Wenn man sich als zarter, unbeholfener und naiver GameStar-Praktikant zum ersten Mal mit einem eigenen Video hinaus in die Welt wagt, dann ist das schon ein magischer Schritt. Und eine Feuertaufe, denn mit ziemlicher Sicherheit bekommt man erstmal von der Community auf die Mütze.
»Hört sich degeneriert an«, »Was für ein beschissener Spieletester« und »Kann der Typ kein Sch aussprechen?« waren einige der Glanzlichter unter meinem ersten Gehversuch - all diese Sprüche tummelten sich allerdings unter einem Mantra, das man als Neuling ohnehin dauernd zu hören bekommt: »Hach, früher, als Fabian Siegismund, Christian Schmidt, Gunnar Lott und Co. noch bei der GameStar waren, da war alles so viel besser.«
Mir geht's heute heute freilich nicht um »besser« oder »schlechter« - wie auch? Ich bin ja schließlich befangen und bemühe mich mit Maurice, Johannes und all den anderen jeden Tag darum, die GameStar so gut wie möglich zu machen.
Nein, ich will aus Fan-Sicht einfach mal darüber reden, dass ich diesen Respekt gegenüber der »alten Garde« absolut teile. Wenn man mich nach meiner ersten Assoziation mit 20 Jahren GameStar fragt, dann denke ich an ein ganz bestimmtes Jahr: 2006, eine recht ätzende Zeit für PC-Zocker, die mir die älteren GameStar-Hasen maßgeblich gerettet haben.
Über den Autor: Dimitry Halley
@dimi_halley
Dimi hat seine erste GameStar zwar schon in den 90ern von seinem Cousin geklaut (und für immer behalten), seine Fan-Jahre begannen aber erst nach 2005. Wenn man vom Dorf kommt, dann dauert alles eben ein bisschen länger. Seit 2013 entdeckt er selbst als GameStar-Redakteur dieses neumodische Internet für sich und versorgt die Welt mit News, Tests, Specials, Videos und allen anderen denkbaren Artikelformen.
2006 war der PC egal
2006 (ich war zarte 16 Jahre alt) hatte der PC kein gutes Jahr. Die Xbox 360 zog die Weltaufmerksamkeit an wie das Licht die Motte, gleichzeitig schielten alle in Richtung der bald erscheinenden PlayStation 3 und die großen Publisher behandelten unseren Rechner stiefmütterlicher denn je.
Das war zumindest mein Eindruck als Teenie. Und ja, als Teenie neigt man dazu, Dinge zu dramatisieren. Aber es gab schließlich auch harte Indizien: 2006 erschienen Spiele wie The Elder Scrolls 4: Oblivion, Tomb Raider: Legend und Splinter Cell 4, die in ihrem Interface nervtötend konsolenoptimiert waren. Call of Duty 3 bekam überhaupt keinen PC-Release, Gears of War (damals) auch nicht. Tja, das fand ich einfach verflucht fantastisch, schließlich hatte ich mir gerade nach einem drakonischen Spar-Marathon für über 1500 Euro einen Rechner zusammenbauen lassen. Schön blöd!
Überall jubelten die Leute über die 360, meine Kumpels waren längst auf neue Fernseher und neue Konsolen umgestiegen - und ich dümpelte einsam im PC-Jammertal, bis ich zur GameStar fand. Vorher war ich eher ein sporadischer Leser, aber 2006 landete im Prinzip jeden Tag vor der Schule eine GameStar-DVD in meinem Laufwerk (meist über x Tage hinweg sogar dieselbe).
Dabei ging's mir nicht um Vollversionen, sondern um die Top- und Testvideos. Als Ghost Recon: Advanced Warfighter auf den Markt kam, feierten alle die Konsolenversion. Aber die GameStar widmete der PC-Fassung eine ausführliche Top-Spiel-Sektion mit eigenen Videos zum Koop, zu den Waffen, zu den Vorteilen der PC-Fassung. So gehört sich das! In Krisenzeiten hält man zusammen und bleibt dem PC-Kurs gefälligst treu.
Das Aushängeschild der GameStar
Und wenn ihr jetzt einwerfen wollt, dass der GameStar als PC-Magazin ja institutionell gar keine andere Wahl blieb, als dem Rechner die Treue zu halten, dann entgegne ich zwei Dinge: A) Man hat immer eine Wahl, schließlich verkauft McDonald's heutzutage auch Salate und B) war ich ein pubertierender Teenager-Nerd. Da schert man sich nicht um die harte Realität, sondern will verstanden werden. Bei der GameStar-Clique klappte das.
Kein Wunder, schließlich ist eine der größten GameStar-Stärken ihr Gesicht. Was Fans der ersten Stunde schon zu Zeiten von Raumschiff GameStar priesen, konnte ich 2006 zum ersten Mal selbst nachempfinden. Zwischen den Videos von Fabian, Christian, Petra, Graf und Co. fühlte ich mich als Teil einer coolen Truppe, die PC-Gaming zelebrierte, wenn es sonst keiner tat, und mit Kompetenz und Humor Spiele unter die Lupe nahm.
Wenn die GameStar damals ein Schleichspiel wie Splinter Cell: Double Agent zerpflückte, dann wusste ich: Das Ding muss sich nicht nur im Vergleich zu seinen direkten Vorgängern behaupten, sondern wurde auch an PC-Perlen wie Dark Project: Der Meisterdieb, Deus Ex und den frühen Hitman-Teilen gemessen (wenn nicht explizit, dann zumindest implizit). Hinter einem GameStar-Test stand (so zumindest meine Vorstellung) ein riesiger Fundus an möglichen Vergleichspunkten aus der PC-Geschichte.
Beim nächsten Mal wird gelästert
Ich konnte mich damals gar nicht satt sehen an den Preview-Videos zu Dark Messiah of Might & Magic, denn ich wusste, dass Petra dieses Kampfsystem genau aus den gleichen Gründen feierte wie ich.
Gut, wenn man sie heute drauf anspricht, dann schlägt sie nur die Hände überm Kopf zusammen, weil sie das Video damals ohne Sprechertext improvisieren musste und deshalb nicht unbedingt rosig in Erinnerung behielt. Aber mich scherte das damals nicht, und heute auch nicht. GameStar und die damalige Crew waren für mich ein sympathischer Gaming-Anker - und weit mehr als ein reines Service-Magazin.
Ich weiß, ich weiß, aus der Feder eines GameStar-Redakteurs klingt das schon ein arg nach Lobhudelei - aber tatsächlich habe ich die Ex-Kollegen Schmidt, Siegismund und Lott ja (leider) nie hier im Büro kennengelernt. Umgekehrt sind sie (wie auch die ansässigen alten Hasen Klinge, Schmitz, Graf, Schwerdtel und Co.) durchaus daran Schuld, dass ich unbedingt bei der GameStar anfangen wollte.
Und keine Sorge: Wenn die GameStar mal 30 wird und ich noch hier arbeite, dann schreibe ich als Ausgleich für diesen Nostalgie-Trip hier eine Lästerkolumne. Versprochen.
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