Black Hole Son

Die Steine laufen Amok! Im Soulsvania GRIME kämpfen wir uns als Krieger mit schwarzem Loch statt Kopf durch eine genial-bizarre Welt.

von danthedust am: 30.11.2021

Nein, der Titel ist kein Schreibfehler und auch kein Soundgarden-Hit, im Metroidvania GRIME spielen wir nämlich ein wandelndes schwarzes Loch. Klingt bizarr, ist es auch, passt aber perfekt zum surrealen Stil des Games. Nicht nur der ist grandios, auch das Spiel selbst ist fantastisch. Aber warum macht es denn nun tatsächlich einen Heidenspaß, ein schwarzes Loch zu sein?

 

The Rock 2.0 

Im Intro sehen wir zwei steinernen Figuren dabei zu, wie sie ein Kind zeugen. Erwähnte ich bereits, dass das Spiel surreal und bizarr ist? Und ja, wir spielen die Frucht dieses Aktes. Der Protagonist erwacht in der "Weinenden Grotte", dem ersten Abschnitt des Spiels und hat ein schwarzes Loch dort, wo andere ihre Denkzentrale haben. Und wir haben erstmal absolut keinen Plan, was wir denn eigentlich tun sollen. Auch was es mit dem sogenannten Atem auf sich hat, der an diversen Stellen Erwähnung findet und warum die Welt um uns so verfallen ist, wissen wir nicht und das bleibt größtenteils auch so.  GRIME ist ein wahres " Soulslike", man muss sich die Geschichte aus kryptischen Itembeschreibungen, NPC-Aussagen und dem Design der Welt selbst zusammenreimen. Diese bizarre, düstere Welt und ihre noch bizarreren Bewohner fallen uns dafür sofort ins Auge. Die sind nämlich lebende Felsen in diversen Variationen und dazu aus irgendeinem Grund auch noch missgestaltet und wahnsinnig. Das Art-Design ist fantastisch, überall sehen wir Verfall und seltsame Gesteinsformationen, die an diverse Körperteile erinnern, die da eigentlich nicht sein sollten. Und das ist nur der erste Abschnitt, es wird noch viel besser, aber aus Spoilergründen vermeide ich jede weitere Detailierung. Schauts euch selber an, es lohnt sich. 

Kamikaze-Gestein 

Natürlich gibt’s auch passendes Schwertfutter, die Felsen sind mutiert und laufen Amok. Ganz so einfach wie es klingt, ist es aber nicht, denn das Spiel ist ein Erbe des allmächtigen Dark Souls. Und noch mehr als andere Genrevertreter wie das grandiose Hollow Knight nicht nur in seiner Erzählung, sondern auch im Kampfsystem vom großen Vorbild inspiriert. Es gibt eine Ausdauerleiste und jede Aktion wie Angriffe oder der Ausweich-Dash knabbern einen Teil davon ab. Wenn die Leiste leer ist, geht erstmal gar nix mehr, wir können weder angreifen noch ausweichen, also sollte man tunlichst lernen, damit zu haushalten. Und seid gewarnt, GRIME übernimmt nicht nur einige Mechaniken von Dark Souls, sondern auch dessen Schwierigkeitsgrad. Wer unvorsichtig ist oder sich mit mehreren Gegnern anlegt, ist schneller beim letzten Speicherpunkt, als er "Soulslike" sagen kann, daher sollte man entweder Fan des Genres oder aber sehr frustresistent sein, denn Sterben gehört hier quasi zum Spielkonzept und einstellbare Schwierigkeitsgrade gibt es nicht.

Und was macht ein schwarzes Loch sonst noch so? Richtig, Dinge einsaugen. Und auch wir können das, es nennt sich hier Absorbieren und ist die aus Souls bekannte Kontermechanik mit einem besonderen Kniff. Wenn wir beim gegnerischen Angriff im richtigen Moment den Konter auslösen, wird der Gegner eingesaugt und stirbt sofort. Das geht nach ein paar Versuchen sehr flüssig von der Hand, macht das Spiel aber nicht zu einfach, denn bei schwereren Brocken muss man immer erst einen gewissen Teil der Lebensleiste weghauen, bevor man einsaugen darf.

