Ein zweischneidiges Schwert

Wizardry gilt neben Ultima und Might and Magic als das langlebigste Serien-Relikt der CRPG-Zunft. Doch während sich die anderen beiden Traditions-Reihen...

von Lord Soth am: 14.07.2018

Wizardry gilt neben Ultima und Might and Magic als das langlebigste Serien-Relikt der CRPG-Zunft. Doch während sich die anderen beiden Traditions-Reihen mit ihrem Sprung ins 3D Gefilde ein eher unrühmliches Ende setzten, wollte es Sir Tech besser machen: Wizardry 8, der wohl letzte Teil der Serie bringt nochmal alle Tugenden seiner Vorgänger auf den Tisch, ohne dabei die "Jung-Rollenspieler" der Baldur's Gate-Generation zu verschrecken.

Ob der intergalaktische Konflikt zwischen Umpani, T'Rang und dem Dark Savant auch im achten Teil überzeugen konnte, lesen wir im folgenden Nachgespielt-Artikel.

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Die meisten Rollenspieler verbinden mit dem Begriff Wizardry nicht alle acht Teile der Serie, sondern hauptsächlich Part 6 und 7, welche unter der Federführung von David W. Bradley (Wizards&Warriors, Dungeon Lords) entstanden und erst mit "Bane of the Cosmic Forge", also dem sechsten Teil der Serie, echten Weltruhm erlangte. Hier begann auch die eigentliche Geschichte der beiden Nachfolger, denn sowohl Wizardry 7, als auch Teil 8 bauen direkt auf dieser Storyline auf. Kein Wunder also, dass es von jeher gute Tradition ist, dass der Spieler seine alten Charaktere von Version zu Version importieren kann. Mehr noch: Sir Tech bot dem Spieler stets mehrere Möglichkeiten an, das Spiel zu beenden, was wiederum zur Folge hatte, dass der importierte Spielstand im darauf folgenden Sequel den Start des Spiels beeinflusste.

Epische Rollenspielkultur

Dass Wizardry eine epische Geschichte in sich birgt, deren Tiefe in vielen aktuellen Rollenspielen höchstens ansatzweise erreicht wird, möchte ich mit meinem kleinen Exkurs in die Vorgeschichte zu Wizardry 8 aufzeigen.

Wer sich im Jahre '91 in die karg-grauen Verliese von "Bane of the Cosmic Forge" wagte und am Ende wohlverdient die kosmische Feder in seinen Händen hielt, konnte noch nicht ahnen, welche Kausalitätskette dies letztlich auslösen würde. Denn aus der Aufgabe, die Feder einem verrückten König nebst größenwahnsinnigen Hofmagier zu entreißen, entwickelte sich 1 1/2 Erdenjahre später ein intergalaktischer Krieg, der die Besitzer der damaligen 386er PCs in Verzückung geraten ließ und im Genre bis heute seinesgleichen sucht. "Crusaders of the Dark Savant", kurz Wizardry 7, halten eingefleischte Fans auch heute noch für das beste CRPG aller Zeiten.

Und hier klären sich auch die Gegebenheiten um den Cosmic Forge auf. Dieses Artefakt des Cosmic Lords "Phoonzang", ein Wesen, das am besten mit der Analogie "Gottheit" beschrieben werden kann, hatte unter anderem den Zweck, den Standort des Planeten "Lost Guardia" zu verhüllen. Phoonzang hatte diesen in grauer Vorzeit erschaffen, um dort einen allmächtigen Gegenstand zu deponieren: die "Astral Dominae", die die Macht des Universums und des Lebens in sich trägt. Aus Angst, dass diese Macht von Anderen missbraucht werden könnte, versteckte Phoonzang seinen Schatz auf Lost Guardia, verschleierte dessen Standort mit der kosmischen Feder und ging dann ruhigen Gewissens in seinen wohlverdienten Dauerurlaub. Er hätte ja auch nicht wissen können, dass die Cosmic Forge in den Händen irgendeiner Heldentruppe landet und die Tarnung um Lost Guardia damit fällt.

