Über den Wolken

Irrational Games macht gerne ungewöhnliche Spiele. Diesem Prinzip bleiben sie auch in »Bioshock Infinite« treu. Natürlich macht man sich...

von Geron1985 am: 07.12.2013

Irrational Games macht gerne ungewöhnliche Spiele. Diesem Prinzip bleiben sie auch in »Bioshock Infinite« treu. Natürlich macht man sich damit unter den Spielern auf dem Massenmarkt nicht nur Freunde, doch das ist den Entwicklern um Ken Levine herzlich egal. Ihnen geht es um das Spielen an sich, um das Herz und die Seele ihrer Produkte.

 

Gameplay

Wie seine Vorgänger ist »Bioshock Infinite« ein waschechter First-Person-Shooter, auch wenn das Hauptaugenmerk des Spiels eher auf der Erzählung, als den Schießeinlagen liegt. Der Spieler kann, bzw. muss aus mehreren Feuerwaffen wählen, von denen er aber immer nur zwei gleichzeitig mitschleppen kann.

Dafür wird das Waffenarsenal, wie schon in Bioshock 1 und 2, durch Spezialkräfte ergänzt, die wir dieses Mal aber nicht durch eine selbstgesetzte Spritze wieder auffüllen, sondern durch einen kräftigen Schluck aus der Flasche.

Elizabeth, unsere liebreizende Begleiterin, unterstützt uns in den Kämpfen selbstständig, indem sie uns Munition oder Verbandszeug zuwirft. Dabei kann sie sehr gut auf sich selbst aufpassen, sucht selbstständig Deckung und bleibt außerhalb der Schussbahn.

Die Level sind sehr linear aufgebaut, um einen optimalen Storyfluss zu ermöglichen. Diese Linearität wird durch das Leveldesign jedoch gekonnt kaschiert, wodurch der Spieler kaum das Gefühl bekommt geführt zu werden. Trotz der schlauchigen Level fühlt die schwebende Stadt Columbia sich wie eine große, offene Welt an.

Anders sieht es da mit den Kämpfen aus. Die bestehen großteils aus eher stupiden Angriffswellen der Gegner. Es erscheint so, als würde unser großer Widersacher uns einfach Welle um Welle seiner eigenen Leute entgegenschicken, die zwischen durch immer mal wieder auf uns trifft und dann abebbt, um einer Ruhephase zu weichen, in der uns (fast) kein einziger Gegner über den Weg läuft. Als wären alle Soldaten unseres Gegners an einem einzigen Ort versammelt und von Zeit zu Zeit werden einige von ihnen ausgesandt, um gegen uns zu kämpfen. Realistisch und glaubwürdig geht anders. 

Wer ein herausforderndes Gameplay mit schwierigen Kämpfen erwartet, wird allerdings enttäuscht werden. »Bioshock Infinite« lebt von seiner Story, der Spielwelt und den Charakteren; die Kämpfe bewegen sich allesamt auf einem eher einfachen Niveau.

8/10

 

Story

Es hätte so einfach sein können. Booker DeWitt sollte nur ein Mädchen aus der schwebenden Stadt Columbia retten und dafür sollten all seine Schulden auf einen Schlag beglichen werden. Doch schnell muss Booker feststellen, dass sehr viel mehr hinter seinem Auftrag steckt, als er vermutet. Statt einfach nur ein Mädchen zu retten, wird er in eine bizarre Reise durch die Dimensionen verwickelt, die nicht nur seinen Verstand an die Grenzen treibt.

Die Story von »Bioshock Infinite« ist wahrlich keine leichte Kost. Genau darin liegt die große Stärke des Spiels. Selten hat mich ein Computerspiel derart zum Nachdenken gebracht, selten waren meine Gehirnzellen bei einem Spiel so gefordert, um der Handlung folgen zu können. Damit hebt sich »Bioshock Infinite« auf großartige Art und Weise vom Einheitsbrei des Massenmarktes ab und sorgt in einem stark vom Mainstream geprägten Genre für echte Erfrischung und Abwechslung.

Die Charaktere können dabei locker das Niveau des Plots halten. Booker DeWitt ist alles andere, als der tolle, strahlende Held, der die Welt vor dem Bösen rettet. Der ehemalige Söldner ist hoch verschuldet, seine Psyche ist vom Krieg vernarbt. Zudem trägt er ein grauenhaftes Geheimnis in sich, das nichtmal er selber kennt und das ihn endgültig in den Abgrund stürzen könnte.

Unsere Begleiterin Elizabeth scheint auf den ersten Blick die hilflose, naive Jungfrau in Nöten zu sein, die vom Helden gerettet werden muss. Doch bald schon stellt sich heraus, dass weit mehr hinter ihr steckt, als hinter ihrem hübschen Äußeren zu vermuten wäre. Ihre Fähigkeit, Risse in andere Dimensionen zu öffnen, macht nicht nur den Menschen um sie herum Angst, sondern auch ihr selbst. Und so entwickelt sich Elizabeth im Spielverlauf zu einer der geheimnisvollsten und interessantesten Personen der Spielegeschichte, wenn nicht gar die interessanteste Figur der Spielegeschichte.

