Drakensang: Am Fluss der Zeit ist Mittelalter-Fantasy mit einem Zuckerhäubchen: Der freundliche, oft augenzwinkernde Grundton der deutschen Rollenspiel-Serie Das Schwarze Auge zeichnet auch das neue Werk von Radon Labs aus. Wer gerade aus finsterernsten Alle-sind-böse-traue-niemandem-Spielen wie Dragon Age oder Mass Effect 2 kommt, der wird irritiert feststellen, dass in der gemütlichen Welt Aventurien Frieden herrscht, nirgendwo gehäutete Leichen auf Pfählen stecken und die Leute zwar freimütig über Zwerge (»Stumpen«), Elfen (»Baumküsser«) oder Ratten (»Ratten«) schimpfen, sich deshalb aber noch lange nicht an die Gurgel gehen. Braucht Drakensang: Am Fluss der Zeit überhaupt eine Heldengruppe?
Der Einstieg: geruhsam
Natürlich werden im zweiten Drakensang wieder Helden benötigt. Aber bis das deutlich wird, vergeht geraume Zeit. Die ersten paar Stunden von Am Fluss der Zeit plätschert arg geruhsam dahin.
Bevor die Story an Fahrt aufnimmt und die »Jetzt will ich wissen, wie’s weitergeht«-Nadel überhaupt das erste Mal leise vibriert, durchlaufen angehende Drakensang-Helden ihre Grundausbildung. Die ist zwar in ordentliche Quest-Häppchen unterteilt, aber nächtliche Stadtpatrouillen oder Wolfsjagden schäumen nicht gerade über vor Dramatik. Weil Sie zunächst alleine unterwegs sind, fehlt auch der bereichernde Austausch mit den Begleitern. Selbst auf Erkundungstour in und um Nadoret, der hübsch verwinkelten Hauptsiedlung von Am Fluss der Zeit, will der Atmosphäre-Funke anfangs nicht recht überspringen, denn erst einmal gibt es viel, viel zu lernen: Wie funktioniert das komplexe Charaktersystem? Welcher Händler steht wo? Wie heißen all die Questgeber der Stadt? Wo bin ich gerade? Selbst die kleinen Aufgaben, die man Ihnen an jeder Ecke anträgt, sind zunächst eher anspruchslose Botengänge und Hilfsarbeiten; und in den Fässern, die Sie in Nadoret (wie auch an jedem anderen Ort der Spielwelt) auf Schritt und Tritt zerkloppen, liegt stets der gleiche Krusch. So fließt während der Einarbeitungszeit einiges Wasser den Großen Fluss hinunter.
Die Atmosphäre: super
Nach ein paar Stunden treten die ersten Mitglieder Ihrer vierköpfigen Truppe bei, und die Hauptquest kommt ins Rollen. Dann öffnet sich das bis dahin lineare Am Fluss der Zeit, und langsam versinkt man in der Atmosphäre von Aventurien.
Die lebt, mehr noch als im ersten Drakensang, von ihrer Detailfülle, von der Vielfalt liebenswert-kauziger Charaktere und von einem steten Grundrauschen des Humors. Da erzählen sich in der Taverne »Zum Springenden Hirsch« in Nadoret zwei Scherzbolde minutenlang Zwergenwitze, weiter hinten im Schankraum debattieren drei Hobbyphilosophen über Doppelbödigkeiten des Daseins. Auf dem Markplatz schreit ein Zeitungsjunge die Neuigkeiten des Tages heraus, Budenbesitzer preisen ihre Waren. Eine Frau jagt ihren Mann mit dem Nudelholz durch die Stadt, auf dem nahen Bauernhof windet sich eine junge Frau in Vergiftungsschmerz, weil sie eine Kröte geküsst hat. Dabei wollte sie doch nur einen Prinzen finden! In der Diebesgilde planen »Efferdians elf Spießgesellen« den Coup des Jahrhunderts -- hat da jemand »Ocean’s Eleven« gesagt?
Es sind die Beiläufigkeiten, die das Aventurien aus Drakensang mit Charme aufladen. Am Marktbrunnen empfiehlt ein kleiner Junge strahlend, einen Heller in den Schacht zu werfen, dann ginge ein Wunsch in Erfüllung. Später entdeckt man, dass in der Kaverne unter dem Marktplatz die Mutter des Buben steht und die Münzen auffängt. Am Anlegesteg des Dörfchens Hammerberg kommentiert ein Matrosenpaar jedes Mal, wenn man vorbeiläuft, die jüngsten Aktionen der Heldengruppe.
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