Horizon - Zurück in die Zukunft

Vorab: Anscheinend vertragen sich Screenshots aus dem fRESORT und Gamestar nicht besonders. Da ich euch keine restlos verpixelten Screenshots zumuten...

von Tsabotavoc am: 03.10.2014

Vorab: Anscheinend vertragen sich Screenshots aus dem fRESORT und Gamestar nicht besonders. Da ich euch keine restlos verpixelten Screenshots zumuten möchte gibt es diesen Test hier leider nur als "Textwurst"
Diejenigen unter euch die dies als komplettes KO-Kriterium sehen, und auf Bilder wert legen kann ich daher nur bitten den folgenden Link anzuklicken:

https://fresort.com/ao/index.php?area=user&cmd=blog&ID=1010&auto=1

Dort findet ihr nicht nur ein ausführliches Testvideo sondern auch die hier entfernten Screenshots. Selbstverständlich ist Feedback und Diskussion aber hier möglich. Wenn es Fragen zum Spiel geben sollte werde ich diese natürlich auch hier beantworten! Danke für euer Verständnis!


Ein Spiel der ganz alten Schule
Die Tantik beginnen zu nerven. Ihre Partikelkanonen zerfetzen die Schilde unserer Kampfschiffe und ihre hochentwickelten ELOGM Störsender lassen fast 3/4 unserer Raketen ins Leere gehen. Unsere Verbündeten halten sich vornehm mit Unterstützung zurück. Horizon ist nicht nur auf höheren Schwierigkeitsgraden knackig: Es richtet sich an alle die sich noch an die Spiele aus den 1990ern erinnern als es üblich war sich in einen komplexen Titel reinzufuchsen.

Das Dumme daran: Nicht nur Komplexität und Spieltiefe erinnern an die 1990er. Auch die Technik stammt aus der Zeit als die Bilder am PC das Laufen lernten. Horizon versucht das 4X Genre durch einige neue Ideen und Ansätze zu bereichern. Dabei bleiben die Entwickler jedoch immer nahe an den großen Vorbildern: Ascendancy und Master of Orion 2.


Am Anfang war der Urknall... Danach kamen die Varianer...
Anders als die meisten 4X Spiele die ihren Fluff, so reichhaltig er auch sein mag, gar nicht erst ins Spiel bringen kann man in Horizon auf Wunsch Teil der Story werden. Die Menschheit, sowie alle anderen spielbaren Rassen, sind darin Spielbälle im kosmischen Schachspiel der Varianer, gottgleichen Wesen aus Energie und Licht und den Korthaz. Wer komplett nach Kanon spielen will beginnt das Spiel als Mensch, das Missionsspiel funktioniert aber mit allen anderen Rassen ebenfalls.

Während die Korthaz uns auf eine Schnitzeljagd quer durch die Galxis schicken um eine Waffe zu entwickeln die die Varianer bezwingen kann, möchten die Varianer das wir eine der anderen alten Rassen vernichten und uns so als würdige Begleiterrasse erweisen.

Schade: Man kann Missionsspiel und Classicmodus nicht unter einen Hut bringen: Wer die Missionen aktiviert, aktiviert auch automatisch die Varianer und die Korthaz. Diese starten mit teils erheblichen Vorteilen was das Spiel vor allem für Neulinge sehr fordernd und frustrierend gestalten kann.

Abgesehen vom Storymodus sind die Möglichkeiten das Spiel an seine Wünsche und Bedürfnisse anzupassen eher unterer Standard.

Hier patzt Horizon einfach: Wir können den Entwicklungsstand der Imperien nicht festlegen, kein Galaxiealter, kein gar nichts. Zwar können wir einzelne Rassen aktivieren oder deaktivieren - eine wirklich eigene Rasse erstellen können wir aber nicht. So starten die Menschen mit der, meiner Meinung nach, sehr durchschnittlichen Laserkanone und auch ansonsten sind die Technologien eher mau. Als Starttechnologie die Partikelkanone festzulegen ist allerdings nicht möglich. Wir können zwar unseren Spezialmenschen Schutzschilde als Starttechnologie geben wenn wir das möchten oder ihnen den Vorteil "Unsterblichkeit" verleihen, von einer Individualisierung der Rassen wie in Master of Orion 2 oder auch nur einem Endless Space ist Horizon soweit entfernt wie Nordkorea von einem erfolgreichen Raumfahrtprogramm.
 
