Viele gute Ansätze, aber die Nachhaltigkeit fehlt

Rezension: „Titanfall“ + alle DLCs — Version 1.0.10.1 — Plattform: Origin

von ModuGames am: 19.07.2020

Call of Duty, die Vorzeigereihe von Infinity Ward aus dem Hause Activision, ist zweifellos eine der wichtigsten Serien im First-Person-Shooter-Segment. Doch viele Spieler konnten mit der Entwicklung der Reihe nach Modern Warfare (2007) nur wenig anfangen. Vor allem zu Beginn der 2010er war die Enttäuschung groß – Modern Warfare 3 (2011) und Ghosts (2013) mussten viel Kritik einstecken. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten viele der ursprünglichen Entwickler allerdings schon bei der Konkurrenz: Sie hatten sich unter dem Namen „Respawn Entertainment“ neu gegründet und entwickelten einen Ego-Shooter für Electronic Arts. Die Hoffnungen waren also groß, dass diese Veteranen ein Spiel abliefern würden, das den neuen Call of Dutys zeigt, wo der Hammer hängt. Besagtes Spiel trägt den Namen Titanfall und erschien im März 2014. Jetzt stellt sich also für mich die Frage: Ist es wirklich besser als CoD? Und taugt das sechs Jahre nach Release überhaupt noch was?

Wer braucht schon eine Story, wir haben Titans!

Titanfall spielt weit in der Zukunft. Zwei verfeindete Fraktionen, die IMC und die Miliz, führen einen Krieg gegeneinander, der durch den Einsatz von Titans, riesigen Kampfanzügen, geprägt ist... und viel mehr kann ich auch schon nicht mehr zur „Story“ sagen. Dafür gibt es jetzt zwei Erklärungsmöglichkeiten: Entweder bin ich einfach nur schlecht darin, das Setting von Titanfall angemessen zu erläutern, oder das Spiel hat ein massives Problem mit seiner Lore. Vermutlich ist beides der Fall, aber ich möchte mich auf letzteren Aspekt konzentrieren. Ja, Titanfall mangelt es an Exposition, denn es fehlt eine Singleplayerkampagne, die die Zusammenhänge erklärt. Dabei fände ich gerade hier ein paar Hintergrundinformationen wichtig – wir reden hier ja nicht über einen typischen Modern Military Shooter, wo relativ klar ist, wer die Amerikaner und wer die Terroristen sind. Was hat es denn nun mit der IMC und der Miliz auf sich? Es gibt riesige (ziemlich cool aussehende) Großkampfschiffe im Spiel, die sich mit Überlichtgeschwindigkeit fortbewegen können – gibt es dafür eine Erklärung à la Mass Effect? Warum werden die Konflikte mit Mechs ausgetragen? Bei Fragen dieser Art hilft auch das kryptische Renderfilmchen namens „Einführung“ nicht, das man auf Wunsch im Hauptmenü abspielen kann. Was für eine verpasste Chance.

Kampagnen sind ja prinzipiell eine tolle Sache. Wenn man hingegen zwangsweise Mitspieler braucht, führt das letztendlich zu einem toten Spielmodus.

Doch halt! Es gibt anscheinend eine Kampagne, nur nicht für den Einzelspieler. Das bringt mich zu meinem nächsten Punkt: Titanfall ist komplett auf Mehrspielermodi ausgelegt, von denen es insgesamt zwölf gibt. Problematisch ist hier natürlich, dass das Spiel schon sechs Jahre alt ist und bereits über einen Nachfolger verfügt. Heißt: Die Spielerzahlen sind extrem niedrig. Tatsächlich wird sogar angezeigt, wie viele Spieler weltweit online sind – dieser Wert lag in den letzten paar Wochen, in denen ich Titanfall intensiv gespielt habe, nie über 50. Folglich sind die meisten Modi des Spiels tot, was auch die Mehrspielerkampagne betrifft (die aber ohnehin nicht sonderlich gut gewesen sein soll). Die noch aktiven Spieler beschränken sich auf die Modi „Materialschlacht“ und „Grenzlandverteidigung“. Letzterer ist ein recht kurzweiliger Hordenmodus, der allerdings schnell repetitiv wird und für halbwegs kompetente Teams zu leicht ist. Der Materialschlacht widme ich mich später noch ausführlicher. Die Frage ist doch nun: Reichen ein bis zwei Spielmodi aus? Für mich persönlich schon, denn ich habe auch in den meisten anderen Shootern meine zwei bis drei Favoriten und lasse den Rest links liegen, aber vielen Spielern dürfte das zu wenig sein.

