Am Thema vorbei erzählte Fortsetzung

Ich liebe die „Pate“-Filme, ich mag auch allgemein solche Geschichten, weil sie oft mit Moral, Ehre und mit schlagkräftigen...

von TheVG am: 25.03.2013

Ich liebe die „Pate“-Filme, ich mag auch allgemein solche Geschichten, weil sie oft mit Moral, Ehre und mit schlagkräftigen Überzeugungsargumenten vollgestopft sind. Und ich mochte das erste „Mafia“-Spiel schon, weil es sich einerseits genau in dieser Schiene bewegte, gleichzeitig die Zeit der Prohibition mitsamt fahrbarem Untersatz so glaubhaft vermittelt worden war. 2010 war auch endlich der zweite Teil erschienen, in dem derselbe Entwickler aus Tschechien unter anderem Namen eine zweite Story zu erzählen versuchte, technisch in neuem Gewand und noch glaubwürdigerer Spielwelt. Mittlerweile ist das Spiel für ´nen schlappen Zehner im Laden erhältlich, aber ist das Spiel auch etwas für GTA-Verehrer, oder scheitert es doch an seinen Ambitionen, viel Geschichte in ein Open-World-Spiel zu quetschen?

 

Der neue Tommy

Nachdem im Vorgänger unsere Figur Tommy Angelo sein Leben ließ, darf sich acht Jahre später der junge Vito Scaletta in Angeboten versuchen, die man nicht ablehnen kann. Wegen eines Bruchs zwangsrekrutiert und in seiner Heimat während des Zweiten Weltkrieges als Soldat eingesetzt, erwartet ihn bei seiner Heimkehr nur der Rat seiner Mutter, wie sein Vater durch harte Arbeit seine Sporen zu verdienen. Doch passt dem das Kistenschleppen überhaupt nicht, also hält er sich lieber an seinen besten Kumpel Joe, der mittlerweile Fuß bei der lokalen Mafia gefasst hat. Also klinkt sich Vito dort ebenso ein und kann sich bald den Respekt der Familien ergaunern.

„Ergaunern“ ist schon ein zweischneidiger Begriff, in dem in einem Spiel dieser Art der Protagonist durchaus sympathisch ist und die Motive für sein Tun in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft durchaus nachvollziehbar sind. Dabei rutscht Vito nicht wie sein Vorgänger in die Fänge der Familie, sondern tut das durchaus bewusst. Und wenn der Spieler bewusst, also als Fan des Vorgängers, ähnlichen Spielspaß erwartet, wird im Sequel ebenfalls auf seine Kosten kommen. Die Steuerung wurde trotz Multiplattform-Entwicklung gut umgesetzt und führt uns nebenbei noch passend in die Story ein. So lernen wir erst einmal fahren, verprügeln bald den ersten Finsterling (der unsere Schwester bedroht) und legen uns mit der Knarre im Anschlag als Autodieb mit einer Bande an. Jeder der Aktionen funktionieren mit einer eigenen Tastaturbelegung, basierend auf dem üblichen WASD-Prinzip, hätte aber auch durchdachter sein können. So fummelt man sich teilweise hindurch, wenn wieder etwas komplett anderes ansteht – intuitiv sieht in diesen Fällen anders aus.

 

Open Schlauch

Aber mal Butter bei die Fische, denn Mafia lebt sehr von seiner Storyentwicklung. Die Zwischensequenzen sind top inszeniert, haben größtenteils Hollywood-Niveau und treiben die Geschichte sehr gut voran. Dazu passen auch die Ingame-Abschnitte, in denen wir öfter mit einem alten 40er-Jahre-Boliden unterwegs sind (später 50er). Das Empire Bay, in dem wir leben, fahren und zum Verbrecher werden, könnte authentischer kaum sein. Alte Backsteinhäuser, schmutzige Industrieviertel, passendes Wohnungsdesign, verschneite Straßenzüge, usw. etc. pp. – als Vito in einer Zeit nach dem Krieg fühlt man sich sofort pudelwohl. Doch auch genau hier ist die Achillesferse des Spiels zu erkennen. Anders als in GTA-Gefilden spielt nur die Story eine übergeordnete Rolle, und das Open World dient nur als zu groß geratene Kulisse. Es ist ja toll, wenn man ein bisschen durch die Stadt tuckern kann und sich an den Schauwerten erfreut, aber spielerisch gibt es kaum etwas, das uns so richtig vom eigentlichen Weg abzubringen vermag. Dass man im Waffenshop sein Inventar aufstocken, sich neu einkleiden und am Auto rumwerkeln kann, ist definitiv zu wenig, um als echte Konkurrenz für Rockstars Vorzeigesandkasten zu dienen, da alternative Aufgaben Mangelware sind; außer vielleicht Steckbriefe sammeln oder Playboy-Magazine finden, die unseren Achievement-Wahn aktivieren könnten.

