Als die Satelliten die Erde beherrschten

Die Welt wird von machtgierigen Megakonzernen regiert. Geld ist mehr wert als menschliches Leben. Während einige Wenige alles besitzen ist die Masse der...

von Tsabotavoc am: 25.07.2017

Die Welt wird von machtgierigen Megakonzernen regiert. Geld ist mehr wert als menschliches Leben. Während einige Wenige alles besitzen ist die Masse der Menschen nichts weiter als ein Rohstoff der nach Belieben von den Privilegierten ausgebeutet wird.

Dieses sehr dystopische Weltbild wurde 1993 von Bullfrog Productions mit dem Echtzeittaktikklassiker Syndicate gezeichnet.

Wir schreiben das Jahr 2015. Das dystopische Weltbild von 1993 sieht, dank CDU und anderen Neoliberalen, gar nicht mehr so dystopisch sondern eher realistisch aus. 5Lives Studios – bestehend aus 5 Veteranen der Spieleindustrie huldigen dem Klassiker auf ihre Weise. Sie erschaffen Satellite Reign.

Für alle die die TLDR-Variante bevorzugen ein kleines Testvideo mit Impressionen aus dem Spiel! Natürlich auch gerne für all jene die den Test lesen :)

 

Die Stadt gehört dir!

 

Sex sells! Auch in der Zukunft.

 

In Syndicate eroberten wir die Welt. Eine Hintergrundstory hatte es auch aber die würde mir nichtmal mehr einfallen, wenn ihr mir eine Knarre an den Kopf haltet.

Satellite Reign backt hier deutlich kleinere Brötchen. Hier geht’s nur um eine Stadt. Aber diese ist wirklich großartig in Szene gesetzt. Von Downtown starten wir unseren Weg nach oben in insgesamt vier Distrikte. Downtown ist größtenteils eine Müllkippe, durchsetzt von finsteren Seitengassen und natürlich der obligatorischen Chinatown. Wyvern Inc. hat hier das Sagen. Eine Gang die sich hinter einem Firmennamen versteckt und für Dracogenics den Vollstrecker macht.

Leuchtreklamen und ausgedehnte Parks mit moderner Kunst zieren das Grid und im Industrieviertel kann man keine zehn Meter gehen ohne vor einer riesigen Fabrik zu stehen.

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Wie wir unser großes Ziel, Dracogenics zu stürzen, erreichen bleibt uns dabei vollkommen selbst überlassen. Wenn wir einen finanziellen Engpass haben könnte sich ein Besuch im Tresor der örtlichen Bank lohnen. Die Bank hat aber ziemlich viele Kameras. Da würde es doch ganz gut passen, wenn wir vorher CSV besuchen, den Sicherheitsdienstleister der Stadt, um deren Software zu manipulieren. In das Firmengelände von CSV würde es einen schönen Schleichweg geben. Aber die Gaslecks dort würden uns umbringen. In der Fertigungsanlage von UzyCorp gäbe es einen Prototyp zu holen für ein Implantat das uns das Atmen in giftiger Atmosphäre erlauben würde. Natürlich könnten wir um das Implantat zu kriegen auch den Schwarzmarkt konsultieren aber das ist natürlich teuer.

Oder wir bestechen die Wachen am Eingang damit die einfach das Haupttor öffnen und einen Spaziergang machen. Oder aber wir machen was Verrücktes. Warum nicht diesen NED 208 Kampfroboter hacken der da die Straße entlangwatschelt und mit dem mal kurz anklopfen? Oder man macht irgendwas ganz Anderes auf das ich noch nicht gekommen bin. Und ehe man sich versieht hat man mal wieder komplett das Ursprungsziel aus den Augen verloren und es ist zwei Uhr morgens.

Dadurch dass das Spiel als riesige Open World angelegt ist können eben verrückte Dinge passieren, wenn wir in den normalen Ablauf der Dinge eingreifen. Ein weiteres Beispiel? Wir wollen einen Bankomaten hacken. Nur sind da jede Menge Polizisten unterwegs. Kein Problem: Wir hacken einen Zivilisten ein Stück entfernt und erschießen in Sichtweite der Wachen einen anderen Zivilisten mit dem armen Tropf. Die Polizisten stürmen los um das arme Schwein zu verhaften. Wir lassen ihn Fersengeld geben – die Meute die gerade eben noch einen unschuldigen Bankomaten bewacht hat ist nun weg. Der Weg für unseren Hacker ist frei. Geld hat eben auch seinen Preis!

