Stückwerk-Grusel mit Macken

„Im Weltraum hört dich niemand schreien“ oder „Unendlicher Raum, unendliche Angst“ sind Slogans, durch welche sich meine Adern...

von TheVG am: 27.10.2016

Im Weltraum hört dich niemand schreien“ oder „Unendlicher Raum, unendliche Angst“ sind Slogans, durch welche sich meine Adern zusammenziehen und mich ängstigen. „Alien“ und „Event Horizon“ sind Filme meines Geschmacks, und „System Shock“ ist im Spielemedium das Game, mit dem ich gerne andere wegen seiner Genialität und der unerträglichen Spannung nerve.

Mit ähnlichen Zutaten garniert geriet deshalb The Brotherhood´s „Stasis“ in den Fokus meines Interesses. Das isometrische Horror-Point&Click-Adventure der Südafrikaner dürfte also genau das Richtige für angstresistente Spieler sein, spielt ganz klassisch mit Urängsten wie Ridley Scotts Vorzeigegruseler und packt noch einen Schippen Splatter obendrauf. Eine ziemliche Bürde also, die das Entwicklerduo sich da auflud. Die Gefahr, nur ein Abklatsch zu sein, war allgegenwärtig. Ob und wie sich das Team vom schwarzen Kontinent aus der Affäre zieht, lest Ihr im Folgenden.

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Isogen

Was muss das für ein Gefühl sein, einzuschlafen und in völlig fremder Umgebung aufzuwachen? Davon kann Protagonist John Maracheck sicherlich ein Liedchen singen, denn als in Stase versetzter Schullehrer erwacht er plötzlich auf einem völlig anderen Raumschiff. Die „Groomlake“ ist ein riesiges Forschungsschiff im Orbit des Neptuns; wie John da hingelangt ist, ist ihm jedoch ein Rätsel.

Noch schlimmer ist, dass seine Frau und Tochter verschollen sind. Völlig konsterniert durchschreiten wir demnach die dunklen Gänge des leblosen Forschungsschiffes, um Rätsel zu lösen und immer tiefer in den augenscheinlichen Horror früherer Ereignisse einzutauchen. Schon bald erfahren wir von Klonexperimenten, einem besonderen Exemplar namens „Samantha“ und waten in Pfützen voller Blut. Ganz klar: Auf dem Schiff ging etwas gewaltig schief.

Blutrote Flure lassen Schlimmes erahnen...

 

John muss also seinen Ekel überwinden und Rätselaufgaben lösen, um seine Familie zu finden. Klassisch wie eh und je klicken wir uns also durch das Grauen, lesen PDA´s und lassen uns in die miese Atmosphäre hineinziehen.

 

Isochron

Als Adventure funktioniert „Stasis“ eigentlich ganz hervorragend. Die Rätsel sind im Grunde schlüssig, die Rätselelemente halten sich anfangs im Zaum und bieten dadurch einen angemessenen Einstieg. Man schleppt demnach nicht so viel Ballast mit sich herum, Aha-Effekte stellen sich schnell ein. Leider kann das Spiel das Niveau der Aufgaben nicht vollständig aufrecht erhalten. Erstens wird das Rätseldesign schnell langweilig, weil man ständig auf Computerterminals klickt und die Möglichkeiten in den einzelnen Screens sehr überschaubar bleiben. Es bleibt der Eindruck haften, dass man zu wenig im Ganzen gedacht hat; Indiz sind vor allem das sehr beschränkte Inventar. So betrachtet kann John viele Items aufnehmen. Es wird aber nur ein einziges Mal vorkommen, dass er sieben Gegenstände auf einmal mit sich schleppt, und so kehrt sich die anfängliche Annehmlichkeit des geringen Ballastes ins Negative. Lediglich einen Bohrschrauber behält man eine Zeitlang am Körper, die restlichen Gegenstände werden fast immer innerhalb weniger Bildschirme verbraucht. Ein komplex strukturiertes Spiel sieht anders aus, so präsentiert es sich allerdings wie ein Flickenteppich.

