Die Ultima-Historie - Teil 2 - Fail Britannia

Wie Ultima seinen Höhepunkt erreicht und von EA ermordet wird: Im zweiten Teil unserer Ultima-History erzählen wir die Geschichte von Teil 7-9.

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Hätte man 1992 behauptet, dass die Ultima-Reihe mit dem neunten Teil einen qualvollen Tod sterben würde, man hätte ebenso gut prophezeien können, dass Microsoft zu einem der größten Konsolenhersteller der Welt wird - oder die damalige Ministerin für Jugend und Familie, eine gewisse Angela Merkel, zur Bundeskanzlerin. Schließlich liefert Richard Garriott in diesem Jahr mit Ultima 7 sein Meisterwerk ab, ein Rollenspiel, das man mit einiger Berechtigung als Citizen Kane des Genres bezeichnen könnte, eine so glaubhaft und liebevoll simulierte Welt, wie sie seitdem nie wieder erschaffen wurde.

Bloß spielen kann Ultima 7 bei Release fast niemand; Es kostet nicht nur unglaubliche 130 D-Mark (was heute einer Kaufkraft von rund 97 Euro entspricht), sondern erfordert auch utopische 50 Megahertz - darunter ruckelt die wunderschöne Engine mitunter so jämmerlich wie ein Daumenkino. Und selbst das tut sie nur ausgesprochen widerwillig, denn Ultima 7 frisst so viel Speicher, dass es ohne Bootdiskette schlechterdings unmöglich ist, das Spiel überhaupt zum Starten zu bewegen.

Falls Sie sich an dieser Stelle übrigens fragen, was zum Teufel eine Bootdiskette ist, dann stellen Sie sich einfach vor, dass Sie zum Spielen von Skyrim Ihre Internetverbindung kappen, Skype oder ICQ deinstallieren, den Monitor auf taiwanesische Werkseinstellungen zurücksetzen und das System anschließend vom USB-Stick neu starten müssten. Mit Bootdisketten war das so ähnlich. Bloß umständlicher.

Ultima 7: EA als Serienkiller

Ultima 7: The Black Gate - Erscheinungsjahr: 1992 - Publisher: Origin - Erweiterung: The Forge of Virtue - Beilagen: Stoffkarte, Medaillon der Fellowship, Buch der Fellowship Ultima 7: The Black Gate - Erscheinungsjahr: 1992 - Publisher: Origin - Erweiterung: The Forge of Virtue - Beilagen: Stoffkarte, Medaillon der Fellowship, Buch der Fellowship

Brutaler noch als sein Vorgänger schließt Ultima 7 einen erheblichen Teil des Publikums von vorneherein aus. Und anders als Rebel Assault, das im folgenden Jahr die notwendigen CD-ROM-Laufwerke quasi gleich mitverkauft, eignet sich ein komplexes Rollenspiel nur bedingt als System-Seller - vor allem, wenn das benötigte System umgerechnet 2.000 Euro und mehr kostet. Zum kommerziellen Flop entwickelt sich Ultima 7 zwar trotzdem nicht, aber es verkauft sich auch nicht gut genug, um die massiven Verluste zu kompensieren, die Origin zu Beginn der 90er-Jahre aus allen Poren blutet.

Während mit dem C64 und den Apple-Heimcomputern zwei für das Unternehmen sehr profitable Vertriebskanäle wegbrechen, explodieren gleichzeitig die Entwicklungs- und Produktionskosten. Wing Commander wird von einem fünfköpfigen Team entwickelt und erscheint auf drei Disketten. Bei Wing Commander 2 sind es nur ein Jahr später 25 Entwickler und sieben Disketten, Ultima 7 benötigt immerhin sechs Datenträger, auch die längst selbstverständlichen Stoffkarten produzieren sich nicht von selbst - und schon gar nicht umsonst.