Unsterblichkeit hat ihren Preis

Und für unzufriedene Mitarbeiter haben wir uns jetzt was ganz Besonderes einfallen lassen...

Unser Ziel ist es Dracogenics vom Thron zu schubsen und deren ResTech für unsere Zwecke zu nutzen. Kurz und einfach: Besagter Konzern hat erfolgreich das Brainmapping umgesetzt. Wer stirbt kann sein Bewusstsein und sein Wissen einfach in einen neuen Körper transferieren. Das Problem: Man braucht einen neuen Körper weshalb die Unter- und Mittelschicht in dieser Welt einfach nur neue Körper für die Superreichen sind. Auch wir machen uns die ResTech zunutze: Wenn unsere Agenten sterben wachen sie bei einem Teleporter wieder auf in einem passenden Wirtskörper. Damit das System also läuft brauchen auch wir regelmäßig neue Körper denn die bestehenden Klone werden immer schlechter je öfter wir sterben und neue Klone haben oftmals umfassende Boni. Unspielbar ist es mit Basisklonen nicht. Aber doch teils deutlich schwieriger.

Spezialisiert bis geht nicht mehr

Nein das ist nicht die Wahrnehmung von einem Hippie im Colarausch - so sieht die Stadt aus wenn wir uns die Verbindungen von Sicherheitselementen anzeigen lassen. Dafür brauchen wir den Unterstützer.

Unser Team setzt auf klare Rollenteilung: Nur der Soldat kann schwere Waffen sinnvoll einsetzen und Generatoren lahmlegen. Nur der Hacker kann die Bioimplantate der Gegner hacken und die Sicherheitsterminals ausschalten. Der Infiltrator kann sich nicht nur unsichtbar machen sondern auch mit dem Katana lautlos Gegner im Nahkampf ausschalten. Zudem ist er ein Meister am Scharfschützengewehr. Der Unterstützer ist genau das: Er kann die Gruppe heilen und die Zeit verlangsamen. Das ist im Prinzip eine als Fähigkeit getarnte taktische Pause die das Spiel auch bitter nötig hat.

Und hier liegt auch schon der Hase im Pfeffer: Die Fähigkeiten müssen wir nach und nach durch Erfahrungspunkte freischalten. Das motoviert zum Weiterspielen. Und es frustriert wenn man vor einem Türschloss steht das man nicht öffnen kann weil 1 Fertigkeitspunkt fehlt.

Eine seltsame Lernkurve

Hier muss irgendwo ein Nest sein! Ist auch so: Die Jungs kommen alle aus dem Rolltor rechts...

Das Spiel muss sich hier leider auch einige Vorwürfe gefallen lassen: Es ist Anfangs stellenweise unfair schwer. Das Spiel nimmt einen nicht an der Hand, sagt einem nicht das einem gewisse Ressourcen fehlen. Wer frohgemut Anfangs die Wyvern Inc. angreift wird schnell von deren Vollstreckern ins Jenseits geblasen. Gerade zu Anfang überleben unsere Agenten ein Feuergefecht gegen mehrere Gegner kaum. Auch die Schleichwege sind teils sehr limitiert. Wer nicht in hohe Luftschächte kann, sich nicht vernünftig an Stahlseilen abseilen kann und sich schwer tut Kameras zu hacken wird teils in Wege gezwungen die nun mal bockschwer sind.

Je mehr Ausrüstung einem zur Verfügung steht, je mehr Fertigkeiten die eigenen Agenten haben, desto besser kann man sich an die jeweilige Situation anpassen. Und natürlich ist eine Plasmagatling deutlich beeindruckender als die Maschinenpistole mit der wir anfangs rumrennen.