Auch das Lesen der PDA´s wird zu einer Geduldssache. Man kann vieles davon gerne vernachlässigen, wenn Nebenschauplätze zu einer Art Daily-Soap-Story verkommen. So landet man zum Beispiel in der medizinischen Abteilung und liest, wie ein schwuler Pfleger von einer Patientin genervt ist, weil sie mit einem Kollegen ins Bett steigt. Solche Humbuggeschichten sind echt nicht meins, da besinne ich mich lieber tiefgründigeren Geschichten wie etwa in Bioshock. Dramen auf RTL-Niveau sind für Horrorspiele eher kontraproduktiv, außerdem wirken Hauptstoryelemente wie der Pilzbefall auf dem Schiff wie hintendran geklebt. Für die Rätsel sind die Texte ohnehin kaum von Belang, das beschränkt sich seltsamerweise auf wortwörtlich zu nehmende Randnotizen. Das mag schlau daherkommen, ist aber eine eher konstruierte Nebensache, die nicht gerade zur Motivation beiträgt. Weiter wirken die Texte in ihrer Schreibe nicht selten unglaubwürdig. Doktoren, die in einer Art farbigen Ghettosprache reden, findet man leider zu oft.

Noomi stand Pate - Sequenzen wie diese wurden eindeutig von "Alien"-Filmen inspiriert

 

Die Diversität der Kopfnüsse hält sich also in Grenzen, und hierin sehe ich die Achillesferse des Spiels. Irgendwie fühlte ich mich genervt, ständig Terminals als Rätseleinlage anwählen zu müssen, PDA´s zu lesen, die vielleicht nette Hintergrundinfos liefern, aber zu wenig in das Quizdesign eingefügt sind, darüber hinaus können bestimmte Tagebucheinträge wahre Atmosphärekiller sein.

 

Isoliert

Wenn auch die Bestandteile nicht gerade zu Jubelsprüngen animieren, ist „Stasis“ ein ziemlich intuitives Spiel. Keine unnötigen Klickorgien sind vonnöten, um auf dem Bildschirm zu interagieren, und es kann sogar ein gewisser Spielfluss entstehen, der die Motivationskurve auf gutem Niveau hält. Wenn man das Game unter dem Gesichtspunkt der gruseligen Unterhaltung angeht, dann dürfte sich zeitweise das beabsichtigte Gruseln einstellen, und auch die Bedienung hindert einen nicht am flüssigen Spielen. Hier hat sich The Brotherhood Gedanken gemacht, und das kann ich auch entsprechend honorieren.

Es wird sich jedoch der Punkt einstellen, an dem die Story über die Stränge schlägt. Erstens sind die Erzählelemente mit der Zeit mit Längen versehen, neue Infos werden nur spärlich gesät, und die PDA-Berichte treten erzählerisch auf der Stelle. So liest man recht schnell doppelt und dreifach über denselben Vorgang, und irgendwann weiß man bis zum Abwinken, was mit dem „Samantha“-Klon geschehen ist. Das ist aber nur die halbe Miete von „Stasis“. Der Plot verliert sich schnell in Nebensächlich- und Unsinnigkeiten, Goreelemente als Rätselbeigabe wirken an den Haaren herbeigezogen. So fragt man sich unweigerlich, wie man denn jetzt einen organischen Fleischklumpen mit einem Revolvergriff jetzt einfach mal so „veredelt“ hat. Na ja, jedenfalls ist es ein wichtiges Rätsel, das zum Weiterkommen nötig ist; darauf zu kommen gleicht jedoch einem Kunststück.

Es gibt viel zu lesen. Die PDAs taugen jedoch fast nur zum schmückenden Klischee

 

Bleibt eigentlich nur noch zu erwähnen, dass das Finale ein wenig schrottig wirkt. Den Antagonisten Dr. Malan hat man schnell vergessen, und den allerletzten Storytwist hat man sich schlicht und ergreifend aus dem Ärmel gezogen. Für das Adventuregenre, in dem die Story das letzte, starke Bindeglied darstellt, ist das bedauerlicherweise der falsch eingeschlagene Weg. Zirka ab der Mitte des Spiels stellt sich demnach eine Ernüchterung ein, die dem geneigten Genrefan zu viel abverlangt.