Es war also nur eine Frage der Zeit, bis der sagenumwobene Planet von irgend jemanden entdeckt werden würde. Gerüchte um die allmächtige Astral Dominae machten die Runde. Die größten Rassen im galaktischen Völkerzirkus setzten sich kurze Zeit später in Bewegung, um das Geheimnis um Phoonzang's verlorenen Planeten zu erkunden. Die Umpani, eine Rasse mit einem Hang zum militärischen Drill und deren Gegenspieler, die insektenartigen T'Rang, trafen als erste auf Lost Guardia ein. Weitere Völker und ein besonderer Gegenspieler folgten: der Dark Savant, ein Wesen, um das sich viele Gerüchte rankten, spielte geschickt alle Parteien gegeneinander aus und konnte sich am Ende die Astral Dominae unter den Nagel reißen. Selbst die Heldentruppe, die sich natürlich auch auf dem Planeten eingefunden hatte und mit den Ureinwohnern von Lost Guardia, dem Dark Savant, den Umpani, den T'Rang und vielen anderen auseinander setzen musste, ging bei diesem Konflikt letztlich leer aus.

Dass damit nicht das Ende der Reihe erreicht war, konnten sich Wizardry-Jünger schon damals ausrechnen. Doch es sollte geschlagene neun Jahre dauern, bis die Spieler mit Wizardry 8 erneut die Möglichkeit bekamen, es dem Dark Savant heimzuzahlen. Inzwischen hat sich auch die Storyline weiterentwickelt. Im achten Teil stellt sich heraus, dass die Astral Dominae nur eines von drei Artefakten ist, dass die Cosmic Lords vor den unwürdigen Sterblichen verborgen hielten. Das zweite Artefakt, die Chaos Moliri, die die Essenz der Veränderung in sich birgt, fällt durch Zufall in die Hände der Mook, einer affenartigen Forscherrasse, die das Geheimnis um die mächtigen Gegenstände ergründen möchte. Das dritte Artefakt verbirgt sich auf dem Planeten Dominus - einer weiteren Schöpfung der Cosmic Lords. Das hier verborgene Destinae Dominus, das das Wissen des Universums in sich trägt, ist allerdings spurlos verschwunden.

Dummerweise wird alsbald bekannt, wo sich der Planet Dominus befindet. Hinzu kommen Gerüchte, die besagen, dass der Besitzer aller drei Artefakte eine heilige Zeremonie durchführen kann, die ihm den "Aufstieg" ermöglicht. Wer den Aufstieg vollzieht, wird laut der Legende selbst zum Cosmic Lord.

Alle wieder vereint...

Nun, sie können sich sicher vorstellen, welchen Protagonisten das auf den Plan ruft. Richtig, der Dark Savant lässt nicht lange auf sich warten, erklärt die hiesige Hauptstadt schon bei seiner Ankunft zu seinem Protektorat und ballert gemütlich auf alle feindlichen Schiffe, die sich dem Planeten nähern. Und damit die heimelige Stimmung komplett wird, lassen sich weitere Bekannte auf Dominus nieder: Die Umpani und die T'Rang, die übrigens noch immer bis aufs Blut miteinander verfeindet sind, wollen die Artefakte nicht nur für sich beanspruchen, sondern haben auch noch eine alte Rechnung mit dem Dark Savant zu begleichen. In dieses kleine, aber feine intergalaktische Kriegsszenario platzt nun unsere sechsköpfige Heldentruppe, die sich selbst auf die Suche nach den drei Artefakten macht und dabei mit und gegen die Einheimischen auf Dominus agiert, Intrigen im Dienste der T'Rang und Umpani spinnt und sich letztlich auf das Showdown mit dem schier übermächtigen Dark Savant vorbereitet.

Der Anfang allen Rollenspiels - die Charaktererschaffung

Wie es sich für ein gutes Rollenspiel gehört, obliegt Ihnen beim ersten Spielstart die Qual der Wahl in Sachen Heldenrekrutierung. Und bereits hier kommt eines der Hauptmerkmale der Wizardry-Reihe zum Tragen: Satte 11 Rassen und sagenhafte 15 Berufe stehen Ihnen zur Rettung der Galaxis zu Verfügung. Da fällt eine Auswahl schwer und überfordert so manchen Neuling. Glücklicherweise hat Sir Tech hier vorgedacht und liefert eine ausgewogene Truppe quasi frei Haus mit.