Kurz und gut: Leicht wird Satellite Reign nie. Aber Anfangs fehlt einem einfach viel vom Werkzeug um die Herausforderungen die einem das Spiel in den Weg wirft zu schaffen.

Das Satellite Reign schwierigkeitsmäßig nicht abrutscht ist dem Aufrüsten unserer Gegner zu verdanken: Während wir Anfangs hauptsächlich gegen Leichte Infanterie in Begleitung von Drohnen antreten müssen gesellen sich schon nach kurzer Zeit deutlich stärkere Enforcer mit Panzerung hinzu. Gegen Ende bekommen wir es dann mit Störsoldaten, explodierenden Selbstmordrobotern, riesigen Kampfmechs, Spinnenpanzern und extremer Feuerkraft zu tun.

Die Balance passt, wie bei den meisten Indiespielen, nicht immer und auch die KI gibt sich öfter mal die Blöße. Wenn Gegner direkt in uns stehen und trotzdem nicht entdecken beginnt man die Rekrutierungspolitik der Konzerne ernsthaft zu hinterfragen.

Der nicht so stealthy Stealthschuss

Dieser gekaperte NED 208 kennt keine Gnade. Er hat die Wachen am Tor bereits alle getötet und nimmt sich nun die Verstärkungen vor. Die eigentlichen Übeltäter - unsere Agenten - sehen sich das Ganze gemütlich von der Parkbank aus an.

Stellt euch folgende Situation vor: Euer Infiltrator schleicht sich hinter zwei Wachen. Ihr gebt den Befehl für einen Schuss aus dem Hinterhalt der das Ziel sofort tötet. Danach, so der Plan, tötet ihr den Kollegen mit einem schnellen Katana-Angriff und setzt euren Weg ungesehen und ungehört fort.

Was wirklich passiert: Als erstes bricht euer Infiltrator mehrmals den Befehl ab weil die Wachen um Ecken gehen und er sich konsequent weigert diesen zu folgen. Danach schießt er der Wache mit einem Scharfschützengewehr das so laut ist wie drei Jumbojets beim Looping fliegen aus nächster Nähe in den Kopf. Natürlich kriegt das ausnahmslos jede Wache im Umkreis von einem Kilometer mit! Blöder Fehler unsererseits: Wir haben vergessen ihm zu befehlen die schallgedämpfte Pistole zu verwenden. Das nennt man Künstlerpech.

Dem geneigten Leser sei hiermit gesagt: So Künstlerpech kommt in dem Spiel öfter mal vor. Denn die Bedienung ist nicht immer so wie man es sich von einem aktuellen Spiel wünschen würde und auch oftmals eine Spur zu hakelig. Vor allem in Aufzügen bin ich regelmäßig dem Wahnsinn verfallen da die Agenten sich überall hinbewegten nur nicht dahin wo ich wollte.

Wir müssen produktiver werden!

Das Spiel motiviert ungemein: Wenn wir nach stundenlangem Kniffeln endlich in die Waffenkammer gekommen sind und einen Sturmgewehrprototypen ergattert haben lacht das Spielerherz.

Um mit dem Prototyp in Serienproduktion zu gehen benötigen wir die Forschung & Entwicklung. Nach einem ordentlichen Batzen Geld und etwas Zeit können wir unseren Agenten dann die brandneuen Waffen kaufen. Gerade zu Anfang sind Geld und Forscher aber ein knappes Gut.

Hier kommt die Openworld zum Tragen: Auf den Straßen finden wir Forscher die nur zu gern gegen ein kleines Bestechungsgeld in unser Team eintreten. Unser Hacker kann sich die Bankomaten vorknöpfen und fortan spülen die regelmäßig etwas Kohle in die Kasse.

Wenn wir an wichtige Prototypen nicht und nicht herankommen wollen bleibt uns immer noch der Weg zum Schwarzmarkt. Der gute Mann verlangt allerdings Fantasiepreise für seine Ware.

Das Ziel ihrer Mission ist: Wahrscheinlich das Gleiche wie das Letzte

 

Ein Beispielvideo wie man Missionen angehen kann. Stealth oder Krawall sind natürlich nur zwei Optionen!

