Knapp am Meisterwerk vorbei

Mit Pfeil und Bogen in exzellenter Spielwelt auf Robo-Hatz. Durchweg mehr als solide, aber mit einigen Schwächen, für die das Spiel eben nicht ganz im oberen...

von soulKSC am: 14.08.2020

Mit Pfeil, Bogen und Fallen auf blau bis rot leuchtende Blechbüchsen schießen? Kann Horizon Zero Dawn. An Steilwänden, Wasserfällen und Abhängen herumklettern und dabei atemberaubende Landschaften im Tages- und Nachtrhythmus genießen? Kann Horizon Zero Dawn auch. Aber was kann es sonst? Um einen Einblick aus meiner Erfahrung als Spieler und Leser zu bekommen, gehe ich im Folgenden auf die Stärken und Schwächen in diversen Kategorien ein – so, wie ich sie wahrgenommen habe.

Die Open World

Gefühlt hunderte Kilometer Spielwelt, gefüllt mit eisigen Bergen, weiten Seen, Felslandschaften, Dschungel, dazwischen architektonische Meisterwerke von Städten: Horizon Zero Dawn ist ein echter Hingucker. Und auch unter der Erde finden sich Bunker und Gänge, die die vorzeitliche Schönheit des Planeten mit der futuristischen Welt der Maschinen gekonnt in Szene setzt. Einiges wiederholt sich dabei, aber nie auf eine störende Art und Weise. Kurzum: Die Spielwelt ist ein frei begehbares Meisterwerk.

Die Story

Hunderte Jahre nach dem Zusammenbruch der Zivilisation ist die Menschheit in Stämme gesplittert, die auf verschiedenen Entwicklungsstufen gefangen zu sein scheinen. Auf der Welt verteilt leben Maschinen, in Cyberpunk-Manier urzeitlichen Wildtieren nachempfunden – zuerst friedlich in Koexistenz mit den Menschen, bis eines Tages eine „Störung“ auftritt: Die Maschinen werden aggressiv, gefährlichere Typen tauchen auf. Die Menschheit ist bedroht. Inmitten dieser Entwicklung schlüpft der Spieler in die Rolle von Aloy vom Stamme der Nora, und wird mit ihr auf die Reise geschickt, sowohl ihre eigene Identität zu entdecken, als auch die Gründe für den gefährlichen Wandel der Maschinen zu entdecken und der Gefahr ein Ende zu setzen.

Über die Missionen und Quests hinweg ergibt sich eine zufriedenstellende Atmosphäre aus der Geschichte, die immer wieder für kleinere Wendungen sorgt. Die Tiefe, die sich aus einigen Zwischensequenzen ergibt, kann die Story aber nicht über die gesamte Spielzeit halten. Dadurch bleiben viele Quests und Aufgaben vorhersehbar. Dem Spielprinzip selbst schadet das kaum, aber die Mühe, die sich die Entwickler mit den vielen Datapoints und co. gemacht haben, die viele zusätzliche Details zur Geschichte verraten, verlieren durch die fehlende gesamtheitliche Verbindung an Wert. Eine etwas vertane Chance.  

 

Die Charaktere

Der weibliche Hauptcharakter Aloy bleibt leider über das gesamte Spiel hinweg der einzige Charakter mit etwas Tiefgang. Zumindest in ihrer englischen Sprachversion überzeugt sie dabei mit ihrer geradlinigen Art, in die sich immer wieder sarkastische und zynische Sprüche einmischen. Ihren Zwiespalt zwischen Identitätsfindung und „Weltenrettung“ nimmt man ihr dadurch sehr gut ab.

Die weiteren Charaktere sind nichts weiter als Beiwerk. Auch wenn wir über die Zeit mehr und mehr von Sylens erfahren, ergibt sich kein rundes Bild von ihm, und sein Eintritt wie auch sein Austritt aus der Story erscheinen sehr generisch. Auch hier wurde eine große Chance vertan, aus einem mehr als soliden Spiel noch die letzten Prozente herauszukitzeln.

 

Kampfsystem und Gegner

Für mich sind die Kämpfe das große Plus von Horizon Zero Dawn. Die Anzahl unterschiedlicher Gegner hält sich insgesamt zwar in Grenzen, aber die jeweiligen Fights sind allein durch die hohe Diversität der Wildtiere zueinander enorm spannend und fordernd. Jeder Gegner hat Stärken und Schwachstellen. Nur durch den Einsatz der richtigen Elemente setzen Speer, Bogen und Fallen den Maschinen zu.

