Lohnt sich der Einstieg in die Schlacht noch?

Mehr als drei Jahre sind seit Release von For Honor vergangen. Bis heute hält dem Schwertkampf-Actionspiel eine respektabel große Community die Treue.

von Larger-Than-Life am: 13.09.2020

Eine Ritterrüstung anzulegen, kann eine ganz schön langwierige Angelegenheit sein. Schließlich sollten alle Teile der Panzerung richtig sitzen, um im Kampf einen Stich setzten zu können. Und so braucht man auch in For Honor etwas Geduld und Geschick, um im Multiplayer zu bestehen. Wo zum Beispiel in Ego-Shootern auch mal ein Glückstreffer für ein Erfolgserlebnis ausreicht, ist es in For Honor nicht möglich, die Lebensleiste des Gegners mal so eben niederzuknüppeln. Gut also, dass es mit diversen Trainigsmodi und der Kampagne (zu der ich am Ende des Reviews nochmal komme) einige Möglichkeiten gibt, sich langsam an den Multiplayer heranzutasten. Das ist nämlich auch bitter nötig, um einen der über 20 Helden wirklich zu meistern.

 

Wir schwingen uns stilecht ins Getümmel. Gerade im großangelegten, mehrstufigen Sturm-Modus kommt richtig Schlachtenstimmung auf.


Memo spielen und Köpfe abschlagen
Die Kämpfer sind auf vier Fraktionen aufgeteilt: Die Wikinger, Ritter, Samurai und einen weiteren fernöstlich angehauchten Kader. Sie unterscheiden sich nicht nur durch Angriffskraft oder die maximale Gesundheit, sondern auch durch mehr oder weniger komplliziert auszuführende Special-Moves. Ich habe hauptsächlich als robuster und heftig zuschlagender Kensei sowie als flinker, beweglicher Shinobi gespielt. Als ich letztere Klasse gelernt habe, war ich wirklich begeistert, wie anders sich das Spiel plötzlich angefühlt hat. Wo ich als Kensei viel mit Körperkontakt und präzise getimten Paraden in der Defensive gearbeitet habe, eröffneten sich mit dem "Enterhaken" des Shinobi, mit dem man einen Gegner aus der Distanz heranziehen und ihm anschließend ein paar gut getimte Ohrfeigen verteilen kann, ganz andere Möglichkeiten. Auch die weiteren Fähigkeiten wie die Ausweichdashes und Rückwärtssalti unterstützten diese kontaktlosere Kampfweise.
Nach meinem Eindruck fühlen sich auch die anderen Kämpfer sehr eigenständig und durchdacht an - und über die Balance kann ich im Gegensatz zu so einigen Beschwerden aus der Community ebenfalls nicht klagen. Um das wirklich zu beurteilen, habe ich zwar noch nicht genug Stunden auf dem Spielzeittacho (Updates verändern auch regelmäßig die Meta), doch zumindest ist mir als "Casual" in den Multiplayermatches keine Klasse aufgefallen, die mir auffällig oft übermächtig vorkam.
Dazu braucht es dann aber noch eine Zutat, die ich jetzt schon des öfteren erwähnt habe - das Timing. Das ist fürwahr die halbe Miete, um im richtigen Moment auszuweichen und anschließend einen Gegenangriff zu starten. In den ersten Stunden war das für mich noch ein eher frustrierender Faktor, doch wenn erstmal eine gewisse Abgeklärtheit vorhanden ist, fühlt es sich unfassbar gut an, eine komplexe Angriffskette mustergültig auszuführen und der gegnerischen Lebensleiste beim Schrumpfen zuzusehen. Deshalb kann ich Einsteigern auch nur raten, beim Erlernen eines neuen Kämpfers immer mal wieder die Kombo-Ketten im Helden-Tutorial gegen einen Bot zu trainieren, bis die wirklich sitzen. Es gibt zwar auch ein ausführliches allgemeines Tutorial, das einem die Basics von For Honor beibringt, doch ohne die individuellen Kombos geht schon sehr viel Potenzial der einzelnen Helden verloren.
Auch die Steuerung braucht etwas Eingewöhnung. Gerade die Eigenheit, das wir die Richtung des Angriffs oder des Blocks per Mauswischer bestimmen, fühlt sich zwar durchaus intuitiv an, doch die gewisse Präzision will erstmal gelernt sein. Doch wie bei den Kombos gilt - wenn es nach ein paar Stunden läuft, dann aber richtig und die Kämpfe fühlen sich dank des hohen Aktionsradius der Maus und der direkten Eingabe samt hübschen Animationen fast schon wie echte Schwertduelle an.

 

Die Kombosteuerung könnte man auch als "Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging: Brutal Medieval Edition" verkaufen.