Warum die Smart-Pistol furchtbar ist

Trotz des Namens spielt man in Titanfall standardmäßig einen Piloten, also einen normalen Soldaten, der die besagten Mechs steuern kann. Diese Piloten stecken allerdings wiederum in einem hochmodernen Anzug mit eingebautem Jetpack. Folglich können sie Doppelsprünge ausführen, an Wänden laufen und auch an diesen hängen bleiben. Dieses Bewegungssystem ist für mich das beste Element des gesamten Spiels. Selten hat es so viel Spaß gemacht, einfach nur durch die Map zu laufen, denn selbst komplexe Manöver wie das Wallrunning gehen einfach von der Hand und fühlen sich unheimlich befriedigend an. Das reine Gunplay unterscheidet sich allerdings nicht allzu sehr von anderen First-Person-Shootern. Ein Loadout für einen Piloten besteht aus einer Primärwaffe, einer Handfeuerwaffe, einer Granate und zwei Perks (genannt „Kits“). Dazu kommt noch eine extraschwere Titanenabwehrwaffe, damit man den großen Kollegen auch als Pilot noch etwas entgegensetzen kann.

Verstößt garantiert gegen irgendwelche Genfer Konventionen: die Smart-Pistol Mk5. Gegner innerhalb des roten Bereichs werden automatisch anvisiert – mit Kugeln, die ihr Ziel selbstständig finden! Der Schütze muss nur noch abdrücken. 

Umfangsmäßig ist das jedoch alles ein wenig dürftig, so gibt es gerade einmal zehn Primärwaffen, die sich dafür aber auch alle recht unterschiedlich spielen. Unter diesen befindet sich jedoch auch die sogenannte „Smart-Pistol Mk5“. Die visiert Gegner innerhalb eines gewissen Rahmens automatisch an und gibt dann einige Schüsse ab, die immer treffen. Ich will es hier ganz offen sagen: Das Teil ist scheußlich! Was passiert, ist nämlich, dass in manchen Spielen jeder zweite Depp mit dieser Smart-Pistol durch die Gegend rennt und wie ein Frosch auf Speed durch das Level springt. Es ist in Titanfall nämlich recht schwer, Piloten, die sich springend fortbewegen, mit konventionellen Waffen zu treffen. Für Leute mit Smart-Pistol ist das aber überhaupt kein Problem, denn die visiert ja automatisch an. Argh! Ich habe in meiner Spielerlaufbahn ja schon so einiges gesehen, aber ein komplett legaler Aimbot ist mir auch noch nicht untergekommen.

Standby for Titanfall

Doch widmen wir uns dem Aushängeschild des Spiels: den Titans. Hierbei handelt es sich um circa sieben Meter hohe Mechs, die bis an die Zähne bewaffnet sind. Von diesen gibt es drei Varianten: den Ogre (stark gepanzert, aber langsam), den Stryder (schnell, aber leicht gepanzert) und den Atlas (mittlere Geschwindigkeit und Panzerung). Die Spielmechanik hinter den Titans ist timerbasiert, das heißt, dass man seinen Mech erst nach einer gewissen Zeit im Spiel anfordern kann (die Zeit lässt sich aber auch durch Kills und angerichteten Schaden verringern). Dieses System finde ich besser als die Killstreaks aus CoD, da so auch schlechte Spieler die Möglichkeit haben, einen Titan zu erhalten. Wann man einen solchen Titan anfordert, wird er aus der Atmosphäre abgeworfen, wobei man den Ort genau bestimmen kann – deshalb auch der Name des Spiels.

Der Atlas ist der Allrounder unter den drei Titans. Grundsätzlich spielen sich die großen Mechs aber nicht allzu verschieden. Individualität schaffen die Waffen, Fähigkeiten und Kits, mit denen man seinen Titan bestücken kann. 