Die Aliens die uns begegnen reichen von überaus kriegerisch über nervige Nachbarn zu geselligen Kollegen. Im klassischen Modus können wir deren Verhalten feiner einstellen und auch vom Start weg Bündnisse festlegen. Im Storymodus sind diese im Verhalten entsprechend dem Kanon fest eingestellt.


Einige der Rassen sind dabei für den Spieler gesperrt. Namentlich die Korthaz, die Harkan und die Varianer. Trotzdem: Die Rassenauswahl geht dennoch absolut in Ordnung.


Multitaskingfähig
Eine echte Besonderheit an Horizon ist der Ansatz der Imperiumsverwaltung. In jedem bisherigen 4X Spiel beschäftigte sich ein Planet immer mit genau einer Sache. Kam es euch nicht auch immer unrealistisch vor das 17 Milliarden Menschen bzw. Tentakelträger an einem Schlachtschiff arbeiten?

In Horizon gibt es daher keine klassische Baukette. Stattdessen verfügt jeder Planet über mehrere, voneinander unabhängige, Baulisten. Wir können also problemlos zeitgleich eine Flotte Abfangjäger in Auftrag geben die nach und nach fertiggestellt werden, während in den Werften ein neuer Kreuzer als Flaggschiff gefertigt wird.

Planeten gibt es dabei in den unterschiedlichsten Ausführungen: Von lebensfeindlichen Säurehöllen über ausgedörrte Wüsten und Metallplaneten hin zu terranischen Paradieswelten. Durch Gebäude können wir die Kolonien in ihrer Effizienz verbessern. Ein Planet mit toller Landschaft ist zB prädestiniert für ein Kolloseum, eine Rennbahn und Vergnügungsviertel um Touristen auszuquetschen.

Auf einem Metallplaneten macht Landwirtschaft naturgemäß keinen Sinn, Fabriken werden dort aber auf Hochtouren laufen. Zwar sehen wir die errichteten Gebäude nie auf der Planetenoberfläche, Horizon versucht uns aber mit kleinen Animationen darüber hinwegzutrösten. Das mag nicht die Lösung sein die sich Master of Orion-Fans gewünscht hätten: Mehr Flair als in Stardrive oder Endless Space hat es aber auf jeden Fall!

Im Laufe einer Partie können es Dutzende von Planeten werden um die wir uns kümmern müssen. Das vorbildliche Planeteninterface sorgt aber dafür dass wir nie den Überblick verlieren.


Überhaupt hat sich L3O bei der Imperiumsverwaltung viele Gedanken gemacht: Planeten haben teilweise kleine Secrets wie zB Edelsteinminen oder Überreste einer alten Zivilisation. Diese Schätze können wir entdecken indem wir ein Aufklärungsschiff mit der Untersuchung des Planeten beauftragen. Wirklich spielentscheidend ist es nicht: Wir können im klassischen Modus auch komplett darauf verzichten. Es verleiht der Galaxie aber Flair. Es gibt uns das Gefühl das vor uns schon wer da war.

Dennoch: Sobald wir das Terraforming beherrschen suchen wir vorrangig nur noch nach großen Planeten. Auch die in der Anfangsphase des Spiels noch wichtige Spezialisierung wird somit teilweise überflüssig. Wir reagieren nur noch auf sehr spezielle Feats wie Mineralien, Forschungsboni oder Tourismusattraktionen.

Ein zusätzlicher Knackpunkt ist dass es keinerlei speziell erforschbare Gebäude gibt. Dinge wie Agrarroboter oder Gravitationsgeneratoren werden einfach als Prozentbonus in unsere Imperiumsstatistik eingerechneret anstatt sie als Bauoption zur Verfügung zu haben. Hier hat L3O klar Flair zugunsten der einfacheren Handhabung geopfert. Eine spieldesigntechnische Entscheidung die ich nachvollziehen kann, die meiner Meinung nach aber etwas zu teuer erkauft wurde.


Wir warten auf Godot...
Was sich im Test als echter Nervfaktor erwiesen hat war die im späteren Spielverlauf sehr hohe Zugdauer in großen Galaxien. Traditionell wird in 4X Games sehr viel im Hintergrund berechnet und Horizon ist hier keine Ausnahme. Dennoch liegt der Verdacht nahe, das Horizon die Technik moderner PCs praktisch gar nicht nutzt. Bei großen Galaxien mit vielen Imperien kann die Wartezeit zwischen zwei Zügen durchaus mal zwei Minuten und länger dauern. Wenn man dann noch bedenkt das man recht oft einfach auf "Next Turn" klicken muss um die Aushebung einer neuen Flotte abzuwarten wird es Zeit für eine Nebenbeschäftigung.