Wer dagegen auf einen roten Faden hofft, wird mit einem dicken Strick belohnt werden. Storyfreaks werden somit eine typisch aufgezogene Mafiageschichte erleben dürfen, die sehr vielschichtig, wenn auch ab und an etwas zu schematisch im Aufbau, daher kommt und Vitos Laufbahn wie schon einst Tommys zu einem intensiven Erlebnis machen. Schön ist auch, dass beim Einsteigen in einen Wagen die Erzählung noch lange nicht vorbei ist und den Erzählfluss stören würden. So werden die Dialoge dann auch weitergeführt, während wir uns durch den Stadtverkehr bewegen, das fördert den Unterhatlungsfaktor deutlich. Manchmal werden diese Abschnitte auch zu wahren Höhepunkten. Wenn Vito zum Beispiel seine Kumpels Joe und Eddie zu einer entlegenen Sternwarte kutschieren muss, und die beiden sich lallend über den Gestank im Wagen auslassen, sind Lacher garantiert. Übrigens ist Joe auch der Grund, warum Vito sein Leben nicht so aufziehen kann, wie er es will. Die Ideen seines Kumpels bringen unseren „Helden“ regelmäßig zur Verzweiflung.

Alles schön und gut, aber wenn schon die Stadt zum Erkunden einlädt, dann will man das ja auch nutzen können. Theoretisch kann man das auch gerne tun, nur fühlt man sich in Empire Bay so, als müsse man nach dem Prinzip „Anfassen, aber nichts berühren“ vorgehen. Die meisten Häuser außer die storyrelevanten sind nicht begehbar, und auch die Besuche in den Shops machen nur Sinn, wenn mit ihnen eine Aufgabe verknüpft ist – außer vielleicht die Werkstätten, in denen man sich seine Karre individuell anpassen darf. Und selbst da ist man ein bisschen zu sehr  eingeschränkt. Vier Farbtöne und zehn Satz verschiedene Reifen, da hat man schon deutlich mehr gesehen, auch wenn das natürlich hilft, dem Fahndungslevel der zahlreich patroullierenden Polizisten zu entkommen. Mit dem Fahndungslevel ist das auch so eine Sache, weil es unglaubwürdig ist, sich in einer Schießerei 4 Sterne zu verdienen, die im Kaiptel danach sofort wieder verschwunden sind.

 

Streunerkarriere

Innerhalb der Erzählung sieht das schon wieder anders aus. Das Problem damit ist schlicht, dass sich in Empire Bay kein Heimatgefühl einstellen will. Unser Protagonist wechselt öfter seine Unterkünfte wie so mancher Mafioso die Familienclans. Erst ist man als Untermieter bei Joe unter, bekommt später eine eigene Bleibe, danach sogar ein Häuschen im Grünen, um einen Brandanschlag später wieder bei Joe zu landen. Vielleicht wurde das so gewählt, um die Risiken des Mafialebens darzustellen, doch so richtig Sinn macht dieses Nomadenleben in einer großen Stadt auch nicht. Während wir mit Tommy allmählich die Stadt kennenlernen durften, wird man als Vito ständig von einer Absteige in die andere verfrachtet, und so wird gar die Stadt selbst ein befremdliches Pflaster bleiben.

Abwechslung ist indes in den Storymissionen zu verzeichnen, die vielleicht nicht vor Unterschiedlichkeiten strotzen, aber der Mix aus Fahrmissionen und Schusswechsel macht durchaus viel Laune. Dazwischen nerven dann doch noch solche Miniaufgaben wie „Geh ins Kleidergeschäft und zieh dich um.“, die in ihrer Relevanz regelmäßig abstinken. Zum Glück ist dieser Kleinkram in den Actionsequenzen nicht spürbar, denn da ist „Mafia 2“ nicht mehr als ein „Mass Effect“ oder „Gears of war“, inklusive Deckungssystem oder auch automatischer Heilung. Auch das kannte man im Vorgänger fordernder, so dass Vito keine 20 Anläufe für eine simple Schießerei benötigt. Es wiederholen sich die Kommentare von Joe als KI-Partner, der zusätzlich uns die meiste Arbeit überlässt, was wiederum nichts Schlechtes sein muss – Zu einfach hätte ich es auch nicht gebraucht. Apropos KI: Die ist nicht so strunzdumm wie in aktuellen Titeln befürchtet. Sie geht in Deckung, schießt auch mal wahllos über Hindernisse hinweg, leider bleiben Einsatz von Granaten oder Molotows ihrerseits eher die Ausnahme. Sobald die Schergen jedoch mit einer Tommygun bewaffnet sind, heißt es aufpassen. Die Jungs sind treffsicher, was vor allem im späteren Spielverlauf für vertrackte Situationen sorgt.