Gestandene Rollenspieler stellen sich ihre sechs Protagonisten freilich selbst zusammen und dürfen neben den bekannten Standard-Klassen wie Kämpfer, Magier oder Dieb auch aus einem etwas ausgefalleneren Pool an Professionen wählen: so gibt es für Freunde der asiatischen Kampfkünste solche „Martial Arts“-Klassen wie den Samurai, den Mönch oder den Ninja. Aus der Abteilung „Technik“ gesellt sich der Gadgeteer (Bastler) zum munteren Reigen hinzu, während mit der Walküre, dem Bischof oder dem Psioniker leichte Abwandlungen der typischen Heiler/Kämpfer/Magier Klassen zur Verfügung stehen. Doch nicht nur in der Auswahl der Beschäftigungen weiß Wizardry 8 zu überzeugen - ebenso üppig ist die Rassenvielfalt ausgefallen. Und das Wort „Vielfalt“ darf man in diesem Zusammenhang durchaus wörtlich nehmen, denn Sir Tech hat sich kräftig aus der Tierwelt bedient: seien es nun die Affenmenschen „Mook“, die hundeartigen „Rawulfs“ oder die katzengleichen „Felpurr“ - alles ist möglich, von der Feen-Kriegerin, über den Echsen-Barden bis hin zum Gnomen-Magier. Sicherlich: nicht jede Kombination macht Sinn, denn wie altgediente Rollenspieler wissen, ist ein graziler Elf fürs Zaubern nun mal besser geeignet als ein grobschlächtiger Zwerg. Ein agiler Felpurr wird als Dieb erfolgreicher sein als ein auffälliger Drachenmensch. Insgesamt hat allerdings jede Rasse ihre eigenen Vorteile und Besonderheiten, so dass es dem Spieler grundsätzlich frei steht, seine Gruppe nach persönlichen Gesichtspunkten zu gestalten. Und da wir gerade beim Thema „Persönlichkeit“ sind: die Kanadier haben es schon in Jagged Alliance verstanden, den Spielfiguren durch die Stimme ein ganz eigenes Flair zu vermitteln. So auch in Wizardry 8. Jeder Charakter lässt sich mit einer charismatischen Stimme hinterlegen und wird somit zu einem ganz besonderen Mitglied der Gruppe.

Eine Klasse für sich - das Charaktersystem

Was bei Wizardry seit jeher besonders ins Auge sticht, ist das tolle Charaktersystem. Eine Spielfigur setzt sich aus einer Fülle von Attributen (Stärke, Intelligenz, Pietät, Vitalität, Wahrnehmung, Geschicklichkeit, Schnelligkeit), Merkmalen, Talenten und (je nach Klasse) aus einem komplexen Magiesystem zusammen. Dabei haben die Charakterwerte direkten Einfluss auf die sekundären Charakter-Attribute wie die Trefferpunkte, die Ausdauer, das Mana oder dessen Rüstungsklasse. Erhöhen Sie also die Stärke eines Gruppenmitglieds, verbessert sich dessen Trägekapazität und Ausdauer. Punkte auf Vitalität etwa steigern die Hitpoints - Intelligenz steuert die Zauberfähigkeiten der Spielfigur in den einzelnen Zauberkategorien. Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen. Die Abhängigkeit zwischen den einzelnen Attributen, den Fähigkeiten und Talenten ist also sehr komplex und eng miteinander verzahnt.

Sir Techs Rollenspielreihe beschreitet seit jeher einen eigenen Weg, wenn es darum geht, den Charakter im Spielverlauf zu entwickeln. Während die meisten Rollenspiele dem (A)D&D Vorbild folgen und die Fertigkeiten eines Charakters mit dem direkten Stufenanstieg verbinden, fährt Wizardry 8 zweigleisig: neben dem manuellen Verteilen von Punkten beim Erlangen eines neuen Levels, verbessert sich ein Wizardry 8-Protagonist in erster Linie durch die Dinge, die er wirklich tut. Zaubert ein Magier etwa einen mächtigen Feuerball, verbessert er sich unter Umständen in Bereich der Feuermagie oder in Zauberrei - oder vielleicht auch in beiden Fächern. Ein Kämpfer wird seine 1-Hand Waffentechnik durch stetiges Ausführen einer entsprechenden Waffe zur Meisterschaft bringen, während ein Ranger seinen „Erspähen“-Skill durch häufiges Entdecken von verborgenen Gegenständen fördert. So verbirgt sich hinter fast jeder Handlung irgendeine Fähigkeit, die in der jeweiligen Situation ihre Anwendung findet.

