»Die Pointe bringt der Spieler« - Interview: Im Gespräch mit Tim Schafer

Der Schöpfer von Day of the Tentacle, Grim Fandango und Psychonauts steht wie kein Zweiter für Humor in Spielen. Ein ernstes Gespräch über die Kunst, witzig zu sein.

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Tim Schafer ist Firmengründer und Geschäftsführer von Double Fine Productions.

Er war maßgeblich beteiligt an den großen Erfolgen der legendären Adventure-Schmiede LucasArts. So schrieb er unter anderem an den Dialogen von The Secret of Monkey Island und Day of the Tentacle mit. Nach dem genialen, aber kommerziell erfolglosen Grim Fandango trennte er sich von LucasArts und gründete 2000 mit Double Fine Productions sein eigenes Entwicklerstudio in San Francisco. Erstes Projekt war das skurril-witzige Action-Adventure Psychonauts. Derzeit arbeitet er gemeinsam mit Electronic Arts und dem Schauspieler Jack Black am Heavy-Metal-Actionspiel Brütal Legend.

Making Games: Tim, welches deiner Spiele war das lustigste?

Tim Schafer: Wahrscheinlich Psychonauts und Day of the Tentacle. In beiden Spielen konnten wir jede Menge verrückter Witze zu allen nur denkbaren Themen machen. Die Spiele waren thematisch ja sehr offen. Full Throttle und Brütal Legend sind auch sehr lustig, das hoffe ich zumindest. Sie haben natürlich prinzipiell einen etwas ernsteren Ton und sind beim Humor gradliniger. Aber Spiele können ja auch lustig und ernst zugleich sein.

Making Games: Kann ein Spiel nur dann lustig sein, wenn der Autor ein witziger Kerl ist?

Tim Schafer: Letztendlich kommt es auf die Leute an, die das Spiel entwickeln, davon bin ich überzeugt. Eine humorlose Person kann kein witziges Spiel machen. Andererseits glaube ich nicht, dass es Leute gibt, die wirklich humorlos sind.
Die Leute, die diese finsteren und ernsten Ego-Shooter machen, in denen literweise Blut fließt, sind meist ausgesprochen lustige Zeitgenossen, wenn man sie einfach so im Büro kennen lernt. Aber dieser Humor schafft es nie in die Spiele, weil viele glauben, dass Shooter so aggressiv wie möglich sein müssen. Dabei mögen die Leute dort draußen auch Comedy, und Humor macht Spiele vor allem für ein Mainstream-Publikum noch interessanter.

Schwarzer Humor wurde in Tim Schafers Adventure Grim Fandango ganz groß geschrieben. Schwarzer Humor wurde in Tim Schafers Adventure Grim Fandango ganz groß geschrieben.

Making Games: Warum wagen Shooter-Entwickler dann nicht mehr Humor?

Tim Schafer: Vielleicht liegt es an den ganzen humorlosen, ernsten Spiele, die es bereits gibt. Vielleicht glauben die Entwickler, dass ein ernsthafter Ton schlicht eine sicherere Sache ist.
Aber es gibt bereits lustige Momente in Spielen, selbst wenn sie ein ernstes Thema haben. Left 4 Dead hat zum Beispiel jede Menge witzige Höhepunkte. Auch Little Big Planet hat viel humoristisches Potential. Und ich meine mich zu erinnern, dass auch Conker ein sehr lustiges Spiel war.

Making Games: Welche Aufgabe müsste Humor in einem Shooter erfüllen?

Tim Schafer: Zunächst muss nicht jedes Spiel witzig sein. Es gibt genug Spiele, die ganz zu Recht eher düster und ernst sind. Aber manchmal vergessen die Entwickler, dass Spiele ein Teil der Unterhaltungsindustrie sind, dass ihre Hauptaufgabe eben die Unterhaltung ist. Dieses Bedürfnis kann man mit Action befriedigen, aber es schadet der Action nicht, wenn man sie mit guten Texte und witzigen Einlagen ergänzt.

Making Games: Wie entwickelt man ein lustiges Spiel?

Tim Schafer: Die Entwicklung selbst muss bereits Spaß machen. Das ist das erste, worum man sich kümmern muss. Man braucht Leute, die sich richtig gerne zusammensetzten und neue Ideen entwickeln. Der Humor entsteht dann quasi als Nebenprodukt. So lief es bei uns zum Beispiel mit Monkey Island. Wir waren einfach ein Gruppe von Leuten, die miteinander Spaß haben wollten. Der Witz, der dabei entstand, hat es dann ins Spiel geschafft. So ist es auch bei Double Fine. Wir haben viele wirklich lustige Leute. Ich glaube, das wird man dem Spiel anmerken. Und ich spreche nicht nur von den Dialogen und der Geschichte, sondern auch von den Animationen und allgemein dem künstlerischen Stil des Spiel.

»Brütal Legend ist kein reines Comedy-Spiel. Wenn man keinen Sinn für Humor hat, kann man es auch vollkommen ernst nehmen, und das Spiel wird trotzdem über die Action funktionieren.« »Brütal Legend ist kein reines Comedy-Spiel. Wenn man keinen Sinn für Humor hat, kann man es auch vollkommen ernst nehmen, und das Spiel wird trotzdem über die Action funktionieren.«

Making Games: Wie stellst du sicher, dass jeder im Team den gleichen Humor teilt?

Tim Schafer: Man kann den Humor der Leute nicht ändern. Daher geht es mehr um Glück und die Möglichkeit, sich seine Angestellten aussuchen zu können. Bei einer kleinen Firma wie Double Fine kann ich selbst entscheiden, mit wem ich arbeiten möchte und wen ich einstelle. Aber ich denke, es wäre sogar fatal, wenn alle den gleichen Humor hätten. Nur wenn jeder seinen individuellen Charakter ins Projekt einbringen kann, entsteht am Ende etwas Besonderes. Unsere Leute müssen also nicht alle den gleichen Sinn für Humor haben, aber sie sollten sich natürlich gegenseitig inspirieren und voranbringen.

Making Games: Was macht ein lustiges Spiel ansprechend?

Tim Schafer: Erstens sind humorvolle Szenarien eine nette Abwechslung zu den düsteren, bedrohlichen Umgebungen, die die meisten anderen Spiele anbieten, zweitens macht einfach Spaß, eine witzige Figur wie Guybrush in Monkey Island zu verkörpern. Er hat immer einen flotten Spruch auf den Lippen, und selbst wenn sich der Spieler diese Textzeilen nicht selbst ausgedacht hat, ist es doch ein Vergnügen, diesen Charakter zu spielen. Guybrush lässt Sachen vom Stapel, die dem Spieler in einem normalen Gespräch wahrscheinlich erst viel später, also zu spät eingefallen wären. Diese witzigen Vorlagen funktionieren wie Werkzeuge. Ob das nun ein treffender Satz ist oder eine tintesprühende Blume, der Spieler kann diese Werkzeuge nehmen und sie nach seinem Ermessen anwenden. Das ist sehr cool.

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