Anders als die meisten weiblichen Figuren in Computer- und Videospielen, ist Elizabeth nicht bloß schmückendes Beiwerk. Sie versorgt Booker im Kampf mit Ausrüstung und Munition, knackt Schlösser und verhält sich stets glaubwürdig, wie eine reale Person. Sie gibt Kommentare zu bestimmten Schauplätzen und Situationen ab und eröffnet stets im passenden Moment Gespräche, die nie aufgesetzt oder gekünstelt wirken.

Ein weiterer großer Pluspunkt der Story ist, dass sie nicht einfach bloß unterhalten will. Sie transportiert eine Botschaft und übt Gesellschaftskritik. Vor allem am überzogenen amerikanischen Patriotismus, der hier zu einer faschistischen Pseudo-Religion ausgebaut wird.

10/10

 

Atmosphäre

Wie von Irrational Games gewohnt, ist auch in »Bioshock Infinite« die Atmosphäre unheimlich dicht. Das Spiel verschlägt den Spieler in das Jahr 1912 und die Spielwelt fängt diese Epoche in jedem Augenblick perfekt ein. Soundkulisse und Grafikstil sind so stimmig, wie ich es nur äußerst selten in einem Spiel erlebt habe und die hervorragende deutsche Synchronisation tut ihr Übriges. Jede einzelne Figur wurde erstklassig besetzt und die Sprecher konnten ihre Rollen wahrhaftig zum Leben erwecken. Hierfür gebührt Irrational Games und 2K ein dickes Lob. Es ist absolut vorbildlich, wie viel Mühe nicht nur in die englische, sondern auch die deutsche Vertonung investiert wurde.

Auch grafisch hat der Entwickler geklotzt, statt gekleckert. Es ist schon sehr beeindruckend, was aus der alten Unreal Engine 3 noch alles herauszuholen ist, bzw. war. Die Umgebung wurde mit ebenso viel Liebe zum Detail gestaltet, wie die Charaktere.

Columbia ist der Inbegriff der »amerikanischen Lebensweise«; pompös, strahlend hell und unwirklich. Die Stadt ist so überzeichnet, dass sie im Spieler ein Unwohlsein auslöst, das Gefühl, sie sei falsch und dürfe gar nicht existieren. Es ist eine Beklommenheit, die im völligen Gegensatz zum strahlenden Grafikstil steht und so ein einzigartiges Spielerlebnis schafft.

Im Verlauf der Geschichte verändert Columbia sich dann um einen herum. Während die Stadt zu Beginn des Spiels in ihrer vollen Blüte steht, geht sie durch das Erscheinen des Spielers langsam unter und die Spielwelt wird immer düsterer. Dieser Wandel ist hervorragend gelungen, wirkt sehr glaubhaft und geschieht sehr flüssig, ohne mit der Holzhammer-Methode vorangetrieben zu werden. 

Aufgepeppt wird das Ganze durch viele wahnwitzige Momente und einer Prise Humor. Auch Gefühl kommt nicht zu kurz. Immer wieder gibt einem das Spiel die Gelegenheit etwas zur Ruhe zu kommen. In diesen ruhigen Szenen bekommen wir Einblicke in die Gefühlswelt von Elizabeth und Booker und lassen sie beide uns immer mehr ans Herz wachsen.

10/10

 

Balance

Wie bereits erwähnt lebt »Bioshock Infinite« von der Story und den Charakteren. Die Kämpfe sind eher simpel geraten und stellen den Spieler kaum vor echte Herausforderungen, besonders wenn Elisabeth Booker im Kampf unterstützt.

Immerhin enthält das Spiel noch einen sogenannten 1999-Modus, der den Schwierigkeitsgrad doch deutlich anhebt. Leider muss dieser Modus aber erst freigeschaltet werden, indem man das Spiel auf einem der drei normalen Schwierigkeitsgrade durchspielt. Schade, denn gerade Profis werden sich im normalen Modus unterfordert fühlen.

Hinzu kommt, dass einige der Spezielkräfte mehr oder weniger überflüssig sind. Zwei oder drei dieser Fähigkeiten sind absolut ausreichend.

7/10

 

Umfang

Mit etwa 16 Stunden ist die Spielzeit durchaus gut bemessen. Etwas mehr hätte es schon sein dürfen, allerdings sind auch diese 16 Stunden längst nicht mehr selbstverständlich für einen Ego-Shooter.

Auch die Ausstattung der Retail-Versionen kann sich sehen lassen. Die Premium Edition enthält u.a. ein Artbook mit Hardcover, eine kleine Handyman-Figur, einen Schlüsselanhänger, einen Downloadcode für den Soundtrack.

10/10

 

Fazit:

45/50 -> 90% 


Wertung
Pro und Kontra
  • - Fesselnde Story
  • - Interessanter Held
  • - Grandiose Begleiterin
  • - Tolle Atmosphäre
  • - Packendes, ungewöhnliches Ende
  • - Niedriger Schwierigkeitsgrad
  • - Wenig intelligente Gegner

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



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