Alleine die Diskettenkosten werden für Origin zu einem so katastrophalen Problem, dass das Strike Commander-Team nur halb im Scherz überlegt, ob es nicht billiger wäre, das Spiel gleich vorinstalliert auf einer Festplatte auszuliefern. Mit den angesprochenen CD-ROM-Laufwerken ist eine Lösung zwar in greifbarer Nähe, aber Origin hat kein Geld mehr, um die nächsten zehn oder zwölf Monate zu überbrücken. Und ein Kredit ist im heimischen Texas nicht zu kriegen, die lokale Finanzindustrie erholt sich gerade von den Folgen einer geplatzten Immobilienblase, niemand will in ein kleines, risikoreiches Unternehmen investieren.

Bestialische Ritualmorde in Britannia. Das verantwortliche Serienkiller-Duo heißt EA: Elizabeth und Abraham. Bestialische Ritualmorde in Britannia. Das verantwortliche Serienkiller-Duo heißt EA: Elizabeth und Abraham.

Nahezu parallel nimmt EA-Gründer Trip Hawkins seinen Hut, um mit der 3DO-Konsole einen atemberaubenden Bankrott hinzulegen. Es ist das letzte Teil in einem unglücklichen Puzzle, denn ausgerechnet an Trip Hawkins, so sind sich ehemalige Mitarbeiter später sicher, hätte Richard Garriott sein Studio garantiert nicht verkauft. Es ist die Rede von einer gegenstandslosen Klage, die EA in den 80er-Jahren angestrengt habe und die von Origin außergerichtlich beigelegt worden sei, um einen jahrelangen Rechtsstreit zu verhindern.

Auf die Frage, warum er diese Klage überhaupt erlaubt habe, antwortete Hawkins demnach: »So läuft eben das Geschäft. So gewinnen wir.« Schon in Ultima 6 verarbeitet Garriott seine tiefe Verachtung in einer Nebenquest. Sie erzählt von einem außergewöhnlich grausamen Piraten, der schließlich von seiner eigenen Crew umgebracht wird. Sein Piratenschiff heißt »The Empire«. Auf seinem Grabstein stehen die Worte: »Hier liegt Captain Hawkins. Er starb einen langsamen Tod, und er hat ihn verdient«.

Lord British im Weltraum
Ursprünglich wollte Richard Garriott als erste Privatperson überhaupt ins Weltall fliegen. Doch sein Traum platzte zusammen mit der Dotcom-Blase: Beim Crash der »New Economy« verlor Garriott einen zweistelligen Millionenbetrag, der US-Unternehmer Dennis Tito wurde zum ersten Weltraumtouristen der Welt.

Aber Garriot fiel prompt wieder auf die Füße: Nach seinem Ausscheiden bei EA übernahm er einen lukrativen Posten bei NCSoft und hatte 2008 das Kleingeld (rund 30 Millionen US-Dollar) beisammen, um als sechster Weltraumtourist an Bord einer russischen Soyuz-Mission zur Internationalen Raumstation zu fliegen. Nur wenige Tage nach seiner Rückkehr wurde Garriott von NCSoft entlassen. 2010 erhielt er dafür eine Abfindung von 28 Millionen Dollar.

Als Richard Garriott Origin im September 1992 an EA verkauft, verbrennt Trip Hawkins zwar schon fleißig 3DO-Millionen, aber überraschend kommt der Deal trotzdem. Schließlich porträtiert das kurz zuvor veröffentlichte Ultima 7 den Publisher noch als integralen Bestandteil einer menschenverachtenden Sekte. So heißt das mörderische Zwillingspaar der offensichtlich von Scientology inspirierten »Fellowship« nicht umsonst Elizabeth und Abraham - die Initialen sprechen Bände.

Und wenn sich im weiteren Spielverlauf herausstellt, dass diese »Fellowship« das Unterbewusstsein der Einwohner mit drei Generatoren manipuliert, um das Land auf die Invasion des weltenzerstörenden Guardian vorzubereiten, dann bilden diese Generatoren auch nicht ganz zufällig das damalige Firmenlogo von EA. Man könnte also argumentieren, dass Garriott die Katastrophe kommen sieht - und sich fragen, warum er sein Schiff dennoch so zielsicher in den Eisberg lenkt.