Auch die Obermotze gereichen dem Vorbild zur Ehre, die Story-Bosse sind durchweg grandios designt und inszeniert, haben einen fantastischen Soundtrack und bringen auch Hollow Knight-Veteranen garantiert zum Schwitzen. Jeder Endgegner hat mehrere Phasen, diverse Attacken und jede Spielmechanik wie etwa der Konter ist auch in den Kämpfen wichtig. An den letzten Bossen kann man sich schon mal ein paar Stunden die Zähne ausbeißen, aber irgendwann liegen sie alle im Staub, denn die Kämpfe sind immer fair. Stirbt man, wird unser schwarzes Loch am zuletzt besuchten Surrogat (lies: Speicherpunkt) wieder auf ein felsiges Gefäß gepfropft. Glücklicherweise sind die immer ganz in der Nähe der Bossgegner zu finden und auch sonst sehr fair verteilt. 

Anti-Weight Watcher 

Wenn wir Gegner absorbieren, geben die nicht nur sofort den Löffel ab, sondern auch ihre Eigenschaft. Davon hat jede Gegner-Spezies eine und je nach Art müssen wir eine bestimmte Anzahl Finsterlinge einsaugen, dann schalten wir einen passiven Skill frei, zum Beispiel einen Schadens-Boost nach erfolgreichem Konter. Den können wir dann mit sogenannten Jagdpunkten aktivieren und  verbessern, die wir von besonders harten Elitegegnern erhalten. Das System motiviert perfekt, man will auch den letzten Gegner einsaugen, um an seine Eigenschaft zu kommen.

Und was braucht ein schwarzes Loch, um zu wachsen? Richtig, Masse. Und die kriegen wir auch wieder von erlegten Feinden, die Masse ist quasi das Äquivalent zu den Seelen aus Dark Souls,  sprich unsere Währung fürs Leveln, aber auch Gegenstände und Upgrades werden damit bezahlt. Anders als in den From Software-Titeln verlieren wir beim Tod aber nicht die gesammelte Masse, sondern den sogenannten Ardor. Mit jedem Gegnertod erhalten wir ein paar Punkte davon, die summieren sich zu einem Wert, der angibt, wieviel Prozent mehr Masse wir pro erlegtem Feind erhalten. Wenn wir Schaden erleiden, wird der Wert um einen kleinen Teil zurückgesetzt, sterben wir, verlieren wir alle Zähler. Das ist ein cooles System, da es geschickte Spieler belohnt, aber nicht so frustriert, wie beim Tod sämtliche Masse zu verlieren.

Auch beim Charaktersystem lässt sich GRIME von From Software inspirieren. Jeder Levelaufstieg kostet eine steigende Menge Masse und bringt uns einen Attribut-Punkt, wir steigern damit Werte wie Leben, Ausdauer und etwa Stärke. Die sind für die Waffen wichtig, denn die meisten davon können wir erst mit bestimmten Werten nutzen. Außerdem skalieren die Prügel mit den Zählern, flinke Dolche etwa richten mehr Schaden an, je höher unser Geschick ist. Souls-Veteranen sollten sich hier sofort zurechtfinden, alle anderen könnten jedoch etwas verwirrt ob der Mechanik sein, da sie nirgends erklärt wird.

Jede Waffe hat außerdem einen Spezial- sprich schweren Angriff, der extraviel Schaden anrichtet und zudem noch sehr cool animiert ist. Die Klauenaxt etwa fährt die Krallen aus, bevor sie mit Schmackes niederkracht. Der geneigte Erkunder kann dutzende Waffen, diverse nützliche Verbrauchsgegenstände und sogar Rüstungssets aufstöbern. Die erhöhen Attribute um einen geringen Prozentsatz und steigern die Effektivität einer bestimmten Eigenschaft, wenn man ins ganze Set gewandet ist. Außerdem kann man wie in Dark Souls die Waffen mittels sogenannter Blutsteine upgraden, die in verschiedenen Größen überall in der Spielwelt versteckt sind. 

Zieh an! 

