Episches Rollenspiel für Storyfans

Im dichten Dschungel aus mittelalterlich geprägten Rollenspielen war für mich der Release von Mass Effect 2008 eine kleine Offenbarung gewesen. Nicht nur, dass...

von TheVG am: 06.03.2012

Im dichten Dschungel aus mittelalterlich geprägten Rollenspielen war für mich der Release von Mass Effect 2008 eine kleine Offenbarung gewesen. Nicht nur, dass man ein bisschen an die altehrwürdigen Star Wars-Zeiten anknüpfen wollte, sondern auch Zwischenmenschliches als Hauptpfeiler in dem Spiel integrierte. Doch hier sind nicht alle zufälligerweise verwandt, sondern nur Schicksalsgenossen, die wir als Spieler auch beisammen halten müssen, um einer uralten Bedrohung begegnen zu können. Als kleiner Rückblick möchte ich hier nochmal auf die bisherigen Teile eingehen.

+++ Unendliche Spannung +++

Die Stille und Unendlichkeit des Weltalls könnte so romantisch sein, wenn nicht ein Abtrünniger einen Mord begangen hätte. Saren, ein Spectre und somit unabhängiger Gesandter des galaktischen Rates, tötet einen turrianischen Kollegen auf Eden Prime, um in den Besitz einer uralten protheanischen Technologie zu gelangen. Der Mensch Shepard wird damit beauftragt, Saren zu stoppen. Saren kann letztlich fliehen, doch wird Shepard durch Zufall Zeuge vom Inhalt der protheanischen Sender. Die Vision verweist auf die Reaper, eine uralte Maschinenrasse, und schon bald verdichten sich die Hinweise, dass Saren als deren Verbündeter dem Unvermeindlichen entkommen möchte: Dem sicheren Tod.

Ich muss zugeben, dass ich jetzt viel der Story vorweg genommen habe, denn die entwickelt sich für ein Rollenspiel dieser Größe gar etwas schleppend. Wer eine dicht erzählte Geschichte sucht, die von Anfang an Klartext redet, dürfte hiermit anfangs ein wenig unterrfordert sein. Es dauert schon ein Drittel der Spielzeit lange, bis der Plot endlich Fahrt aufnimmt. Das liegt jetzt nicht nur an der Erzählweise und den häppchenweisen Offenbarungen, sondern auch teils an der Spielmechanik, die zugegebenermaßen etwas gewöhnungsbedürftig ist (später dazu mehr).

Dennoch ist der Auftakt der Trilogie ein Beispiel dafür, wie man eine Story zu schreiben hat. Die Story ist im Kern und im Aufbau ein wenig an Star Wars angelehnt, bringt aber neue Ideen mit hinein, und so ist der Kampf organischer Wesen gegen die Reaper mit das beste, was im SciFi-Genre geschrieben worden ist. Um diese voran zu treiben, müssen wir zuerst ein Team zusammenstellen. Was Mass Effect hier deutlich von anderen Genrevertretern abhebt, ist die Charakterzeichnung, die damit einher geht. Als Shepard ist es sehr von Vorteil, wenn wir die aufgesammelten Kameraden kennenlernen. So entwickeln sich recht überraschende und spannende Nebengeschichten, wenn wir unser Team näher kennenlernen wollen. Jede Figur hat einen Background oder etwas, was ihn beschäftigt, und wer bei der Sache am Ball bleibt und die richtigen Worte findet, wird sogar mit einer heißen Nacht belohnt werden. Die Bindung an den Spielecharakter ist ebenso ausgeprägt wie selten, denn man beeinflusst durch die Wahl seiner Dialogoptionen spürbar seine eigene Beliebtheit.

Die Reaper hingegen werden wir erst später im Spiel als Gegner wahrnehmen, dagegen werden wir es regelmäßig mit deren Verbündeten, den Geth, zu tun bekommen. Das Maschinenvolk bekämpft fast jeden Winkel der Galaxie, ebenso begegnen wir auch anderen Rassen und Gruppierungen, die wir in die Schranken weisen müssen. Dabei sind auch die Beweggründe für deren Vorgehen gut erzählt worden, so verhindern wir unter anderem eine Geiselnahme auf einer Raumstation, klären die Umstände um die krabbeligen Rachni auf oder stoppen eine psychisch verwirrte Dame.

+++ Moment, da gibt es noch was zu holen +++

Wie schon erwähnt ist die Spielmechanik, gerade in den Kämpfen, etwas sperrig und benötigt ein wenig Einarbeitung. Wer seinen Shepard lenkt, dürfte noch keine Probleme bemerken, das beginnt erst, wenn Angriffe uns zu Aktionen zwingen. Die Nutzung der Deckung funktioniert automatisch, ist aber auch deshalb ein wenig schwammig geraten. Ein Druck auf die falsche Taste später sind wir wieder Kanonenfutter oder drehen sonst in ungünstige Positionen, was das ein oder andere Mal den sicheren Tod bedeuten kann. Ansonsten gibt es keine XP-Werte, die sekündlich über den Bildschirm flimmern, und Schüsse sowie Waffenverhalten werden in Echtzeit dargestellt. Wenn man schließlich das System verinnerlicht, macht einem auch das schwammige Gefühl nichts mehr aus. Darüber hinaus ist die Tastenzuordnung in der PC-Fassung gut gewählt. Wichtig ist nämlich auch, die Talente wie Waffen-, Tech- oder Biotikfähigkeiten sinnvoll einzusetzen. Dazu benötigt es nur dem Druck der Leertaste, um das Spiel zu pausieren und seinen Teamkollegen oder sich selbst Anweisungen zu geben. Dann kann man die Gegner auch z.B. betäuben, sie mit speziellen Schussfolgen beharken oder sie in Stase versetzen.

