Männer die auf Wände starren

Vorwort vorm Test: fResort und GameStar mögen sich technisch nicht. Bilder die ich hier vom Resort verlinke verwandeln sich in Pixelbrei. Wer den Test...

von Tsabotavoc am: 08.11.2014

Vorwort vorm Test: fResort und GameStar mögen sich technisch nicht. Bilder die ich hier vom Resort verlinke verwandeln sich in Pixelbrei. Wer den Test unbebildert nicht lesen möchte findet ihn unter https://fresort.com/ao/index.php?area=user&cmd=blog&ID=1047

Keine Registrierung zum Lesen nötig und natürlich werbefrei! Diskutiert kann natürlich gerne hier werden. Wenn es Fragen zum Spiel gibt werde ich diese gerne beantworten. Und nun... zum Test!

 

Almost Human landete 2012 mit Legend of Grimrock einen Achtungserfolg: Retrospielgefühl traf auf wunderschön gestaltete Dungeons und Monster die beinahe angreifen konnte. Mit Legend of Grimrock 2 sollte alles noch schöner, noch größer und noch besser werden. Ist Legend of Grimrock 2 nun das beste Grimrock aller Zeiten? Unglücklicherweise nicht. Warum es trotzdem eins der besten Spiele 2014 ist und wo sich die Entwickler selbst ein Bein stellten - das zeigt dieser Test.



Die Insel des Dr. Moreau

 

Unsere Lage als ernst zu bezeichnen ist ungefähr so untertrieben wie zu behaupten das Angela Merkel europaweit unbeliebt ist.

Ein Sklavenschiff versinkt im Sturm und wir werden in einem Käfig an den Strand der Insel Nex gespült. Die idyllischen Strände zu Anfang täuschen: Denn praktisch alles auf dieser Insel will uns töten. Riesige Schildkröten wollen uns zerfleischen, gigantische Spinnen vergiften, Blitzdrachen grillen und Fischmenschen unter Wasser mit Harpunen aufspiesen. Was? Unter Wasser? Genau. Eine der vielen Neuerungen aber dazu gleich mehr.

Nach wie vor bewegen wir uns mit WASD feldweise in festen Schritten über die Insel und durch die Katakomben. Ein Rechtsklick auf eine der Waffen lässt uns zuschlagen, schießen oder werfen. Soweit so vertraut für Veteranen aus dem ersten Teil. Spieler die niemals Klassiker wie Lands of Lore oder Dungeon Master gespielt haben dürfen sich auf eine holprige Eingewöhnungsphase einstellen. Schon nach kurzer Zeit tänzeln wir aber um unsere Feinde wie ein Schmetterling und stechen wie eine Biene...


Kampfpanzer vs. Biene

 

Und das stechen wie eine Biene darf man wörtlich nehmen. Denn im Vergleich zu Teil 1 wurde der ohnehin schon happige Schwierigkeitsgrad noch weiter hochgedreht. Kämpfe gegen einzelne Gegner können durchaus eine Minute und länger dauern. Ein Riesenkrebs kann unsere Frontkämpfer mit zwei Treffern töten. Was tun? Wir umkreisen den Gegner sodass wir erst gar nicht getroffen werden. Das klassische Tanken funktioniert über weite Strecken des Spiels nicht. Das ist taktischer als es klingt: Die KI hat nämlich mächtig zugelegt, Gruppen von Gegnern kreisen uns schnell ein, umzingeln uns und radieren unsere Heldengruppe aus. Damit genau das nicht passiert müssen wir die Stärken unserer Recken und die Ressourcen unserer Gruppe geschickt einsetzen.

Gab es in Teil 1 nur Kämpfer, Schurke und Magier gibt es nun acht verschiedene Klassen. Wer klassische Paladine mag wird mit dem Ritter glücklich, zwei Magierklassen bedienen die Harry Potter Fans und wer schon immer Fan von bewusstseinserweiternden Substanzen und Dopingmittel war kommt um den Alchemisten nicht herum. Besonders cool: Letzterer verdoppelt nach und nach die gefundenen Kräuter in unserem Inventar. Theoretisch können uns also nie die Tränke ausgehen!

Dabei geht Grimrock 2 leider auf halbem Weg die Luft aus. Insgesamt bietet das Spiel 16 verschiedene Fertigkeiten die wir erlernen können. Anders als in Grimrock 1 kann auch ein axtschwingender Wahnsinniger Magie erlernen, die zahlreichen Waffenspezialisierungen wurden eingedampft auf leichte und schwere Waffen. Kurz gesagt: Verglichen mit Legend of Grimrock geht also bei der Charakterindividualisierung klar Tiefe verloren. Schade!


Du bist definitiv kein Zauberer Harry


Das Runensystem aus Grimrock wurde beibehalten und um einige Sprüche ergänzt. Auch hier schlug die Verschlimmbesserung zu. Während man im Vorgänger noch die einzelnen Runen der Reihe nach anklicken konnte muss man nun das Muster zum Zauber in einem Zug malen. Das mag bei einem Feuerball noch recht locker von der Hand gehen. Wenn man aber eine Entzauberung oder ein Kraftfeld erschaffen will wird der Kampf zum Krampf: Denn sobald wir das lustige Malen nach Zahlen unterbrechen müssen wir ganz von vorne anfangen.