Kleines Motivations-Schmankerl am Rande: wer eine Fähigkeit meistert, bekommt spezielle und besonders mächtige Talente freigeschaltet. Wizardry 8 führt sogar eine interne Statistik darüber, welcher Charakter in welcher Disziplin gerade die höchste Punktzahl besitzt und unterlegt diese mit einer blauen Schrift. Überhaupt scheinen die Jungs und Mädels von Sir Tech ein Faible für Zahlen zu haben: ob es sich nun um die Anzahl der erlegten Gegner handelt (pro Charakter versteht sich), die Rüstungswerte der einzelnen Körperstellen oder der Schaden, den ein Charakter mit seinen Waffen austeilt, handelt - alles wird fein säuberlich aufgelistet und verglichen. Das erfreut des Rollenspielers Herz, der seine Truppe schon alleine aus diesem Grund mit größerer Sorgfalt hegt und pflegt.

Magie - mehr als nur Zaubern

Die Magie-Konzepte in gängigen Rollenspielen beschränken sich meist auf einen allgemeinen Mana-Pool, dem für die Anwendung von Zaubersprüchen Mana-Punkte entzogen wird oder Sie folgen dem AD&D Konzept, das dem Charakter eine vorher festgelegte Auswahl an Zaubersprüchen zur Verfügung stellt, die nach Gebrauch wieder erlernt werden müssen. Wizardry 8 legte schon in früheren Versionen eine weitaus differenziertere Methode dar: Alle Zaubersprüche sind in verschiedene Kategorien unterteilt (Feuer, Wasser, Luft, Erde, Mental u.s.w.), welche jeweils über einen eigenen Manavorrat verfügen. Um die Stärke eines Spruchs zu bestimmen, ist jeder Zauber in Stärkestufen unterteilt - umso stärker, umso mehr Mana verbraucht der Zauber und umso schwieriger ist er auszuführen - Veteranen werde dieses System vielleicht noch aus dem Echtzeitrollenspiel „Dungeon Master“ kennen. Wenn ein Magier nun in einer Zauberkategorie nicht geübt genug ist, kann es durchaus sein, dass er im Eifer des Gefechts den Angriffszauber verpuffen lässt oder im schlimmsten Falle sogar gegen seine eigene Gruppe richtet. Neue Zaubersprüche lassen sich durch Levelanstiege oder mit Hilfe von Spruchrollen erlernen, die sich ganz wie in Baldur’s Gate in das Zauberbuch übertragen lassen. Die Vielfalt erstreckt sich dabei von reinen Angriffszaubern, über gängige Gruppen-Buffs, bis hin zu Teleportierungssprüchen, Pet-Beschwörungen, geistige Manipulationen und ordinäre Heilungsmagie - jeder Bereich wurde entsprechend ausgestattet.

Die unendliche Geschichte - Kämpfen wider Willen

 

Obwohl immer mal wieder glorreiche Ausnahmen erscheinen, kommt man nicht um die Tatsache herum, dass es kaum Rollenspiele gibt, die nicht über einen ausgeprägten Kampfanteil verfügen - und das gilt auch für Wizardry Reihe. Zwar sollte man das Spiel nicht mit echten Hack&Slay CRPGs der Marke Bard’s Tale oder Might and Magic auf eine Stufe stellen kann (dafür ist der Story- und Rätselanteil zu ausgeprägt), doch verstrickt sich der Spieler im achten Teil, wie schon in den Vorgängern, in Unmengen von Gefechten.