Zweikampf oder Burgeroberung?
Über drei Jahre nach Release sind nach meiner Erfahrung besonders die Modi 1vs1/2vs2, Herrschaft und Sturm noch so gut bevölkert, das man auch Nachts spätestens nach ein paar Minuten ein Match findet. Beim 1vs1 und 2vs2 geht es voll und ganz darum, den Gegner in intensiven Zweikämpfen den Garaus zu machen und dabei in den kurzen Runden alle erlernten Fähigkeiten abzufragen, um den Feind immer wieder aufs Neue zu überraschen. Herrschaft (4vs4) ist ein Eroberungsmodus, in dem drei Zonen kontrolliert werden müssen und der sich meiner Meinung nach gut als Einstieg in den Multiplayer eignet, auch wenn die Zählweise der Siegpunkte anfangs verwirrt. Und mit Sturm (4vs4) hat Ubisoft nach Release auch noch einen großangelegten Burgeroberungsmodus hinzugefügt, der am meisten Schlachten-Atmosphäre mitbringt und in dem die Angreifer mit ihrem Rammbock immer weiter vordringen müssen, um letztendlich den Anführer der Verteidiger zu schlagen. Dazu gibt es immer wieder zeitbegrenzte PvE-Koop-Aktionen zu speziellen Events, das Spiel wird also weiterhin aktiv unterstützt - auch mit neuen Helden.
Die Modi haben allesamt ihre Daseinsberechtigung und ergänzen sich gut. Allerdings dürften die Karten meiner Meinung nach auf das Layout bezogen gerne noch etwas kreativer sein. Optisch vielfältig in den Heimatgebieten der Fraktionen angesiedelt, habe ich gerade im großen Sturm-Modus das Gefühl, dass sich die sowieso schon ziemlich begrenzte Anzahl an Maps mit ein paar Kniffen und Eigenheiten der einzelnen Maps noch etwas unterschiedlicher spielen könnten. Da hat sich Ubisoft bei den kleineren Herrschaftsmaps zumindest etwas mehr getraut.
Langzeitmotivation entsteht also eher wegen den spielmechanisch tiefgehenden Helden und nicht wegen den Karten. Ach, und auch das Progressionssystem leistet einen Beitrag. Hauptsächlich zwar dadurch, genug Stahl (die wichtigste Ingame-Währung) anzuhäufen, um neue, durchaus teure Helden freizuschalten, denn zumindest die Starter-Edition des Spiels fährt nur drei sofort freigeschaltete Helden auf. Gut also, dass die Kämpfer nicht so schnell langweilig werden und man noch nicht freigeschaltete Kandidaten im Trainingsmodus ausprobieren kann. Zudem lassen sich Rüstung und Waffen durch Drops am Ende eines Matches verbessern, die kleinere Verbesserungen wie verbesserte Schilde oder einen verstärkten Rachemodus (der meist bei Duellen, in denen man in der Unterzahl ist, aktiviert werden kann) gewähren. Auf Dauer artet dieses System aber in eher lästiges Mikromanagement aus, man kann es aber auch nach den ersten Verbesserungen ohne großen Schaden ignorieren. Mit Stahl lassen sich außerdem allerlei Cosmetics wie besonders kreative oder brutale Finisher sowie Gesten erstehen, wenn man genug gespart hat. Alternativ muss die Geldbörse gezückt werden.


Die Kampagne führt uns optisch ansprechend quer durch die Territorien der Ritter, Wikinger und Samurai.

Eine würdige Kampagne?
Zuletzt noch ein paar Worte zur Kampagne. Die führt uns anhand eines weitgehend logischen roten Fadens durch die Regionen und Reihen der Ritter, Wikinger und Samurai und mündet in einem durchaus runden Finale. Anfangs hatte ich zwar ein wenig das Gefühl, als wäre ich plötzlich mitten in einer Folge Game of Thrones gelandet, da mit Begriffen und Ereignissen der For Honor-Lore um sich geworfen wurde, mit denen ich erstmal nichts anfangen konnte. Dann nahm der Ansatz bis kurz vor Ende aber eine Kehrtwende und so setzt die Story von For Honor weitgehend auf Gebrüll schreiender Männer. Das ist aber auch mal okay, wenn man mit eben dieser Erwartung herangeht - wir sind schließlich im Mittelalter. Die Inszenierung ist abseits der offensichtlich nicht für Zwischensequenzen gemachten Charaktermodelle gut gelungen und auch mit dem Missionsdesign haben sich die Entwickler Mühe gegeben und einige nette Überraschungen eingestreut, so dass sich die etwa siebenstündige Kampagne für Singleplayer-Liebhaber oder als erweitertes Tutorial mit gewissen Abstrichen bei den Dialogen durchaus lohnen kann.


Wertung
Pro und Kontra
  • belohnendes Kampfsystem mit hohem Skill-Cap
  • Helden mit sehr vielfältigen Spielweisen
  • geschmeidige Animationen
  • kompetente Tutorials und Helden-Trainings
  • Schlachtenatmosphäre im Sturmmodus
  • ungewöhnliche aber gelungene Steuerung
  • Kampagne mit einigen guten Ideen...
  • ...die aber recht kurz ausfällt und erzählerisch weitgehend sehr flach bleibt
  • Karten im Sturm-Modus könnten sich noch unterschiedlicher spielen
  • neue Helden recht teuer (Ingame-Währung)
  • Detailanpassungen der Helden arten in Mikromanagement aus

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



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