Es gibt jede Menge Lösungsmöglichkeiten für eine Mission. Das Spiel gibt einem auf Wunsch gegen ein kleines Entgelt dank „Infodealer“ auch Tipps wie man es angehen könnte.  Die Festung ist uneinnehmbar? Für 500 Credits erhalten wir den Kontakt einer angepissten Putzfrau die uns gegen eine Entschädigung einfach mal den Zugangscode zum Dienstboteneingang verrät. Und dort sind – wer hätte es gedacht – praktisch keine Wachen

Unabhängig davon: Die Missionsziele sind oftmals immer die Gleichen: Dringe in einen gesicherten Bunker ein und fliehe aus dem Komplex. Selten dass wir eine Eskortmission erledigen müssen. Noch seltener das wir jemanden umlegen müssen.

Erst im letzten Distrikt zeigen die Entwickler das sie noch mehr am Kasten haben. Hier gibt es nochmal ein paar andere Missionsziele. Unter anderem einen wirklich fordernden Gefängnisausbruch oder einen Casinoraub.

 

Aufgesetzte Openworld

Möchte ich wirklich wissen was einen im "Magnum Gagnum" für Dienstleistungen angeboten werden?

 

Ich habe vorhin die Openworld gelobt und das tue ich immer noch. Aber: Wenn wir in den Ablauf der Dinge nicht eingreifen dann passiert nichts. Ständig lese ich das Uzycorp und die Ewigen sich hassen. Aber käme eine der Parteien auf die Idee ihren Nachbarn mal einen Besuch abzustatten?

Egal wie abgeranzt ein Slum auch aussieht: Taschendiebe oder Gangs sucht man vergeblich. Die Stadt ist diesbezüglich einfach klinisch rein. Man kann die Straße stundenlang beobachten und es wird einfach nichts passieren das es wert wäre darüber zu schreiben.

Das ist umso trauriger da das Spiel ja prinzipiell durchaus die richtigen Ansätze hat. Wenn wir Passanten hacken und für Ablenkung missbrauchen können wir direkt neben den armen Irren stehen. Die Wachen sehen den armen Hund als Schuldigen und verfahren entsprechend ihrem Prozedere. Also: Warum gibt es keine Bandenkriege? Warum kommt es nicht zu zufälligen Verhaftungen? All das hätte aus einer netten Openworldfassade eine echte, atmende Welt gemacht. Und es wäre wahrscheinlich kaum noch Programmieraufwand gewesen.

Fazit

Satellite Reign ist mit Sicherheit kein perfektes Spiel. Die KI ist nicht die stärkste, die Openworld ist nur aufgesetzt und es hat, auch wenn es großartig aussieht, doch einen recht ordentlichen Hardwarehunger. Die deutsche Übersetzung ist fehlerbehaftet und die Bedienung hat mir ordentlich Nerven geraubt. Es ist definitiv kein glattgehobeltes AAA-Spiel aber es hat mir unglaublichen Taktikspaß beschert. Die Stadt lädt zum Flanieren ein und ist mit Liebe zum Detail gestaltet. Aus meiner Sicht eine bedingungslose Empfehlung für jeden der auch nur ein bisschen mit Taktik oder Echtzeitstrategie anfangen kann.

Über Satellite Reign kann man Ähnliches sagen wie über die ResTech hinter der wir im Spiel her sind: Gerade die Stärken und die Besonderheiten sind auch teils mit die größten Schwächen die es hat.


Wertung
Pro und Kontra
  • Tolle Atmosphäre und Präsentation
  • Umfangreiche taktische Möglichkeiten
  • Eine Vielzahl an Ausrüstung mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen
  • Interessante Charakterspezialisierung
  • Teils sehr fordernde Missionen die wir auf beliebigem Weg lösen dürfen
  • Tolle Entscheidungsfreiheit
  • Openworld ist nur aufgesetzt
  • Die KI hat öfters mal Aussetzer
  • Die Bedienung ist stellenweise eine Katastrophe
  • Deutsche Übersetzung teils sehr schlampig und fehlerhaft
  • Besonders anfangs zu schwer...
  • Gegen Ende dafür sogar etwas zu leicht (aber nie zu leicht)

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(7)
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