Diese Kämpfe sind rundenbasiert und werden ebenso wie der Rest des Spiels aus der First Person Perspektive gezeigt. Taktische Geplänkel aus dieser Ansicht sind immer eine heikle Angelegenheit, da der Spieler nicht wirklich den kompletten Überblick besitzt und es z. B. nur schwerlich zu bewerkstelligen ist, einen Dieb hinter einen speziellen Gegner zu platzieren, um einen Backstab auszuführen. Trotzdem hat Wizardry 8 das Kunststück vollbracht, den wohl komplexesten Ego-Rundenkampf zu produzieren, den es im Genre zu finden gibt Das Spiel besitzt zahlreiche taktische Finessen - von der Aufstellung der eigenen Gruppe, über den Kampf aus der zweiten Reihe bis hin zu den verschiedenen Wirkungsbereichen von Zaubersprüchen - es wurden quasi alle Register gezogen, die aus dieser Perspektive möglich waren. Dadurch mutiert das Spiel freilich nicht zu einem Taktikmonster vom Schlage eines „Temple of Elemental Evil“, aber den strategischen Ansprüchen des durchschnittlichen Rollenspielers wird durchaus Genüge getan.

Viel gravierender ist der Schwierigkeitsgrad und die Häufigkeit der auftretenden Gegner. Während es bei der Konkurrenz inzwischen üblich ist, dass einmal besiegte Gegner nicht wieder auferstehen, verfällt der neueste Wizardry-Teil in bekannte Old-School (Un-) Tugenden zurück, in denen der Spieler fleißig mit zufallsgenerierten Gegner konfrontiert wurde, die in unendlicher Menge zum Leben erweckt und in der Gegend verteilt werden.

Im Gegensatz zu älteren Versionen, in denen der Spieler seine Gegner noch nicht mal von Weitem sehen konnte, ist es bei Wizardry 8 zumindest möglich, seinen Gegner in einem gewissen Rahmen auszuweichen. Allerdings gelingt dies meist sehr schlecht, da bereits bei Sichtkontakt automatisch in den Kampfmodus gewechselt wird. Dieser gestaltet sich trotz eines Pseudo-Echtzeitmodus selbst bei vermeintlich schwächeren Gegnergruppen äußerst zäh. Es kommt nicht selten vor, dass man mit einem, im Prinzip völlig banalen Kampf 10-15 Minuten kostbarer Zeit verbringt, nur um 2 Minuten später in das nächste Scharmützel zu rennen. Das Durchqueren eines bereits besuchten Gebietes ohne mindestens ein- oder zweimal in einen Konflikt zu geraten, ist daher gering. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Gegner bis zu einer bestimmten Obergrenze dem Level der Gruppe anpassen, was letztlich dazu führt, dass das Fortkommen der Charaktere in gewisser Weise der Bedeutungslos anheim fällt.

Von Quests und Dialogen

Wizardry 8 führt den Spieler mit einem unscheinbaren roten Faden durch die Spielwelt, die ihm zwar Nebenquests und eine frei begehbare Welt erlaubt, ihn aber letztlich wieder auf den Pfad in Richtung des Endziels, nämlich des so genannten „Aufstiegs“, führt. Auf dem Weg dorthin werden Sie viele Kämpfe bestreiten, aber auch Gespräche mit zahlreichen NPCs führen, die Ihnen wichtige Informationen mitteilen oder erwarten, dass Sie diverse Quests erfüllen. Sie müssen nicht jede Herausforderung annehmen, aber generell gibt es eine Reihe von Schlüsselaufgaben, ohne deren Lösung ein Weiterkommen nicht möglich ist.

Die Dialoge an sich laufen nach einem altbewährten Prinzip ab, das so gar nichts mit den mittlerweile zum Standard avancierten „Multiple Choice“-Verfahren anderer Rollenspiel gemein hat. Vielmehr verfügt das Spiel über einen Parser, wie man ihn aus alten Textadventures kennt. Mit mehreren Schlüsselwörtern und der passenden Frage dazu, können Sie Ihrem Gegenüber wichtige Informationen entlocken und zu allen möglichen Themen löchern.. Rein theoretisch können Sie jeden NPC mit jedem beliebigen Wort konfrontieren; zwar werden Sie nicht immer eine befriedigende Antwort erhalten, aber die Gespräche wirken dadurch sehr viel realistischer als bei einem Baldur’s Gate. Und damit Sie nicht bei jedem Dialog die gleichen Wörter mühsam zusammensuchen müssen, werden bekannte und wichtige Schlüsselbegriffe automatisch in eine Stichwort-Liste übernommen, die Ihnen bei jedem NPC von Haus aus zur Verfügung steht - ein bisschen Komfort darf’s also schon sein.