Mit den Autos zu hantieren ist ebenfalls spaßig und sogar intuitiv. Wie bei Open World üblich, gibt es mehrere Radiosender, die gerade das spielen, was für die Zeitpunkte der Story auch so gelaufen ist. Ein bisschen Big Band in den 40ern, danach welchselt die Musik zum Rock´n´Roll. Da passen auch die DJ-Ansagen, die öfter mal über Schießereien und Morde berichten, in die wir gerade zuvor involviert waren. Weiter kann man natürlich hupen, die Handbremse ziehen oder aus dem fahrenden Wagen springen, dabei ist das Schadensmodell zumindest optisch sehr ausgefeilt. Die Oldtimer reagieren darüber hinaus auch sehr unterschiedlich im Fahrverhalten, da freut man sich immer wie ein kleiner Junge über schnittige Cabrios, die ordentlich PS unter der Haube haben. Nur ist da das Problem mit der generischen Welt. Haben wir mal so einen Flitzer unter´m Hintern, findet man auch an fast jeder Straßenecke so einen, ein Kapitel später jedoch nicht mehr. Hallo, Logik?

 

Ein Bild von einem Spiel

Technisch ist Mafia 2 im Jahr 2010 nicht wegweisend gewesen, aber erstens moderat in den Hardwareanforderungen sowie in sich sehr stimmig. Das beginnt schon in den Zwischensequenzen, die sehr homogen gestaltet wurden. Zwar sind da auch Renderfilmchen mit drin, die aber qualitativ kaum einen Unterschied zu den restlichen Abschnitten machen. Die Szenen zeichnen ein einheitliches Bild der 40er und 50er Jahre, stimmig in der Licht- und Schattengestaltung und sehr gut animiert. Das sah schon im Vorgänger sehr imposant aus und wurde hier konsequent weitergeführt. Zigaretten und Rauch, Whiskygläser oder Glasbausteine – da wurde sehr auf den Look geachtet und sieht auch entsprechend aus. Kleine Mäkel sind die spärlichen Gesichtsanimationen sowie ein paar Texturen, die aus näherer Betrachtung heraus zu matschig aufgeklebt sind.

Dabei ist auch der Look von Empire Bay sehr stimmig, der sich nahtlos in das Spielgefühl einordnet. Vielleicht ist Vegetation nicht ganz gelungen, aber die Gebäude, Straßen und allerlei Kleinzeug vermitteln mir das Gefühl von Authentizität. Die Wagen spiegeln schön die Welt wieder und reagieren in vielen Belangen optisch sehr nachvollziehbar, auch zu Fuß wurde auf viele Bewegungsdetails geachtet.

Die vielseitige Soundkulisse rundet indes den Eindruck einer glaubwürdigen Spielwelt ab. Fußtritte, Türen, Telefonklingeln, Wagengeräusche – auch hier blutet „Mafia 2“ echtes Nachkriegsfeeling. Die Waffengeräusche wirken ebenfalls sehr authentisch. Bei der Musik wurde alles aus den Archiven gekramt, das zur Epoche passt, und auch der Originalsoundtrack wurde vom Prager Symphonieorchester toll eingefangen. Letztlich spiele ich das Spiel sehr gerne in deutscher Sprache. Da sind gleich mehrere professionelle Sprecher am Werk gewesen, sei es Brendan Frasers germanisches Alter Ego oder das von Homer Simpson. Da stinkt sogar die englische Version ein bisschen ab, obwohl die gewohnt guter Qualität ist.

 

Fazit

Wer Open World wollte, wird schwer enttäuscht sein. Zwar fährt man in malerischer Kulisse durch die Gassen und ist in stylische Schießereien verwickelt, aber kann „Mafia 2“ nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ein reines Storyspiel mit einer Fata Morgana von Sandbox-Anteil ist. Wer diesen Umstand so annehmen kann, dem wird eine intensiv erzählte Fortsetzung geboten, die in Sachen Inszenierung und Spannung seinen Vorgänger sogar noch weit übertrifft. Da muss sogar Tommy Angelo das Zeitliche segnen, und das nicht nur wegen des technischen Fortschritts...


Wertung
Pro und Kontra
  • Stimmiger Grafikstil
  • Gute bis sehr gute Animationen
  • Authentische Soundkulisse
  • Toller Soundtrack
  • Jederzeit stimmige Nachkriegsatmosphäre
  • Gegner-KI in vielen Fällen ausgefeilt
  • Fahrverhalten je nach Modell unterschiedlich
  • Top-Handlung mit vielen authentischen Charakteren
  • Seltener Texturenmatsch
  • Gesichtsanimationen
  • Open World nur Kulisse
  • Ein paar Steuerungsmacken
  • Wenig Auswahl an Kleidung und Tuning

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(3)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.