Es macht einfach Spaß, sich in die Schlacht mit einem riesigen Blech-Drachen oder einem Stahlmonster von Krokodil zu begeben und dabei jederzeit auf die verschiedenen Moves des Gegenüber reagieren zu müssen. Und wer auf höheren Schwierigkeitsgraden spielt, merkt relativ schnell, dass nur cleveres Taktieren und das konsequente Ausnutzen der Schwachstellen zum Erfolg führen.

Der ein oder andere Gegnertyp mehr hätte es aber dennoch sein dürfen – und Kämpfe gegen menschliche Einheiten sind vergleichsweise einfach.

 

Das Level- und Questsystem

Für mich das größte Manko im Spiel ist das Zusammenspiel aus Charakterlevel und Quest. An vielen Stellen des Spiels wurde ich durch quer durch die riesige Spielwelt geschickt, habe dabei den ein oder anderen Stahlkoloss erledigt und bin mit jedem Erfolg doch recht schnell aufgestiegen. Viele Quests, die ich auf dem Weg entdeckte, entsprachen dadurch schon längst nicht mehr meinem eigenen Level – dadurch wurde das Spiel an vielen Stellen zu einfach und wenig fordernd. Hier wäre definitiv eine bessere Balance nötig, um die Schwierigkeit im Spiel gleichbleibend angemessen zu halten.

Die Quests selbst sind abwechslungsreich und bieten reichlich Wendungen. Außerdem wirken sie authentisch und hauchen der Spielwelt weiteres Leben ein. Es könnten noch ein paar mehr sein…

 

Der Skill-Tree

In vielen Fachzeitschriften wurde der Skill-Tree als kleineres Gimmick bezeichnet, als „Pseudo-Rollenspiel“-Feature. In weiten Teilen war auch das mein Eindruck. Viele der Fähigkeiten vereinfachen zwar das Sammeln von Rohstoffen oder bringen den ein oder anderen spektakulären Angriffs-Move ins Spiel. Häufig sind die Skills aber nicht wirklich nötig um sich erfolgreich durch die Gegner zu kämpfen. Einzig einige Verbesserungen rund um das Anvisieren mit dem Bogen sowie die Stärke des Speereinsatzes haben tatsächlichen, spürbaren Einfluss auf das Geschehen. Ich stimme daher zu: Mehr als ein Gimmick ist der Skilltree nicht.

 

Das Crafting

Das Crafting-System in Horzion Zero Dawn ist simpel und selbsterklärend. Dennoch lassen sich gerade für höhere Schwierigkeitsgrade wichtige Upgrades an der Ausrüstung vornehmen, die dem Spieler entscheidende Resistenzen einbringen oder den Damage-Output signifikant erhöhen können.

Die Upgrades für Beutel und Taschen hingegen sind Kleinigkeiten, die bei der Masse an Drops und Loots eher zur Nebensache werden. Für das Spiel ist das aus meiner Sicht aber kein Abbruch: Der Fokus liegt nicht auf der Charakterbildung, sondern auf den Fights.

 

Fazit

Alles in allem macht es riesigen Spaß, sich stundenlang mit elektronischen Biestern anzulegen, Quest für Quest abzuarbeiten und aberwitzige Konstruktionen und Architekturen zu bewundern, zu erklettern und selbst auf dem Gipfel des höchsten Berges noch den nächsten Stahldrachen zu bezwingen. Doch das Spiel hat aufgrund der fehlenden Abwechslung bei den Gegnern und der teils zu kurz kommenden Tiefe der Story und der Charaktere auch seine Längen – die auch durch ein manchmal frustrierendes Schnellreisesystem bei langen „Anfahrtswegen“ verstärkt werden.

Wer Spaß an wunderschöner Blechhatz im postapokalyptischen Mix aus Prähistorie und Futurismus hat, ist mit Horizon Zero Dawn stundenlang zufriedenstellend beschäftigt. Die ganz großen Noten würde ich aber ob eindeutiger Schwächen und Längen nicht ziehen.

 

Anmerkung: Technische Hürden

Bei vielen Spielern kam es wohl aufgrund technischer Probleme zu Abstürzen und Aussetzern. Ich kann nur von meiner Seite aus betonen: Ich hatte nicht einmal damit zu kämpfen – das Spiel lief bei mir fantastisch flüssig und reibungslos (Glück gehabt).


Wertung
Pro und Kontra
  • Atemberaubende Spielwelt
  • Herausragende Kämpfe
  • Tolle Gegnermechaniken
  • Starker Hauptcharakter
  • Levelgeschwindigkeit für Questdesign viel zu hovh
  • Flache Nebencharaktere
  • Wenig einflussreicher Skilltree
  • Riesige Fülle an Loot-Müll

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(2)
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