Apropos Komfort: wichtige Informationen schreibt eine Art Tagebuch automatisch mit. Sie sind somit nicht gezwungen, jede Kleinigkeit akribisch auf einem Zettel zu notieren. Schade ist allerdings, dass diese Funktion kein richtiges Questlog ersetzt und man somit um einen gewissen Grad an manuellen Notizen trotzdem nicht herum kommt. Nun ja, ein bisschen Old-School Feeling darf bei einer Traditionsserie schon aufkommen.

Versuchsobjekt NPC

 

Sie dürfen im Spiel nicht nur Gegenstände benutzen, kombinieren oder manipulieren, sondern sich auch an jedwedem gesprächsbereiten NPC (fast) nach Belieben austoben. Ob beeinflussende Zaubersprüche, Diebstähle, gutes Zureden oder ein ganz simpler Bestechungsversuch - alles ist erlaubt, sofern Sie mit den daraus resultierenden Konsequenzen leben können.

Sicher, ein Diebstahl mag 1-2x gut gehen. Spätestens aber, wenn Ihr Langfinger bei seiner Tat erwischt wird, verschlechtert sich die Meinung des Gesprächspartners Ihnen gegenüber rapide. Das könnte dann darin münden, dass die Figur zukünftig keine Konversation mit Ihnen führen möchte und im schlimmsten Falle sogar einen direkten Angriff nach sich ziehen.

Wohl gesonnene NPCs lassen sich hingegen zu einem kleinen Abenteuer anheuern. Für derartige Situationen sind zwei weitere Charakterslots vorgesehen, die sich mit NPCs füllen lassen, die sich im Übrigen genauso steuern und ausrüsten können, wie Ihre eigenen Mannen. Allerdings ist jeder dieser Nicht-Spieler-Charaktere mit einem eigenen Willen ausgestattet, der sich nicht nur in interessanten Kommentaren in zahlreichen Situationen bemerkbar macht, sondern auch dadurch auffällt, dass sich z. B. Ihr Umpani Barde auf keinen Fall in einen T’Rang Stützpunkt traut. Solche NPCs verschwinden zurück an Ihre Ausgangsposition, von wo aus Sie jederzeit wieder aufgenommen werden können. Kleiner Haken an der Geschichte: anders als in Knights of the Old Republic passt sich deren Erfahrung nicht an die der eigenen Truppe an, was mitunter bedeutet, dass NPCs nach einer gewissen Zeit einfach zu schwach sind, um überhaupt noch in die Gruppe zu passen.

Alt und trotzdem gut - die Grafik Engine

 

Die technische Umsetzung der Geschichte und des Regelwerks ist eine Herausforderung, der nicht jeder Spielehersteller gewachsen ist. Sir Tech meistert diese Aufgabe halbwegs. So war die 3D Engine zum Erscheinungszeitpunkt zwar nicht gerade State of the Art, aber weiß trotz magerer Texturierung selbst heute noch einigermaßen zu gefallen. So sehen die Zaubereffekte bisweilen wirklich grandios aus, was gleichwohl für einige ausgefallene Monstertypen gilt. Besonderes Schmankerl ist hier das grafische Schadensmodell, das schon beim bloßen Hinsehen Aufschluss darüber gibt, in welcher Verfassung sich der Gegner gerade befindet. Ebenfalls auffallend schön gestaltet sind manche Innenräume. Das verlassene Kloster macht einen wirklich düsteren Eindruck, der heilige Tempel hingegen strahlt mit seinen mamorierten Böden und den belichteten Statuen geradezu eine majestätische Ruhe aus.

Leider hält die Engine auch genug Schattenseiten bereit: die Außenwelt macht einen sterilen und unbelebten Eindruck, weil einfach zu wenige Objekte verteilt wurden. Die Spielwelt wirkt insgesamt sehr beengt und „klein“. Die Illusion eines weitläufigen Planeten, der sich frei begehen lässt, kommt nur selten zum Tragen - hier trumpft Might and Magic deutlich stärker auf.