Das System ist allerdings etwas rudimentär und bietet nicht immer sichtbare Auswirkungen. Wer sich auch sonst eher als Entdecker fühlt, wird zwar mit weiteren Features belohnt werden, aber gerade später die Aufgaben als Fleißarbeiten verschmähen dürfen. Wir können nämlich neben den Hauptaufgaben ein paar nicht uninteressante Nebenquests erledigen, die vor allem mit der Erkundung der Galaxie verknüpft sind. So steigen wir in ein Geländefahrzeug, dem Mako, und lassen uns von der Normandy auf erkundbaren Planetenoberflächen absetzen. Dort fahren wir dann ein begrenztes Gebiet ab, um Außenposten, Rohstoffvorkommen oder Raumschifftrümmer nach nützlichem Kram abzusuchen. In jedem Sonnensystem gibt es jeweils einen Planeten, den wir direkt anfliegen können, ansonsten reicht ein Tastendruck, um die ein oder andere Belohnung einzuheimsen.

Am wichtigsten ist aber das Ausrüstungsmenü, in dem wir uns regelmäßig mit den besseren Gegenständen bewaffnen bzw. diese mit Items sockeln können. Das beeinflusst merkbar unsere Durchschlagskraft oder die Regenerationsdauer unserer Schilde. Dennoch ist die Auswahl nicht die größte und wir werden schnell unser Limit an Gegenständen erreichen, so dass wir das Inventar regelmäßig zu Universalgel verarbeiten müssen, was irgendwann auch mal etwas nervig werden kann – gerade gegen Schluss sind dann die Items nicht mehr ausschlaggebend oder sichtbar verbessert. Bei der aufsammelbaren Menge ist das schade, aber es hilft, sich immer die besten Items anzueignen oder sie seinen Teammitgliedern auszuteilen.

+++ Nur das Nötigste, schön verpackt +++

Wenn ich schon Star Wars erwähne, dann nicht ganz umsonst. Wir kennen wohl alle den minimalistischen Look des ach so sauberen Jedi-Universums, und Mass Effect steht dem stilistisch in nichts nach. Dass das ein wenig leer wirkt, dürfte so manchem SW(Ko)toR-Fan aufgefallen und vielleicht sauer aufgestoßen sein, und ME ist da nicht anders. Die Citadel ist ebenfalls sehr spärlich ausgestattet, wenn auch Locations wie Choras Nest etwas stylischer ausschauen. Deutlich mehr Recycling wurde dann bei den Miniquests betrieben, denn die Raumstationen oder Minen haben fast immer denselben Aufbau. Das muss man als einfallslos bemäkeln, wenn man an verschiedenen Orten dieselben Gänge durchschreiten muss.

Das ist grafisch durchaus ansehnlich, auch wenn die Weitsicht zu Lasten des Detailreichtums geht. Die Antisotropischen Filter setzen früh aus, so dass man vorrangig auf Planetentouren das Nachladen beobachten kann – schön ist das nicht. Etwas besser dann Innenausstattungen oder Charaktere, die sind sehr detailliert dargestellt und toll animiert worden. Das macht die Gesprächsabläufe realistischer und sind im Wechsel zwischen Rendervideos und Spielgrafiksequenzen sehr augenfreundlich und vor allem dynamisch gestaltet worden. Größter Pluspunkt: Die Kamera hat hohes Hollywoodniveau, fährt mal episch um die Protagonisten herum oder wackelt actionreich bei Spannungsszenen umher.

Beim Sound ist die allgemeine Qualität fast perfekt ausgefallen, was vor allem bei den Stimmen für positives Echo sorgen dürfte. Zwar ist die englische Version besser gelungen, aber auch in der deutschen (alten) Version sind zumindest die Hauptfiguren gut vertont. Die Hintergrundgeräusche sind recht spärlich, aber passend zu den Locations zu hören, während Waffensounds oder vordergründige Kulissen qualitativ hochwertig aus dem Boxen schallen. Da gibt es zwar nichts Wegweisendes etwa vergleichbar mit einem Lichtschwertwummen zu hören, aber das Ganze wirkt in sich stimmig. Toll hingegen die Musik, die mit etlichen Stücken aufwarten kann und die fotografierte Stimmung sehr gut unterstützt, außerdem wurde der Nervfaktor sehr gering gehalten.

+++ Zäher Beginn gipfelt in epischem Finale +++

Warum man Mass Effect spielen sollte, liegt für Storyfanatiker auf der Hand. Wo sich die Story etwas zäh aufbaut, entschädigt sie mit einem gewaltigen Abschluss, die sogar nur der Auftakt für eine geplante Trilogie darstellt. Nach einer langwierigen Einführung ist der Entdeckerdrang geweckt gewesen, da ich die Beziehungen zwischen den Protagonisten erleben und wissen wollte, wie es denn endlich weitergeht. Für einen ersten Teil ist auch die Spielmechanik ok, da neben den Kämpfen auch das Erkunden der Galaxie für zusätzlich angenehme Spielstunden sorgen kann. Für Freigeister ist dieses Spiel jedoch nichts, da es zu storylastig entwickelt wurde und einen roten Faden braucht. Wem das aber egal ist, wird mit einem tollen Auftakt in eine epische Geschichte gefüttert, der vielleicht sogar Star Wars auf seine Weise Konkurrenz machen kann.


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(8)
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