Und da wir grad beim Thema Erkunden sind: das Leveldesign ist grandios und reicht mit seiner Vertikalität tatsächlich fast an die Genialität des ersten Dark Souls heran. Es gibt massenhaft Geheimnisse, Abkürzungen und optionale Abschnitte zu entdecken, sogar ganze Areale verstecken sich hinter geheimen Durchgängen. Die muss man aber erstmal finden, denn die Secrets sind verdammt gut versteckt. Dabei hilft die Karte, die hat aber einen Haken: betritt man ein neues Gebiet, sieht man erstmal nur schwarz. Und das wortwörtlich, denn man muss erst ein im Areal verstecktes Leuchtfeuer aktivieren, um die Abschnittskarte freizuschalten. Glücklicherweise weisen uns violette Funken den Weg dorthin, aber erst, wenn wir nahe genug dran sind. Vorher muss man sich auf seinen Orientierungssinn verlassen. Das sorgt für den Souls-typischen Nervenkitzel, birgt aber auch Verirr- und damit Frustpotential.

Apropos Frustpotential, an sich sind die Plattform-Abschnitte super gelungen. Im Laufe des Spiels erhalten wir diverse Fähigkeiten, mit denen wir genre-typisch an vorher unzugänglichen Stellen weiterkommen oder neue Geheimnisse entdecken können. GRIME ist hier sehr puristisch, es gibt neben dem von Beginn an verfügbaren Dash nur noch drei weitere Fähigkeiten, unter anderem das sogenannte Ziehen. Damit kann man etwa speziell markierte Plattformen heranziehen oder auch mal spektakulär Gegner entwaffnen. Gesteuert wird das Ganze über den rechten Analogstick, was sich tatsächlich superflüssig spielt (es wundert mich, das noch kein anderer auf diese geniale Idee kam). Mit den wenigen Fähigkeiten bauen die Entwickler aber dutzende kreative und teils sehr fordernde Plattform-Abschnitte zusammen. Dashen zum Beispiel klingt erstmal simpel, wenn man aber unter Dauerfeuer und in Kombination mit dem Ziehen dutzende Meter über stachelige Abgründe schwingen muss sieht das schon anders aus.

Und hier hab ich tatsächlich auch mal was zu meckern: ich bin bekennender Souls-Fan,  ich kann mich geduldig Stunden an einem Boss abarbeiten und das Mantra "Jeder Tod hat einen Lerneffekt" ist ins Hirn gebrannt, aber gegen Ende übertreibens die Entwickler selbst für meinen Geschmack etwas mit dem Plattform-Schwierigkeitsgrad. Das hat nix mehr mit Herausforderung zu tun, sondern mutiert teilweise zu nervenzerrendem Trial-and-Error. Kann man machen, dann aber bitte optional für ganz Hartgesottene. Hat ja Hollow Knight zum Beispiel mit dem gefürchteten "Path Of Pain" so vorgemacht. 

Fazit 

GRIME übersetzt sich mit "Schmutz", aber tatsächlich ist das Spiel ein wahres Kleinod. Das Game funktioniert sowohl als Souls-Erbe als auch als Metroidvania absolut fantastisch, das Art-Design ist ebenso bizarr wie genial, der Soundtrack ist superb und zu meckern hab ich bis aufs teilweise zu heftige Platforming am Ende gar nix. Es übernimmt viele Mechaniken von Dark Souls, ohne zu kopieren, sondern an den richtigen Stellen zu entschlacken und anzupassen. Auf Silksong müssen wir noch warten, aber bis dahin füllt GRIME diese Lücke mehr als würdig, der ausgehöhlte Ritter wäre stolz. Absolute Zockempfehlung!


Wertung
Pro und Kontra
  • + Fantastische Welt und Lore
  • + Ebenso stilvolles wie bizarres Art-Design
  • + Grandiose Bosskämpfe
  • + Geniales Level-Design mit massenhaft Secrets und Abkürzungen
  • + Blutet Dark Souls aus jeder Pore
  • + ..setzt aber auch genug eigene Akzente
  • + Cooles Absorb- und Eigenschafts-System
  • + Sehr hart, aber immer fair
  • - Einige der nicht-optionalen Plattform-Abschnitte im Endgame selbst für Souls-Veteranen etwas zu frustig

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



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