Grafischer Tiefpunkt sind allerdings die Objekte, die besiegte Feinde als Beute hinterlassen. Diese sind, was Textur und Polygonanzahl angeht, geradezu lächerlich gestaltet. Was jedoch schwerer als der reine grafische Aspekt wiegt, ist die Tatsache, dass die Mannigfaltigkeit der Ausrüstung insgesamt zu wünschen übrig lässt. Trotz der Tatsache, dass es sich bei Wizardry 8 um ein SciFi-Fantasy Rollenspiel handelt und somit alle möglichen Arten von Waffen (Musketen, Raketenwerfer - aber auch Katanas und Armbrüste) und Rüstungen vorhanden sind, kommt es viel zu oft vor, dass die Gegner die immer gleichen Standardgegenstände fallen lassen - echte Highlights gibt es nur sehr selten.

Mehr Abwechslung (man vergleiche hierzu einmal Produkte wie Icewind Dale, Everquest oder Diablo) in der Itemvielfalt hätte dem Spiel mit Sicherheit gut getan. Ein negativer Aspekt in Bezug auf die Monster-Animationen sei außerdem noch erwähnt: diese führen Aktionen derart langsam aus, dass die ohnehin schon den Spielfluss störenden Kämpfe allein auf Grund dieses schneckenartigen Tempos gut und gerne das Doppelte an Zeit benötigen

Soundtechnisch macht Wizadry 8 hingegen alles richtig: perfekte Sprachausgabe, die in der Interaktion mit den Charakteren sehr gut zur Geltung kommt, eine schöne Musikuntermalung und passende Umgebungsgeräusche fügen sich hervorragend in das Rollenspiel-Ambiente ein. Ebenfalls gut gelungen ist die Steuerung, die sich interessanterweise sehr an gängigen Ego-Shootern orientiert: mit gedrückter Shift-Taste lässt es sich etwas schneller rennen, während man Anhöhen mit ein wenig Anlauf deutlich besser erklimmt.

In die Rubrik „unscheinbar, aber durchdacht“ gehört die Automap und vor allem das Speichersystem: neben einer Autosave Funktion und der manuellen Savegame-Erstellung, bietet das Spiel mehrere Quicksave Slots, die versehentliches Überschreiben eines älteren Spielstandes erfolgreich verhindern - das nenne ich erfreulichen Komfort, den ich mir schon bei so manch anderen Vertretern des Genres gewünscht hätte. Ebenfalls in die Kategorie „Bequemlichkeit“ gehört die umfangreiche Online-Hilfe. Bei jedem Talent, Charakterwert, Gegenstand oder Zauberspruch reicht ein Klick mit der rechten Maustaste, um ein Fenster mit genauen Informationen erscheinen zu lassen - so besteht kaum noch ein Grund, einen Blick in das ohnehin nicht sehr umfangreiche Handbuch zu werfen.

Fazit:

Ich bemühe ungerne abgedroschene Floskeln, aber für Wizardry 8 passt der Vergleich mit dem „zweischneidigen Schwert“ wie bei kaum einem anderen Rollenspiel. Der Spieler durchlebt ein Wechselbad der Gefühle: ein super tolles Charaktersystem, eine interessante Story und „Mittendrin-im-Geschehen-Feeling“ stehen den in fast jeder Hinsicht nervigen Hack&Slay-Part gegenüber, der drohend wie ein Damokles-Schwert über allem zu Schweben scheint, das auch nur ein bisschen nach Spielspaß aussieht.

Sicher: weniger theatralisch betrachtet sind Gefechte zumeist ein unabdingbares Muss, wenn es darum geht, seine Truppe mit Erfahrungspunkten auszustatten, denn nur so kommt ja das geniale Charaktersystem mit den zahlreichen Talenten und Zaubersprüchen überhaupt zum Tragen. Und natürlich habe ich nichts gegen ein paar zünftige Gefechte, um meine neuesten Waffen, Skills und den gerade erlernten Eisball auszuprobieren. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass Sir Tech bei der Umsetzung ein wenig fortschrittlicher vorgegangen wäre.

