Innovativer Shooter der alles anders macht

Dieses Review bezieht sich auf die unzensierte englische Originalfassung!

von Kontra am: 23.12.2020

An die Front des 1. Weltkrieges

Fans von Ego-Shootern haben es in Deutschland wahrlich nicht leicht. Als die grosse DOOM Welle in den 90ern losgetreten wurde schaute man als Deutscher oft in die Röhre: entweder war das Ding zu brutal für unseren Nanny-Staat oder die Handlung spielte im 2. Weltkrieg und wies dementsprechend verfassungsfeindliche Symbolik auf, sodass das Werk komplett eingezogen wurde. Teils übelst veränderte Fassungen entstanden um die Spiele doch noch an die Deutschen zu bringen, so wurden aus Menschen Aliens oder Roboter gemacht, Blut wurde entweder komplett entfernt oder anders eingefärbt und manch ein Titel wurde komplett unter die Ladentheke verbannt.

Mittlerweile sind die deutschen Jugend"schützer" auch erwachsen geworden: viele Titel die in den 90ern garantiert bundesweit beschlagnahmt wurden sind heute ganz normal mit USK Freigabe frei verkäuflich, Ur-DOOM ist jetzt ab 16 und selbst bei der verfassungsfeindlichen Symbolik wird jetzt (ungern) ein Auge zugedrückt.

Aus der ganzen Flut von Mensch vs. Alien und 2. Weltkriegsballereien kam 2009 gerade recht: mal kein 2. Weltkrieg, sondern 1. Weltkrieg gemischt mit übernatürlichen okkulten Hokus-Pokus. Da sollten die hiesigen Sittenwächter doch erleichtert sein! Denkste. 2009 waren BPJM und USK noch voll im Zensurwahn, nur eine sehr stark entschärfte Fassung wurde für den deutschen Markt ab 18 freigegeben. Ist NECROVISION wirklich so ultra-brutal?

Inszeniert wurde NECROVISION als eine Art Horror-Shooter, dementsprechend ernst nimmt sich das Spiel. Das Grauen des 1. Weltkrieges wird sehr genau dargestellt, inklusive der Gräben und des Giftgases, nach dessem Einsatz man schleunigst eine Gasmaske aufsetzen muss. Als Feinde müssen diesmal zombifierte Menschen  herhalt, aber auch Roboter und einiges an Phantasie-Gesocks.

Mit allerhand Mordswerkzeug - vom Spaten, Bayonet über die üblichen Ballermänner wie Pistole, Shotgun und Maschinengewehr ist so alles vorhanden, blutig inszeniert ist das ganze auch noch, und wenn man spezielle Kombos ausführt mit Nahkampf- und Fernwaffen gibt es sogar Extrapunkte, makabere Spielerein wie Enthauptungen per Spaten inbegriffen. Sieht man mal von den unfreiwillig komisch inszenierten Zwischensequenzen mit den britischen Soldaten ist die ganze Chose auch sehr humorlos und ernsthaft inszeniert. Kein Wunder also dass das Treiben der USK/BPJM übel aufstiess.

Ich für meinen Teil begrüsse diese ernsthaftere Inszenierung, ohne Aliens, ohne Nazis und ohne dem Duke'schen Toilettenhumor.

 

Atmosphärisch top...

...gestalten ist das Umfeld von NECROVISION allemal. Von den Schützengräbern bis hin zur unterirdischen Vampirwelt sind die Schauplätze hervorragend gestaltet und bringen ordentlich Horrorstimmung auf.

Etwas Abwechslung gefälligst? In einigen Levels bekommt man einen Mech-Kampfanzug spendiert, dann gibt es einen Level bei dem man auf einen fliegt. Es gibt optionale Challenge Levels, bei denen man gewisse Challenges erfüllen muss, als Belohnung winken Extrawaffen. Ich bin zwar kein Fan von diesem unnötigen Firlefanz, aber wer möglichst viel Neues und Abwechslung braucht kommt voll auf seine Kosten.

Die Hintergrundgeschichte wird durch Briefe weitererzählt, was sehr gut in die Handlung integriert wurde.

Ansonsten ist NECROVISION ein Oldschool Horror-Shooter: bierernst, sehr schwer und mehr (englische Version) oder weniger (deutsche Version) brutal. Angenehm aufgeräumt ist das HUD: keine übergrossen Anzeigen behindern das Sichtfeld, es gibt keine Questmarker und kein GPS das den Weg vorgibt. Lediglich ein Kompass hilft bei der Orientierung. Das gefällt mir sehr gut!

Grafisch ist das Spiel natürlich überholt, kann sich aber nachwievor sehen lassen: sie ist düster und zweckmässig. Grau und braun dominieren die Optik, aber so stellt man sich eben den Krieg auch vor.

Die Geräuschkulisse ist zweckmässig aber keinesfalls überragend, Waffensounds können zwar überzeugen, die Sprechen dafür weniger, sie wirken meist unfrewillig komisch.

 

Abstrusse Handlung, Stilbruch

Die Handlung orientiert sich am Ersten Weltkrieg und mischt Horror, Fantasy (Drachen und Vampire) mit Okkultismus, und das ganze ist genauso abstruss wie es klingt. In der Mitte des Spiels nimmt die Handlung eine überraschende Wendung und wechselt den Schauplatz. Das ganze wirkt wie ein Stilbruch und macht die abstrusse Handlung noch abstrusser. Die Polen wollten anscheinend möglichst viel einbringen, was dabei herauskam ist ein bunter Cocktail der aber nicht für jederman ist. Wer grossen Wert auf eine tiefe zusammenhängende Handlung legt ist hier definitiv falsch. Wer einen harten Horror-Shooter der alten Garde will, ohne überflüssigen Humor und mit B-Movie Qualität und die ein oder andere Arcade-Einlage nicht scheut kommt hingegen voll auf seine Kosten.

 

Fazit

Ein weiterer Lieblingsshooter in meiner Sammung: was für den einen DOOM oder WOLFENSTEIN ist, ist für mich NECROVISION oder SPACE HULK: DEATHWING. In Sachen Atmosphäre und Action punktet NECROVISION und überwiegt für mich die negativen Stellen (Arcade Action, hanebüchene Story). Wem die bunten HUD Anzeigen in DOOM ETERNAL stören, die Questmarker und Wegmarkierungen moderner Spiele nerven und lieber Oldschool Shooter im neue(re)m Gewand sucht sollte einen Blick riskieren. Vorsicht: die deutsche Version ist stark zensiert. Von mir gibt's eine 8 von 9.


Wertung
Pro und Kontra
  • Atmosphäre und Inszenierung top
  • sehr gute Locations
  • ernster Oldschool Shooter ohne GPS und Questmarker
  • innovativ und abwechslungsreich
  • viele Nahkampf- und Fern-Waffen, zweihändig kombinierbar
  • optionale Challenge Levels
  • Mechanzug und Fluglevel hätten nicht sein müssen
  • Stilbruch in der Mitte

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



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