 

Isometrie

Technisch etwas limitiert präsentiert sich der Ekelhorror dennoch von einer recht guten Seite. Die isometrische Ansicht ist vielleicht nicht immer übersichtlich, aber verdammt atmosphärisch gestaltet worden. Die wenigen Texturenmacken, die man ab und zu mal ausmachen kann, sind zu vernachlässigen, die Belichtung wirkt teils sehr organisch und stimmig. Leider gibt es trotzdem einiges zu bemeckern. Unsere Hauptfigur läuft gerne mal unsinnig im Raum umher, die Wegfindung ist also etwas schlampig programmiert worden. Noch schlimmer sind aber die Animationspatzer. Bewegungen werden regelmäßig abrupt abgebrochen, um eine neue Sequenz zu starten. Da muss man sich schon ein recht dickes Fell anlegen, um das übersehen zu können, gerade weil sich The Brotherhood sonst sehr viel Mühe mit der Optik gegeben hat. Für 2015 ist das jedoch zu wenig. Auch in der Umgebung wirkt so manches hingeschludert. Da müht sich das Duo für eine richtig gut ausschauende Animation eines Transportcontainers ab, um dann Wasserbewegungen nicht konsequent einzufügen. Ein mit Methan überfluteter Raum darf da noch Wellen schlagen – ein Abwasserfluss oder Säurebad wiederum nicht. Diese Schludrigkeiten sind immer wieder festzustellen, und solch schwankende Aufwandsentschädigung muss ich natürlich stark abwerten.

"Stasis" setzt auf Atmosphäre - funktioniert, wirkt aber schlampig umgesetzt

 

Die Qualität von Sound und Musik stinkt dagegen nicht ganz so stark ab. Die Musik wurde wohl gewählt, passt zur angepeilten Atmosphäre – zumindest fast immer. Die epochalen Auswüchse gen Schluss hätte man sich dagegen gerne sparen können. Bei den Soundeffekten ist es insofern ein zweischneidiges Schwert, als dass die wohl gesetzten Töne nicht zum etwas limitierten Animationsablauf passen mögen. Immerhin lässt sich bei den Sprechern kaum etwas bemängeln. Die sind wohl gewählt und fangen die Stimmung fast immer sehr gut ein. Da diese immer mit Text unterlegt sind, war die Entscheidung, die Verdeutschung nur auf den Text zu beschränken, eine gute. Bis auf wenige Ausrutscher ist die Lokalisation sehr gelungen.

 

Is-over

Stasis“ kann man als durchaus ambitioniert ansehen, und ich will gar nicht verhehlen, dass im Großen und Ganzen die Leistung für gerade mal zwei Einzelpersonen eine enorme ist. Nur leider betrachtet man sich solche Spiele als Genrefan und unter mehreren Gesichtspunkten nicht nur durch Respektsbekundungen für die entwicklerische Ausgangslage

Es liegt zu vieles am Adventure brach, wirkt in sich nicht schlüssig genug. Die Story wurde eindeutig von großen Vorbildern inspiriert, vor allem vom „Alien“-Franchise. Es gibt demnach Momente, die stark nach Abkupfern riechen, etwa die Entdeckung einer Überlebenden, die nach ihrem Ableben bettelt. Die Story versemmelt sich all die Vorschusslorbeeren der ersten Hälfte in der zweiten reihenweise selbst, die Nebenschauplätze machen teils gar keinen Spaß und wirken plump. Auch in technischer Hinsicht sind immer wieder kleine Makel zu entdecken, die dem sonstigen Charme Kratzer zufügen. Da stellt sich zu Beginn ein angemessener Grusel ein, um sich dann in die Belanglosigkeit zu manövrieren. Schade. Sehr schade.


Wertung
Pro und Kontra
  • Stimmige Isografik
  • Teils gute Animationen
  • Licht und Schatten atmosphärisch
  • Soundtrack
  • Gute Sprecherleistung
  • Wohl durchdachte Bedienung
  • Rätseleinstieg angemessen
  • Story schnell spannend
  • Dichte Atmosphäre
  • Angemessene Spielzeit
  • Optisch nicht zu Ende gedacht
  • Animationen werden gerne ausgelassen
  • Rätseldesign wirkt nicht rund
  • PDA-Berichte teils übel kitschig und unglaubwürdig
  • Übles Finale

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(1)
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