Wir wissen nicht einmal ein Millionstel Prozent der Dinge...
Es mag gewöhnungsbedürftig sein: Ich finde es genial. Neue Entdeckungen wurden in der Menschheitsgeschichte immer aus Zufällen gemacht. Sei es die Erfindung des Feuers, der Elektrizität oder der mehrläufigen Plasmakanone.

Entsprechend machen wir im Laufe des Spiels immer wieder zufällig eine Entdeckung die uns ab sofort als Stufe 0 Technologie zur Verfügung steht. Sobald wir uns ausreichend mit dieser Technologie beschäftigt haben steht sie uns regulär zur Verfügung und kann auch gezielt verbessert werden. Dabei können wir, gemäß dem Horizon Leitsatz, niemals alle Ressourcen in nur eine Forschung bündeln. Wir werden dennoch auch bei anderen Technologien Fortschritte erzielen, wenn auch sehr langsam.

Entsprechend angetan hat es mir dann auch der Schiffseditor. Da einzelne Waffen sich gegen verschiedene Panzerungen unterschiedlich gut schlagen ist es durchaus möglich seine Schiffe zu spezialisieren.

Wir können unsere Schiffe mit Abfangjägern, Raketen, Punktabwehrwaffen oder Schwerlafetten ausrüsten. Wollen wir das sich unsere Schiffe selbst in jedem Zug reparieren oder verwenden wir lieber ein Tarnsystem um gar nicht erst getroffen zu werden? Beides hat Vor- und Nachteile.

Das Konzept setzt sich bei den Panzerungen fort: Duraniumpanzer sind extrem schwer aber nahezu undurchdringlich. Bioenergetische Panzerungen sind sogar noch stärker, benötigen aber Energie und sind nicht mit Schildsystemen kombinierbar. Titanpanzerungen sind leicht und erlauben daher mehr Waffen in ein Schiff einzubauen. Zeitgleich negieren sie den Panzerdurchschlag von hochentwickelten Waffen und helfen gegen Kristallwaffen der Harkan.


Vom Kriege...
Die logische Konsequenz all dieses schönen Schiffbaus ist dann der Weltraumkampf. Hier kommt dann alles zum Einsatz was das Herz begehrt: Raketenkreuzer, Trägerschiffe, wendige kleine Jäger mit Tarnsystemen oder riesige Raumschiffe die ganze Planeten mit einer einzigen Salve auslöschen können.

Ich setzte vor allem auf spezialisierte Schiffe: Während kleine, Jäger mit Fusionsantrieben die gefährlichsten Schiffe im Erstschlag durch konzentriertes Feuer auslöschen setzen sich riesige, mit hunderten von Bomben bestückte Superschlachtschiffe in die Nähe des Planeten.

Hierdurch kann eine etwaige planetare Verteidigung in einer Salve ausgelöscht werden. Stark bewaffnete Kreuzer schalten dabei die verbliebenen Großkampfschiffe des Gegners aus. Etwaige Jäger werden von den Punktabwehrwaffen ausgeschaltet bzw. von unseren eigenen Jägern aus den Unterstützungsschiffen auseinander genommen.

So ist der Schlachtablauf nicht streng rundenbasierend sondern das Ergebnis von Inititiativewerten. Grob gesagt sind Schiffe mit Fusionsantrieben vor denen mit zB organischen Triebwerken dran. Kleine Schiffe vor großen Schiffen.

Die Energie unseres Reaktors spielt ebenfalls eine Rolle: So können wir meist wesentlich mehr Waffen mitnehmen als wir tatsächlich abfeuern können. Jedes eingebaute System zehrt am knappen Energiepool. Wenn wir wirklich alle Waffen abfeuern wollen bedeutet dies, das wir im schlimmsten Fall stationär bleiben müssen und danach unser Tarnsystem keine Energie mehr hat weil die Akkus leer sind.

Die Schlachten erreichen dabei die Qualität des Klassikers Master of Orion 2. Schon lange hatte ich keine so schön umgesetzten Raumschlachten mehr! Vorausgesetzt man mag rundenbasierte Kämpfe.