Aber der Deal ergibt für beide Seiten durchaus Sinn: EA fehlt ein Standbein im wichtigen PC-Markt, Origin braucht dringend einen potenten Geldgeber für seine teils wahnwitzig ambitionierten Projekte, und im Gegensatz zur landläufigen Meinung greift EA in diesen Anfangsjahren eben nicht massiv in den kreativen Prozess ein, sondern lässt den Entwicklern eine lange Leine. »Jedenfalls genug, um uns daran aufzuhängen«, wie sich Warren Spector erinnert.

The Serpent Isle: Der endgültige Höhepunkt

Ultima 7 Teil 2: Serpent Isle - Erscheinungsjahr: 1993 - Publisher: EA - Erweiterung: The Silver Seed - Beilagen: Stoffkarte, Handbuch über die Serpent Isle Ultima 7 Teil 2: Serpent Isle - Erscheinungsjahr: 1993 - Publisher: EA - Erweiterung: The Silver Seed - Beilagen: Stoffkarte, Handbuch über die Serpent Isle

Dieser Warren Spector beispielsweise darf weitgehend ungestört an Ultima Underworld 2 arbeiten, auch bei System Shock legt ihm niemand Steine in den Weg. Und das von Spector produzierte Ultima 7-2:Serpent Isle, das erste Ultima unter EA-Führung, erscheint 1993 nicht nur wie geplant, sondern gilt unter Fans bis heute als bester Serienteil überhaupt - auch wenn es mit vielen Tugenden des direkten Vorgängers schlittenfährt.

So wird die offene Spielwelt in lineare Story-Abschnitte unterteilt, die Zahl der NPCs signifikant verringert und der Schauplatz vom ehrwürdigen Britannia auf die titelgebende Schlangeninsel verlegt. Wer so viele heilige Kühe schlachtet, wird in dieser Branche normalerweise von seinen eigenen Jüngern zerfleischt (davon werden wir übrigens gleich noch ein Liedchen singen), aber Serpent Isle gelingt das Kunststück, trotz der reduzierten Komplexität das bessere Ultima 7 zu sein.

Garriott und Spector erschaffen nicht nur eine absolut glaubhafte Welt mit einer faszinierenden Hintergrundgeschichte, sondern spinnen auch eine so komplexe und spannende Handlung, dass die ungewöhnlich strenge Linearität perfekt harmoniert. Die Serie hat endgültig den Höhepunkt erreicht, und ein tiefer Fall scheint nicht in Sicht. Zwar scherzen langjährige Origin-Mitarbeiter über ihre Fahnenflucht zur dunklen Seite der Macht, aber die Vorteile der Übernahme liegen auf der Hand: Das Studio wächst um 200 Mitarbeiter, die Zahl der Projekte verdoppelt sich, und Origin zahlt plötzlich wettbewerbsfähige Löhne - zuvor lagen die Gehälter teilweise »nur haarscharf über der Armutsgrenze«. In Texas brechen goldene Zeiten an, aber dann passiert die Katastrophe. Es passiert Ultima 8.

Ultima Underworld
Die von Warren Spector (Deus Ex) produzierte Ultima Underworld-Serie hat mit der Hauptreihe zwar nur am Rande zu tun, gehört aber zu den einflussreichsten Rollenspielen überhaupt und legte den Grundstein für Klassiker wie System Shock oder Thief. Ultima Underworld war 1992 eines der ersten PC-Spiele mit einer echten 3D-Engine, auch die Physik-Engine (Gegenstände kullerten etwa einen Abhang hinunter) war revolutionär. Dabei glaubte bei Origin niemand an den Erfolg: Ultima Underworld stand mehrfach vor dem Aus und wurde von den Designern teils selbstfinanziert.

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