Der Reiz von Retro
Das entzückende Revival der altmodischen Rollenspiele.
Retro. Das klingt irgendwie ranzig, nach Mittdreißigern in Tweedjackets, die in abgewetzten Schalensesseln lümmeln und im Takt von Bonnie Tylers »Total Eclipse of the Heart« Eierlikör aus Schokohütchen schlürfen. Wer will schon altmodisch sein in einer Welt, die jeden Tag so viel Neues hervorbringt? Nun ja, viele Spieler zum Beispiel – insbesondere Rollenspieler. Rollenspieler, denen moderne Abenteuer von The Elder Scrolls 5: Skyrim bis Mass Effect zu sehr auf Kawumm und Radau setzen als auf Köpfchen und Ruhe. Rollenspieler, die intelligente Dialoge lesen (!) und Nebenquest-Geschichten verfolgen wollen, die schon für sich genommen weit mehr Tiefgang entfalten als die allermeisten Shooter-Plots. Rollenspieler, die Einzelkämpfer-Helden bemitleiden und gerne Gruppen in taktische Gefechte führen. Kurzum: Wahre Rollenspieler, die sich nach den glorreichen Tagen von Baldur’s Gate zurücksehnen, von Icewind Dale und Planescape Torment.
Project Eternity soll nun diese Tage wiederbringen. Die Fallout: New Vegas-Macher von Obsidian verstehen ihr Kickstarter-finanziertes Abenteuer als technisch modernisierten, aber inhaltlich originalgetreuen Thronfolger von Baldur’s Gate, betreut vom Icewind Dale-Chefdesigner Josh Sawyer und dem Fallout-Vater Tim Cain. Wir sind zu Obsidian in die USA geflogen und haben mit den Entwicklern über ihre Pläne gesprochen, jede brauchbare Information zu dem Mammut-Projekt aus dem Studio geschleppt und in die Titelstory dieser GameStar gedruckt.
Und wo wir gerade sowieso die alten Werte hochhalten, haben wir uns gleich noch mit Colin McComb unterhalten, dem ehemaligen Co-Autor des Rollenspiel-Klassikers Planescape: Torment, der nun für dessen inoffiziellen Nachfolger Torment: Tides of Numenera verantwortlich zeichnet – und damit für das bislang erfolgreichste Kickstarter-Spieleprojekt: 4,2 Millionen Spendendollar sammelte das vom Wasteland-Veteran Brian Fargo geleitete Studio inXile für das neue Torment. Da sage noch mal einer, Retro sei ranzig. Die Zeit ist einfach reif für die Rückkehr der altmodischen, aber zeitlos genialen Rollenspiele.
Möglich wird dieses Comeback durch die Schwarmfinanzierung, also das Sammeln von Fangeldern, ob über Kickstarter oder andere Plattformen. Dass dieses Crowdfunding auch in anderen Genres großartige Blüten treibt, zeigen MechWarrior Online und Project Cars – das eine der Traum jedes Kampfroboter-Piloten, das andere der Traum jedes Rennfahrers. Auch wenn wir uns sicher sind, dass längst nicht jedes Crowdfunding-Projekt tatsächlich Hit-Potenzial entfaltet, bereichert die Fanfinanzierung unser Hobby doch um Sparten, die wir eigentlich schon tot und beerdigt glaubten. Wie eben die Retro-Rollenspiele, über deren Revival wir gar nicht entzückter sein könnten. Ganz im Gegensatz zum Bonnie-Tyler-Comeback beim Eurovision Song Contest, aber das nur am Rande.
Ihr GameStar-Team
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