Was jedoch gar nicht klar geht sind Planetare Invasionen: Hier werden einfach zwei Counter runtergezählt und am Ende haben wir wahlweise gewonnen oder verloren. Grafisch sieht das so aufregend aus wie die Speisekarte von Ottos Würstchenwunder um die Ecke. Nirgends hatte ich bei Horizon so stark das Gefühl das es einfach hingerotzt wurde wie hier.



Diplomatie für Anfänger

Nach dem Krieg ist es Zeit für Verhandlungen. Und Horizon schafft es dabei immer wieder mich in ein Wechselbad der Gefühle zu werfen. Auf der Habenseite steht die Vielzahl an Möglichkeiten die wir bei Verhandlungen haben.


Freihandelsabkommen, Nichtangriffspäkte, das Verhängen von Wirschaftssanktionen oder auch das Zugeständnis die Raumhäfen einer anderen Rasse zur Betankung der eigenen Flotten zu nutzen: Hier ist alles drin und alles dran. Wird zu Beginn noch mit einigen Millionen Credits ein Handelsabkommen besiegelt stehen später ganze Sonnensysteme am Verhandlungsplan.

In den meisten 4X Spielen war es so, dass man andere Rassen durch eigene Forderungen so verärgern konnte das ein Bündnispartner sämtliche Kontakte zu einem abbrach. Es war eine der großen Schwachstellen von Master of Orion 2. In Horizon lehnen unsere Gesprächspartner einfach ab oder stellen eine entsprechende Gegenforderung. Wir riskieren also nicht mehr unsere Beziehungen restlos gegen die Wand zu fahren nur weil wir gerne eine Technologie oder ein Grenzsystem haben möchten.

Andererseits erlaubt sich die KI in der Diplomatie teils schwere Patzer: Eine Rasse die uns im Krieg Tribute abliefert aber einen von uns im Gegenzug angebotenen Friedensvertrag ablehnt? Das ist im höchsten Maße unnachvollziehbar und passiert zumindest auch auf "Normal" noch wo ich solche Dinge als nicht mehr "Normal" bezeichnen würde.

Zudem gibt es - zu all den netten Ideen - auch die für Horizon obligatorischen Lücken. So ist es zB unmöglich einen echten Technologietausch zu vereinbaren und Spionage ist schlicht überhaupt nicht vorhanden.


Wir befinden uns in einer Phase der aggressiven Expansion...

So offensichtlich die Schnitzer im KI-Bereich bei der Diplomatie auch sind: Auf der Taktikkarte gibt sie sich keine Blöße. Selbst auf niedrigen Schwierigkeitsgraden expandiert die KI schnell und aggressiv. Hierdurch wird der Spieler gezwungen selbst erstmal schnell zu expandieren bevor sich die Grenzen konsolidieren.

Wer einfach nur gemütlich ausbaut wird schnell gegen die Wand gedrückt. Auch alte Hasen müssen sich nicht schämen das Spiel heimlich auf "Einfach" runterzustellen. Horizons KI ist bei Expansionen sehr spielstark, baut Planeten sinnvoll aus und wird zudem noch durch kleinere Cheats unterstützt.

Horizon richtet sich klar an die alten Hasen. Nirgends merkt man das mehr als hier.


Fazit

Horizon ist ein echtes Wechselbad der Gefühle und wird wohl nie in Verlegenheit geraten ein neues Master of Orion zu werden. Für jede gute Idee in Horizon haben die Entwickler an einer anderen Stelle geschludert. Die grenzwertige Grafik tut ihr übriges um potentielle Kunden abzuschrecken.
Wer sich jedoch von den offensichtlichen Schwächen und der veralteten Grafik nicht abschrecken lässt bekommt ein mehr als solides 4X Spiel welches auch nach vielen Stunden noch ordentlich Spaß macht. Wer sich an Stardrive satt gespielt hat und neues Futter sucht kann auf jeden Fall zugreifen.


Wertung
Pro und Kontra
  • Innovatives Forschungssystem
  • Guter Schiffsbaueditor
  • Raumschlachten im Stile eines Master of Orion 2
  • Viele Optionen in der Diplomatie
  • Vorbildliche Imperiumsverwaltung
  • Story- und Missionsmodus
  • Absolut grenzwertige Präsentation
  • Keinerlei Spionage
  • Viele zivilie Technologien sind austauschbar oder simple Prozentboni
  • Eher magerer Planetenausbau
  • KI für Neueinsteiger zu aggressiv

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(2)
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