In der alten Zeit, als über dem Kreml noch Hammer und Sicher wehen, zieht ein Physikstudent aus, Civilization zu einem besseren Spiel zu machen. Viktor Kislyi aus dem weißrussischen Minsk besorgt sich ein Englisch-Wörterbuch, findet die Adresse von Sid Meier heraus und schreibt einen langen Brief voller Verbesserungsvorschläge.
Ob diese Post jemals die bröckelnde Sowjetunion des Jahres 1991 verlässt, weiß niemand mehr, auf Antwort wartet Kislyi vergebens. Civilization spielt er trotzdem nächtelang, bis er eines Morgens auf die Uhr schaut: Verdammt, in wenigen Stunden steht eine wichtige Prüfung an! Ein Panikmoment, den Civilization seinerzeit vielen Schülern und Studenten beschert.
Seinen Doktortitel schafft Kislyi letztlich trotzdem, hat nun aber gar keine Lust mehr, in die naturwissenschaftlichen Fußstapfen seines Vaters, des Physikers Wladimir Kislyi, zu treten. Computerspiele zu entwickeln, das wäre doch toll! 1998 gründet er gemeinsam mit seinem Bruder Jewgeni und drei Studienkameraden ein Studio. Dessen Name: Wargaming. Der Beginn eines Märchens.
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Der neue Imperator
Heute, 26 Jahre später, schätzt das Online-Magazin Bloomberg das Privatvermögen von Viktor Kislyi (links) auf eine Milliarde Dollar, er ist der erste weißrussische Dollar-Milliardär überhaupt. Kislyi selbst will sich dazu nicht äußern, muss er auch nicht, sein Erfolg spricht für sich: Mit World of Tanks erobert Wargaming die Welt, das »Counter-Strike auf Ketten« hat nach Entwicklerangaben inzwischen 140 Millionen registrierte Spieler und laut Superdata Research allein im Jahr 2016 über 400 Millionen Dollar umgesetzt.
Viktor Kislyi beherrscht ein Imperium, seinen Firmensitz hat der 40-Jährige längst von Minsk ins gleichermaßen sonnige wie steuergünstige Zypern verschoben. Dort ist Wargaming der größte Steuerzahler, zugleich gehören dem Studio fast 25 Prozent der zweitgrößten Bank des Landes; eine Filmpremiere besucht Viktor Kislyi gemeinsam mit dem zypriotischen Finanzminister.
Aus dem Physikstudenten ist ein Wirtschaftsboss mit besten Kontakten in Politik und Finanzwelt geworden. Doch wer mit ihm spricht, ihn nach seiner Geschichte fragt, der kann immer noch den jungen Studenten von damals erleben. Kislyi blickt nicht auf, starrt auf seine Hände, die Kreise auf die Tischplatte zeichnen, während er erzählt, erzählt, erzählt. Wie sehr ihn Civilization fasziniert, wie viel ihn das Strategiespiel über reale Wirtschaft gelehrt hat. Und wie es ihm schließlich doch noch gelang, sein Idol zu treffen.
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