Ich muss hier sicher nicht erst noch erwähnen, dass diese übergroßen Kampfanzüge extrem stark sind. Wenn man diese als Pilot bekämpfen will, braucht man schon eine der bereits erwähnten Titanenabwehrwaffen. Alternativ kann man aber auch auf den Rücken der Mechs springen und die inneren Systeme direkt angreifen. Titans besitzen nämlich Schilde, die sich regenieren können, was Angriffe von außen ausgesprochen schwierig macht. Dennoch finde ich die Kampfstärke der Titans im Vergleich zu den Piloten angemessen. Die Balance leidet eher an anderer Stelle, so kann es vorkommen, dass ein Titan gegen drei bis vier Titans des Gegnerteams antreten muss – da kommt man nicht lebend raus. Es ist natürlich ärgerlich, wenn man von Titangruppen systematisch gejagt wird, aber auf der anderen Seite kann man argumentieren, dass Spieler ja nicht dazu gezwungen werden, auf Titans zurückzugreifen. Ich selbst habe mich des Öfteren dabei ertappt, dass ich absichtlich das ganze Match als Pilot verbracht habe. Zum einen weil man als Titan natürlich ein riesiges Ziel ist, zum anderen weil ich das Pilotengameplay tatsächlich etwas unterhaltsamer finde.

Gute Karten & ein unterhaltsamer Modus

Die besonderen Bewegungsmöglichkeiten der Piloten und das Vorhandensein von riesigen Mechs wirken sich natürlich auch auf das Mapdesign aus. Die 24 Karten des Spiels (mit allen DLCs) sind größenmäßig eine Stufe über Call of Duty angesiedelt, da die Titans ja Platz zum Manövrieren brauchen. Dies bedeutet auch, dass viele Häuser und Hallen mit sehr großen Eingängen ausgestattet sind, um auch für Titans passierbar zu sein. Generell setzt das Spiel auch sehr auf Vertikalität, damit die Doppelsprünge gut zur Geltung kommen, und viele senkrechte Flächen für Wallrunning. Außerdem gibt es oft auch Seilrutschen, die sich hervorragend zur schnellen Fortbewegung eignen, und andere nette Details wie automatische Geschütze, die man hacken kann. Insgesamt gefällt mir das Mapdesign wirklich gut – unter den zwei Dutzend Karten befindet sich keine, die ich als „schlecht“ bezeichnen würde, zumal sie optisch sehr unterschiedlich sind (Wüste, Sumpf etc., sogar eine Computersimulation!).

Auf dieser Karte geht es ziemlich sandig zu, doch Titanfall bietet eine Vielzahl an unterschiedlichen Szenarien. Auch spielerisch können die Maps überzeugen. 

Dennoch erreichen die Karten nie die epische Größe eines Battlefield. Dies liegt daran, dass der beliebteste Modus in Titanfall, die Materialschlacht, gerade einmal sechs gegen sechs Spieler unterstützt. Für etwas mehr Leben sorgen KI-Soldaten, die allerdings quasi keine Gefahr darstellen. Apropos Materialschlacht: Dabei handelt es sich im Wesentlichen um ein Team-Deathmatch. Die Runde endet entweder nach zwölf Minuten oder wenn eines der beiden Teams 300 Punkte erreicht hat, wobei KI-Kills nur wenig Punkte einbringen, ein Titan aber schon deutlich mehr. Der Kniff an der Materialschlacht ist aber auch, dass sie mit dem Absprung aus einem Raumschiff beginnt, man also nicht einfach auf der Karte startet. Am Ende der Runde versucht das Verliererteam wiederum, mit einem Raumschiff zu entkommen. Das ist ein ganz nettes Feature, aber auch nichts Weltbewegendes.

Wie steht's mit der Langzeitmotivation?

Neben den eigentlichen Gefechten gibt es auch ein Progressionssystem, da man so etwas als moderner Shooter ja anscheinend haben muss. Dementsprechend schaltet man Loadouts, Waffen, Aufsätze und dergleichen frei, gleichzeitig kann man 50 Ränge erklimmen. Wie lange habe ich dafür gebraucht? Laut Origin 20 Stunden, die Ingame-Uhr spricht sogar nur von 13. Das ist nicht viel und das wussten die Entwickler wohl auch, deswegen gibt es ein Prestige-System, wie man es auch aus CoD kennt, hier heißt es nur „Generationen“. Wer also den Maximalrang erreicht hat, kann sein Level zurücksetzen und noch einmal alles von vorne freispielen. Die Belohnung: eine Plakette und ein Erfahrungs-Multiplikator. Ich habe das System für diese Rezension einmal ausprobiert und mich auf Level 50 in der zweiten Generation gekämpft, habe also das Spiel de facto zweimal abgeschlossen. Wirklich befriedigend war das nicht, ganz im Gegenteil: Ich finde diesen ganzen Freischaltkram und die zahllosen Herausforderungen, die Titanfall einem an den Kopf wirft, eher nervig. Aber gut, wer's braucht, der kann bis Generation 10 aufsteigen, nur für mich ist das nichts.