Da wir in Grimrock 2 nur noch 5 Skillstufen haben benötigt man nun für manche Zauber zwei Zauberschulen. Wer zum Beispiel einen Feuerball wirken will benötigt Stufen in Feuer- und Luftmagie. Neue Zauber finden wir dabei entweder auf Schriftrollen oder durch pures Herumprobieren. Schön: Wenn wir einen Zauber einmal gesprochen haben wird er in unserem Charakterblatt festgehalten. Das Aufbewahren von Schriftrollen ist also nicht mehr erforderlich.

Der große Pferdefuß an der Magie: Nahkämpfer können mit einem einem einzigen Schlag der per Rechtsklick auslösbar ist wesentlich mehr Schaden anrichten da die Waffen immer besser und besser werden - Magier aber defacto auf der Stelle stehen. Wer sich selbst einen Gefallen tun will spezialisiert nur einen Charakter auf Magie.

Nex sehen und sterben

 

Worin Legend of Grimrock 2 wie gewohnt super funktioniert ist im Mehr vom Gewohnten: Hunderte von Rätseln warten darauf gelöst zu werden - die Dungeons sind riesig und abwechslungsreich. Eines meiner Lieblingsrätsel beinhaltete eine Halle voller tödlicher Stacheln. Ein Tipp an der Wand erläuterte das sich dem Blinden ein Pfad eröffnen würde. Also sämtliche Fackeln ausgemacht und siehe da: Einige der Flächen am Boden begannen hell zu leuchten - die Stacheln dort richteten keinen Schaden an.

An anderer Stelle benötigt man einen sehr speziellen Kompass um ans Ziel zu kommen und wieder an einer anderen Stelle müssen wir aus Fragmenten einer alten Sprache den Rest einer Kombination erknobeln.

Ach und wo wir gerade beim auf Wände starren sind: Wer nicht sorgfältig die Wände nach versteckten Schaltern absucht wird einen Großteil des Spiels niemals sehen.

Kurz: Die Rätsel sind kreativ und intelligent designed. Wer Spaß am Knobeln hat wird auch in Grimrock 2 auf seine Kosten kommen. Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel ist dabei teilweise extrem hoch aber immer fair: Was wir zur Lösung eines Rätsels benötigen finden wir eigentlich immer im selben Dungeon. Ausnahmen hierzu sind Rätsel bei denen wir optionale Schätze ergattern können. Diese sind nicht nur oftmals noch einen Ticken schwerer sondern erfordern teils Hinweise queerbetein von ganz Nex.

Wer wirklich alles von Nex sehen will und nicht bei jedem kleinen Stolpersteinchen sofort in den Foren nach Hilfe sucht sondern auch mal selber knobelt wird gut und gern seine 40 Stunden an Legend of Grimrock 2 verbringen. Und keine davon wird langweilig denn das Spiel gibt sich alle Mühe uns unterhaltsam zu foltern: Mal erkunden wir eine giftgrüne Sumpflandschaft, dann einen düsteren Friedhof um dann eine ägyptisch angehauchte Pyramide zu erkunden. Dabei greift natürlich das Sammelfieber: Nur noch diesen Levelaufstieg! Die Axt da hinten... Ich will sie haben. Nur noch rausfinden wie man dieses Gitter hochbekommt. Nur noch schnell den einen Machtedelstein einsammeln und ein weiteres Element herstellen...

Und ehe man es sich versieht ist es mal wieder 3 Uhr morgens.

Frustresistenz 100%

Legend of Grimrock 2 hat für besonders brave 100% Spieler noch ein alternatives Ende. Bis ich es erreicht habe war ich aber ein paar Mal kurz davor die Maus in die Ecke zu pfeffern. Warum? Schwirrende Insektenelementare die sich durch scheinbar nichts im Spiel verwunden lassen. Erst sehr viel später nach dem Erstkontakt fand ich Möglichkeiten sie doch zu verwunden. Wer unter Wasser von den Amphibienmenschen eingekesselt wird kann zwei Schritte von der rettenden Leiter ertrinken. Auch hier schafft nur eine Harpune die man als Secret findet Abhilfe. Gott sei Dank muss man nicht oft ins Wasser. Aber trotzdem: Musste das sein?

Einige der Kämpfe sind zudem schlicht unfair und ohne Vorwissen garantiert nicht zu gewinnen. Das macht natürlich einen Teil des Reizes von Legend of Grimrock 2 aus. Der Endorphinrausch nachdem man aber einen besonders schweren Boss getötet, und entsprechend entlohnt wurde ist aber unvergleichbar!


Am Ende kommt das Ende


Grimrock 2 ist genau das was es werden wollte: Ein würdiger Nachfolger zu Grimrock 1. Es hätte aber auch ein großartiger werden können: Das Klassensystem ist gegenüber dem Vorgänger eher ärmer statt reicher geworden. Das Magiesystem erfuhr eine Verschlimmbesserung. Und auch freundliche NPCs sucht man einfach vergebens.

Das alles ist aber Jammern auf hohem Niveau: Grimrock 2 ist einfach ein tolles Rollenspiel für jeden der Frustresistenz hat. Ein Spiel nach dessen Ende man das befriedigende Gefühl hat etwas geleistet zu haben.

Es ist lange her das ich mich über ein Spiel so fürchterlich geärgert habe. Mehr davon in Teil 3! Und diesmal bitte mit Klassen- und Magiesystem das näher an Teil 1 ist ja?


Wertung
Pro und Kontra
  • Knifflige Rätsel
  • Riesige, abwechslungsreiche Gebiete und Dungeons
  • Zahlreiche verschiedene Gegner mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen
  • Eher schwache Charakterentwicklung verglichen mit Teil 1
  • Verschlimmbessertes Zaubersystem
  • An manchen Stellen sehr unfair

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(5)
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