Die Zeiten, in denen bereits besiegte Monster wie aus dem „Nichts“ generiert werden, sobald man eine Karte neu betritt oder eine Rast einlegt, sollten eigentlich der Vergangenheit angehören. Aber selbst das wäre nicht so schlimm, wenn wenigstens die Möglichkeit bestünde, einem unerwünschten Kampf aus dem Weg zu gehen.

Doch das ist pures Wunschdenken: sobald eine Monsterhorde in die Reichweite meiner Sinnesorgane kommt, schaltet Wizardry 8 erbarmungslos in den zeitaufwändigen Rundenmodus. Und dass Kämpfe selbst dann nicht mal „eben schnell“ erledigt werden können, wenn die Gruppe bereits ein sehr hohes Level besitzt, verdankt man zwei Dingen: der „genialen“ Idee, das sich die Gegner stets dem Level der eigenen Gruppe anpassen (wozu päppelt man seine Charaktere dann eigentlich noch hoch?) und den schnarchigen Animationen, die sich nur durch ein inoffizielles Fantool auf ein einigermaßen erträgliches Niveau hoch schrauben lassen.

Abseits von diesem unerfreulichen Thema erwartet den Spieler ein wirklich umfangreiches und nicht gerade einfaches Rollenspiel, das seine Faszination aus der langen Tradition der Wizardry-Serie zieht und durch den intergalaktischen Konflikt mit all den bekannten Rassen und Gegenspielern einen ungeheuren Atmosphäre-Bonus für sich beanspruchen kann. Die grafische Ausführung ist, obwohl schon damals nicht mehr ganz taufrisch, als durchaus gelungen zu bezeichnen und sieht deutlich besser aus als David W. Bradley’s Gegenstück „Wizards&Warriors“, das etwa zur gleichen Zeit entwickelt wurde.

Was die Stimmung insbesondere in die Höhe hievt ist die Vielfalt und Qualität der Sprachausgabe. Jeder Charakter erhält mit ihr seine individuelle Note, die in mehr als einer Situation zur Geltung kommt - etwa, wenn sich die Gruppe über das Ableben eines Mitglieds in tiefer Trauer zeigt oder Ihre Ungeduld darüber zum Ausdruck bringt, dass der Spieler mal wieder eine kleine Pause einlegt.

Highlight ist und bleibt aber das fulminante Charaktersystem, welches in gesamten Genre seinesgleichen sucht und ein gehörige Portion Mitschuld an der hohen Motivationskurve trägt. In nur wenigen Konkurrenzprodukten lassen sich Charakterwerte durch gezieltes Ausüben einer Tätigkeit erhöhen - und selbst diese kleine Schar hat sich von Wizardry und Dungeon Master kräftig „inspirieren“ lassen. Zusammen mit der umfangreichen Statistik-Funktion bietet sich hier ein El Dorado für alle Spieler, die auch nur ein Fünkchen Interesse am Thema Charakterentwicklung haben.

In Wizardry 8 paart Sir Tech altgediente Konzepte mit neumodischen Komfortfunktionen - herausgekommen ist ein traditionsreicher Rollenspielmix, der zu den besten Vertretern seiner Zunft gehört. Den ganz großen „Oho-Effekt“, den Wizardry 7 seinerzeit auslöste, kann Teil 8 nicht mehr für sich verbuchen. Hier fehlt dann doch die technische und spielerische Raffinesse und ein gehöriger Schuss Innovation (man denke nur an die umher ziehenden Konkurrenz-Gruppen im Vorgänger). Außerdem wirkt die Spielwelt einen Tick zu steril und zu beengt, um die große spielerische Freiheit vorzugaukeln - und die erwarte ich nun mal von einem monumentalen Vertreter der Rollenspiel-Zunft.

Wer sich aber mit dem überdimensional hohen Hack&Slay-Anteil anfreunden und über die eine oder andere störende Kleinigkeit hinwegsehen kann, erhält mit Wizardry 8 das vielleicht beste Rollenspiel der letzten Jahre. Für Rollenspiel-Veteranen geht deshalb kein Weg am wohl letzten Teil der Serie vorbei und auch Gothic-Jünger sollten trotz des hohen Schwierigkeitsgrades einen Blick über den Tellerrand werfen.


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

zu schwer

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(14)
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