Es ist fast genau zehn Jahre her, aber ich erinnere mich noch daran, als wäre es gestern gewesen: Da sitze ich also am Küchentisch, ein Glas frischgepresster Organgensaft ... äh, eine Tassse abgestandenen Filterkaffee links, vor mir ein Teller Avocado-Tomatensalat mit gegrilltem Wildlachs ... na ja gut, eine Schüssel Kelloggs Frosties und davor wiederum die Süddeutsche Zeitung.
Ich blättere: Krieg, Krise, Krieg, blätter, blätter, Merkel, Krieg, Krise, blätter, blätter, blätter, blätter, ich überspringe das Feuilleton, ich überspringe den Börsenquatsch, blätter, blätter, Fußball, Fußball, blätter, blätter und lande im Lokalteil. »Interessant!«, denke ich mir, während ich einen dicken Löffel Kelloggs-Frosties Matschepatsche in meine Futterluke bugsiere. »Interessant!«
Es geht um ein eSport-Turnier in München und während ich so gemütlich vor mich hin mampfe, lese ich den ersten Satz: »An diesem Freitagabend treffen sich Profispieler in der Tonhalle zur Bundesliga, um sich in umstrittenen Spielen wie Counter-Strike oder FIFA 09 zu messen«. FIFA?! »Umstritten«?! Ganz so, als habe man es hier mit einem regelrechten »Killerspiel« zu tun?!
Mir fällt der Löffel aus der Hand und ich bin sauer, richtig sauer, so sauer, dass ich ... ja, was eigentlich? Klar, damals gibt es schon Blogs, aber ich habe keinen Blog. Klar, damals gibt es schon Twitter, aber ich habe kein Twitter. Klar, damals gibt es schon Journalisten, aber ich bin kein Journalist. Und so bleibe ich allein zurück mit meiner Wut und einer Schüssel halbvoll mit pappsüßem Napf-Fraß.
Der Autor
Christian Schiffer ist Journalist beim Bayerischen Rundfunk, Politikwissenschaftler, weltgrößter Ultima-7-Fan und Herausgeber des Spielkultur-Bookazines WASD. In seiner neuen Kolumnenserie #keineahnung schreibt er für GameStar Plus über die Absurditäten unserer Branche und legt den Finger in die Wunde: Seid ihr eigentlich alle bescheuert?
Urheberrechtsreform: Facepalmiren im Akkord
Ich muss in diesen Tagen immer wieder an diese traurige Episode meines frühmorgendlichen Informationskonsums denken. Denn so wie damals in seriösen Medien FIFA zum Killerspiel mutierte, so spektakulär ist das Unwissen von manchem Politiker, wenn es um die Urheberrechtsreform geht, die am 15. April 2019 im EU-Ministerrat beschlossen wird.
Damals regte es uns auf, wenn FIFA oder World of Warcraft zum »Killerspiel« erklärt wurde und natürlich regte uns dieses Wort an sich auf: »Killerspiel« (damals ahne ich ja noch nicht, dass ich Jahre später eine ZDF-Dokureihe zum Thema machen und diese dann, nunja, »Killerspiele« nennen sollte).
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