Burn Cards verschaffen mächtige Vorteile, aber dies auch nur einmal. Diese Mechanik stellt sich schnell als unnötig heraus.

Es gibt übrigens auch eine Spielwährung, mit der man Dinge wie Stimmen und Insignien für die Titans freischalten oder Herausforderungen überspringen kann. Sprich: ziemlich nutzloses Zeug. Dementsprechend besitze ich auch gegenwärtig über 200.000 Einheiten der Währung, habe aber kein Interesse, sie auszugeben. Erwähnenswert ist auch das System der „Burn Cards“. Hierbei handelt es sich um einmalige Boni, die man in einem Match aktivieren kann und bis zum Spielende oder bis zum Tod anhalten, etwa stärkere Waffen und dergleichen. Auch das halte ich für ein unnötiges System, das man sich hätte sparen können. Mehr Mechaniken machen ein Spiel nicht notwendigerweise besser!

Hübsche Designs, aber mit einem Haken

Zu guter Letzt möchte ich mich noch der Präsentation widmen. Dabei ist mir vor allem aufgefallen, dass der Soundtrack quasi nicht existiert. Ich musste mich mehrfach im Optionsmenü versichern, dass die Musik angeschaltet ist, aber dennoch wollte sich die klangliche Untermalung nicht einstellen. Dafür sind die Soundeffekte im Allgemeinen aber vollkommen solide. Die Grafik wiederum ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits sieht Titanfall so aus, wie man es von einem AAA-Shooter aus dem Jahr 2014 erwartet, in dieser Hinsicht kann ich nicht klagen. Vor allem die Designs der Titans finde ich großartig.

Die Gefechte zwischen den Titans sind auch heute noch hübsch anzusehen. Das Spiel schwächelt aber bei Performance und Soundtrack.

Die grafische Qualität kann aber dann doch nicht ganz mit dem schieren Maßstab eines Battlefield 4 oder dem irrsinnigen Detailgrad von Crysis 3 (beide 2013) mithalten. Das ist aber Kritik auf hohem Niveau, mir geht es um etwas anderes, nämlich um die Performance. Mein System (GeForce GTX 980, i7-6700k @ 4,0 Ghz, 16 GB DDR4) kann Titanfall auf manchen Karten nicht mal mit mittleren Einstellungen flüssig darstellen. Klar, mein PC ist gegenwärtig nicht mehr der schnellste, aber nach den Maßstäben des Frühjahrs 2014 wäre das ein fantastischer Rechner. Die Optimierung hätte also gerne etwas besser ausfallen dürfen.

Fazit

Um auf meine Frage aus der Einleitung zurückzukommen: Ist Titanfall besser als Call of Duty? Für mich persönlich: ja. Ich muss allerdings sagen, dass ich nur Modern Warfare 1 bis 3 und Black Ops 1 kenne, also nehmen Sie meine Einschätzung bitte cum grano salis. Das tolle Bewegungssystem, die guten Maps und die wirklich unterhaltsamen Titans geben für mich einfach den Ausschlag. Gleichzeitig muss man konstatieren, dass CoD mit Kampagne, Multiplayer und irgendeiner Variation des Zombiemodus ein deutlich besseres Gesamtpaket bietet. Titanfall fehlt es an Nachhaltigkeit – das Spiel pfeift, was die Spielerzahlen angeht, bereits aus dem letzten Loch und wird in einigen Jahren wohl komplett tot sein. Deswegen kann ich auch keine ernsthafte Empfehlung mehr aussprechen. Dennoch: Ich hatte meinen Spaß an Titanfall, auch wenn ich es begrüßt hätte, wenn Respawn Entertainment mehr in Richtung Oldschoold gegangen wären (keine Freischaltungen etc.). Das wäre sicherlich nicht so erfolgreich gewesen, hätte das Spiel aber angenehm vom Mainstream-Standard abgegrenzt. So ist Titanfall für mich ein klassischer 70er: Spaßig, aber durchaus mit einigen signifikanten Problemen. Diese verfluchte Smart-Pistol!


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(2)
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