige Verhaken der Kisten sowie recht häufige Physikbugs machen diese Angelegenheit zur Geduldsprobe.

Danach folgt ein doppeltes Ärgernis : Man wird nach “Einbruch” in Suzy´s Zimmer aufgefordert, ihren Derringer-Revolver in den zahlreichen Schubladen ausfindig zu machen – lediglich ein simples Abklappern der Schubladen aller Schränke und Kommoden. Das zweite Ärgernis bezieht sich (natürlich) auf die von Suzy versprochenen Schäferstündchen, denn sie schafft es nicht länger eine Banditenbande davon abzuhalten, ihr Zimmer zu stürmen, die bereits vermutet was Sache ist. Eine wilde Flucht aus dem Fenster folgt – Suzy´s Derringer ist leer !
In den folgenden Minuten müsst ihr versuchen aus Hope zu flüchten, denn man hat den in den Straßen herumlungernden Banditen versprochen, sie dürfen sich eine Nacht mit Suzy austoben, allerdings nur derjenige, der es schafft euch kaltzustellen ! Auch nach dieser Passage bestätigt Call of Juarez seine bisherige Performance – pränsentativ und inszenatorisch toll, spielerisch und gestalterisch eher durchschnittlich.

Zu Lande, zu Wasser und in der Luft !

Dies waren nur etwa die ersten 30 Minuten des Spiels, die restlichen 9 Stunden präsentieren dem Spieler eine rundum packende und toll inszenierte Handlung um die Goldstadt Juarez. Juarez, eine Goldstadt ? Alle, die jetzt an Gun von November 2005 denken liegen zu 95% richtig.

Wer beide Spiele gespielt hat, wird schnell merken, dass der Entwickler Techland dreist von Neversoft´s (Tony Hawk´s-Serie) abgeschaut hat, fast die gleichen Schauplätze, sehr ähnliche Charaktere und ein schon fast zwillingshafter Handlungsverlauf. Trotzdem – Call of Juarez ist stets unterhaltsam mit der toll erzählten Handlung und der filmreifen Präsentation aufgemacht – Langeweile ist äußerst selten der Fall.

Das liegt vor allem daran, dass das Spiel häufig die Lokalitäten gegen frische und optische auch oftmals beeindruckende Schauplätze austauscht. Von einem riesigen, offenen Land, einem gigantischen Adlerfelsen bis zu einer in beeindruckendes HDR getauchte mexikanischen Landschaft ist nahezu alles zu sehen, was das Szenario Wilder Westen hergibt – vom optischen Leveldesign her ist das Spiel fast makellos, auch wenn die Mission in der man für einen Indianer Hasen jagen muss, sehr latschlastig ist, wenn man das Pferd in seinem Lager übersieht, da kann die pure Lauferei schon mal 30 Minuten dauern – das hat sicherlich nicht nur mich genervt, aber abgesehen davon sind die Levels Top !
Dabei wechseln sich die Ballerpassagen mit dem aufbrausenden Reverend Ray, der sich selbst zur rechten Hand Gottes erklärt hat und alles über den Haufen ballert, das nicht das gleiche Vorhaben vertritt, mit den ruhigen schleich-/ und Kletterlastigen Passagen des jungen Billy angenehm balanciert ab, der wiederum vom alten Prediger mit dem eisernen Colt verfolgt wird, wenn auch aus missverständlichen Gründen – ein sehr cleverer Erzählungstrick, alle Achtung !

Nicht nur der häufige Wechsel der Spielfiguren ist sehr gut balanciert, das Spiel selbst ist es ebenfalls : Die Checkpoints sind fair verteilt, die Gegner, die zwar klug agieren, aber sehr häufig bewegungsunfähig die Landschaft bewundern, kommen stets in schwierigkeitsgradgerechten Mengen vor und wer auch nach dem 10. Mal noch an der selben Stelle scheitert, legt sich einfach eine neue Taktik mit dem Konzentrationsmodus zurecht - wie die Bullet-Time aus Max Payne allerdings mit 2 Fadenkreuzen, die in der Mitte langsam zusammenlaufen und beidhändiges Feuern ermöglichten, in Zeitlupe – das schaut auch nach dem 100. Mal noch sehr spektakulär aus !

Red Beauty

Nicht nur der Konzentrationsmodus sieht toll aus. Call of Juarez besticht rundum mit tollen Landschaften, traumhaften Ausblicken und detaillierten Umgebungen – einzig und allein die Texturen sind teilsweise sehr unscharf, der tollen Landschaftsgrafik kommt das aber nicht wirklich zu Schaden – der gibt die tolle Beleuchtung mit hübschen Überstrahleffekten und dynamischen Schattenwürfen den Rest.
Die nach wie vor leistungsstarke Chrome 4-Engine spielt ihre Vorzüge besonders bei aufwändigen Natur-/und Landschaftsdarstellungen unter Beweis – Call of Juarez kann also in vollem Maße davon profitieren, die tollen Grafik beweist es.
Die Sounduntermalung rundet das technisch manchmal unausgereifte (Physikengine, die auf dem DVD-Cover noch groß angepriesen wird), aber dennoch fast vollkommen überzeugende Westernabenteur ab.
Die filmreife Inszenierung ist sowieso fester Bestandteil des Shooters. Wer Gun also bereits sehr mochte, macht mit diesem Titel kaum etwas falsch, die schöne Grafik, die packende Story und die bildgewaltigen Landschaften lassen die Zeit stillstehen.

Die einzigen deutlichen Schwachpunkte des Spiels sind lediglich die häufigen Designschnitzer, die extreme Linearität und die recht kurze Spielzeit von nur etwa 10 Stunden. Wer allerdings trotzdem Lust hat, die Wildnis Amerikas zu erforschen, heiße Duelle auszufechten und gemeine Intrigen aufzudecken, der sollte sich diesen ausgefallenen Shooter definitiv anschauen.

Link zur Demo :

http://www.4players.de/4players.php/download_info/PC-CDROM/Download/45430.html


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Atemberaubende Landschaften, tolles HDR, Animat.
  • Sound: Hervorr. Synchronsprecher, typische Westernklänge
  • Balance: Checkpoints fair u. zahlreich, dynamische Schwier.
  • Atmosphäre: Bietet alle Settings, abwechslungsreich, gute Epik
  • Bedienung: Sehr präzise Maussteuerung, Schnellspeichern
  • Umfang: Viel Abwechslung, zwei Spielweisen, große Levels
  • Leveldesign: Tolle Panoramen, viel Abwechsl., stimm. Ausleucht.
  • KI: Nutzt Deckung, fällt Spieler gelegentl. in Flanke
  • Waffen: Typische Westernmodelle, Konzentrationsmodus
  • Handlung: Tolle Charaktere, stimmungv. Schaupl., 2 Sichten..
  • Grafik: Geleg. Pop-Ups, teils verwaschene Texturen
  • Sound: Wiederholte Kommentare der Gegner
  • Balance: Trial&Error beim Klettern und Schleichen
  • Atmosphäre: Gegner-Klone, teils orientierungslose Gegner
  • Bedienung: Katastrophale Kollisionsabfrage, hakeliges Kraxeln
  • Umfang: Mäßiger Multiplayer-Modus, kurze Spielzeit
  • Leveldesign: Sehr linear, dämliche Physikrätsel, nerv. Hüpferei
  • KI: Bei Hinterhaltangriff hilflos, bewegungsfaul
  • Waffen: Viele hinfällig, kaum Vielfalt (auch nicht nötig)
  • Handlung: ...wovon das meißte deutlich bei Gun geklaut ist

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



Kommentare(3)
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